Editorial

Liebe CREVELTer,

Weltfrieden, eine gerechte Verteilung der Güter, das Ende der Hungersnot. Wer das Wohl der Menschheit und des Planeten im Sinn hat, bei dem dürften diese drei Wünsche ganz weit oben stehen. Schaut man aber in die Kommentarspalten Krefelder Social-Media-Seiten, kommt man zu einem anderen Schluss. Wenn es nach „dem Krefelder“ geht, gibt es nämlich ein weitaus größeres Problem zu lösen: Schlaglöcher. Kaum eine Diskussion kann geführt werden, ohne dass irgendwann auf den vermeintlich katastrophalen Zustand unserer Straßen hingewiesen wird. Es scheint, es dürfe kein Plan geschmiedet, kein Projekt in Angriff genommen werden, bevor nicht zuvor alle Schlaglöcher der Stadt zugeschüttet sind. Keine Idee ist so gut, dass die Schlaglöcher nicht Vorrang vor ihr hätten. „Godwins Gesetz“ besagt, dass jede Internet-Diskussion mit zunehmender Dauer unweigerlich auf einen Hitler- oder Nazi-Vergleich hinausläuft: Analog besagt das ungeschriebene „Krefelder Gesetz“, dass eher früher als später über Schlaglöcher diskutiert werden wird. Nun sind manche unserer Straßen ganz sicher in einem bemitleidenswerten Zustand, aber ist das wirklich unser allergrößtes Problem? Während etwa unsere niederländischen Nachbarn sehr erfolgreich und visionär daran arbeiten, Innenstädte vom Autoverkehr zu befreien, um sie lebenswerter zu machen, scheint unser ganzes Glück immer noch daran zu hängen, dass wir auf perfekten Asphaltbahnen zum kostenlosen Parkplatz im Zentrum gleiten können. 

Einige unserer Gesprächspartner werden angesichts solcher Sorgen ganz sicher nur den Kopf schütteln. Simon Tal-Doyev zum Beispiel, Geschäftsführer des Projektentwicklers Elakari, der in Krefeld den Surfpark realisieren möchte. Der Israeli mit Wohnsitz Tel Aviv lebt in einem Land, das sich seit seiner Gründung in einem andauernden Ausnahmezustand befindet, der erst im Oktober letzten Jahres über 1.000 israelische Zivilopfer forderte. Auch Elli Kreul denkt nicht zuerst an Schlaglöcher, wenn sie überlegt, vor welchen Herausforderungen wir stehen. Mit ihrem Verein Emmaus setzt sie sich für die Eingliederung Obdachloser in die Gesellschaft ein, für Nachhaltigkeit und soziale Gerechtigkeit – und verzichtet dafür bereitwillig auf das, was wir als ein „normales“ Leben bezeichnen würden. Einsatz an der Basis zeigt auch Jochen Haeffner, Trainer des KSV Germania: Zu seinen Trainingseinheiten auf der Steinstraße kommen Menschen unterschiedlichster Herkunft, darunter zahlreiche Flüchtlinge, die mitunter vor schrecklichem Leid geflohen sind. In der verschworenen Ringergemeinschaft, die er ihnen bietet, sind sie alle gleich – und finden bei ihm gleichermaßen eine Heimat und Anerkennung.

Wem das zu schwere Kost ist, der liest auf diesen Seiten natürlich wie gewohnt viele weitere kleine Geschichten aus Krefeld: von Unternehmern und Unternehmen, die mit ihren Produkten und Leistungen dafür sorgen, dass es uns hier an nichts fehlt. Und garantiert beschwert sich niemand über Schlaglöcher. Warum auch?

Viel Spaß bei der Lektüre,

Ihr Michael Neppeßen, David Kordes & Torsten Feuring

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