Heroes in Krefeld

Dieter Hofmann: Ein Leben in Bewegung

In der grünen Oase seines Gartens blickt Hofmann auf ein wortwörtlich bewegtes Leben zurück.

Sport. Wissenschaftler sind sich einig darüber, dass regelmäßige körperliche Bewegung einen positiven Effekt auf die Gesundheit hat. Herz, Kreislauf und Immunsystem werden gestärkt, das Knochengerüst und die Muskulatur stabilisiert, Stress wird abgebaut, Wohlbefinden und Lebenserwartung steigen. Schaut man sich Dieter Hofmann an, in dessen Leben der Sport stets eine wichtige Rolle einnahm, sieht man diese positive Wirkung leibhaftig vor sich. Auch mit 84 Jahren strahlt er noch Energie und Frische aus, versprüht Witz, verfügt über einen wachen Geist. Diese ihm innewohnende Kraft nutzte er nicht nur für seine eigenen Wettkämpfe: Er setzte sie zum Wohle der Sportstadt Krefeld in zahlreichen Funktionen und Ämtern ein und rief zwei Sportveranstaltungen ins Leben, die sich Jahr für Jahr großer Beliebtheit erfreuen.

84 Jahre auf einem DIN A4-Blatt. Dieter Hofmann hat sich gut vorbereitet, überreicht mir den Ausdruck eines tabellarischen Lebenslaufes, der sich auf seine sportlichen und ehrenamtlichen Tätigkeiten konzentriert. 28 Einträge, von der Geburt im Jahr 1940, bis zur Verleihung des Bundesverdienstkreuzes vor drei Jahren. „Das reicht“, steht lapidar daneben und zieht die eigene akribische Vorarbeit durch den Kakao: Typisch für Hofmanns Humor und seine Bescheidenheit. Ganz sicher ist er zu Recht stolz auf das, was er geschafft hat: Aber nie ging es ihm darum, Dank, Ehrungen oder Schulterklopfer einzuheimsen. Das gute Ergebnis – für die Menschen, für den Sport: Das war es, was ihn motivierte.

Seit 50 Jahren ist Dieter Hofmann stolzes Mitglied von Bayer 05 Uerdingen.

Dabei begann Hofmanns Leben denkbar weit weg von Sportplatz und Tartanbahn: „Ich wuchs als Thekenkind auf“, schmunzelt der Sohn eines Uerdinger Gastwirts. „Aber ich war schon als Kind immer in Bewegung, spielte mit Freunden auf der Straße Fußball, als man das noch konnte, oder Cowboy und Indianer.“ Mit 16 begann Hofmann in der Fußballmannschaft des FC Uerdingen 05 und ergatterte darüber auch seinen Ausbildungsplatz als Laborant bei den Bayerwerken in Uerdingen, denen er bis zur Pensionierung die Treue hielt. In seiner Tätigkeit war er an der Entwicklung zahlreicher innovativer Stoffe und Medikamente beteiligt, doch die Mittlere Reife verhinderte den Aufstieg in höchste Positionen. „Vielleicht habe ich das mit meinem sportlichen Ehrgeiz etwas auszugleichen versucht“, gerät der Uerdinger ins Grübeln. Doch dass sein Beruf nur die zweite Geige gespielt hätte, weist er von sich: „Das war eine verantwortungsvolle und anspruchsvolle Tätigkeit, die immer meine volle Aufmerksamkeit gefordert hat. Schließlich habe ich damit meine Familie ernährt. Der Sport war Freizeit, Vergnügen.“ Man kann sich aber auch nicht vorstellen, dass dieser Mann etwas halbherzig machen würde. Er verkörpert noch Werte, die heute, in Zeiten der kurzen Gedulds- und Aufmerksamkeitsspannen und der am besten sofort zu erfolgenden Bedürfnisbefriedigung, etwas aus der Mode gekommen sind: ein hohes Verantwortungsbewusstsein und die Überzeugung, dass alles, was man tut, es verdient, so gut wie möglich getan zu werden.  

Zwei einschneidende Ereignisse, die Hofmanns Leben entscheidend prägen, folgten in den frühen Sechzigerjahren kurz aufeinander: Bei einer Paddeltour auf der Lahn lernte er seine erste Ehefrau Irene kennen, mit der er bis zu ihrem Tod 2010 verheiratet war. Etwas später erlitt er eine Armfraktur und musste das Fußballspielen vorübergehend aufgeben. „Ich wog plötzlich 94 Kilo und sah Sterne, als ich eine Runde laufen ging. Das weckte meinen Ehrgeiz.“ Mit 25 entdeckte Hofmann so eine neue Leidenschaft: den Laufsport. „Laufen ist so wunderbar einfach“, lächelt er. „Man ist draußen, nur bei sich und man kann den ganzen Alltagsstress dabei fallenlassen. Und ab einem gewissen Zeitpunkt geht es von allein. Der Anfang allerdings, der ist schwer!“ Hofmann dreht Runde um Runde, hört auf den Rat von Leichtathleten aus seinem Sportverein, hält immer länger durch, wird schneller. Die logische Folge: der erste Marathon, an dem Hofmann 1976 in Essen teilnahm. Bis Mitte der Achtziger folgten weitere zehn Marathons und es brauchte eine neue Herausforderung. Weil Hofmann gern Rad fuhr und außerdem ein guter Schwimmer war, probierte er es 1985 mit dem Triathlon: Im Alter von immerhin 45 Jahren. „Triathlon ist einfach sehr abwechslungsreich und spannend. Der Tumult in den Wechselzonen ist einzigartig, Adrenalin pur!“ 1987 startete er in Zürich bei seinem ersten Iron Man. 1990 qualifizierte sich der nun 50-Jährige sogar für den Ironman auf Hawaii, gewissermaßen die Tour de France des Triathlonsports. „Damals konnte man sich das noch leisten. Das Startgeld betrug 300 Mark. Heute kostet die Teilnahme über 1.000 Dollar!“, lacht er. In der Altersklasse 50 erreichte er auf Hawaii den 10. Platz.

Doch Sport ist für den Ehrenpräsidenten des Krefelder Stadtsportbunds weit mehr als Training, Wettkampf und die Jagd auf Bestzeiten: Er ist gelebte Gemeinschaft. „Sport ist ein Gleichmacher. Wenn ein Handwerker und ein Arzt miteinander laufen, spielt ihr unterschiedlicher Status keine Rolle. Es geht nur um die Leistung“, erklärt er. Vom Titel des Kinderbuchklassikers „Elf Freunde müsst ihr sein“ könnten wir uns heute wieder eine Scheibe abschneiden: „Im Mannschaftssport lernt man, Differenzen untereinander zu überwinden, zum Erreichen eines gemeinsamen Ziels zusammenzuarbeiten, Stärken am anderen zu erkennen. Das sind nützliche soziale Fähigkeiten, die uns leider etwas abhanden gekommen sind“, resümiert er.

Das Aufstellen und Erreichen neuer Ziele und das Engagement im und über den Verein hinaus gehörten für ihn untrennbar zusammen: Seine ersten Laufveranstaltungen organisierte er schon in den frühen Achtzigerjahren, darüber hinaus plante er mehrere Radsportreisen. 1990 gründete er die Triathlonabteilung von Bayer 05 Uerdingen, die heute 300 Mitglieder zählt. Von 2000 bis 2010 hatte er das Amt des Präsidenten des Triathlonverbands NRW inne und 2011 übernahm er den Vorsitz des Stadtsportbunds, der sich für die Interessen der lokalen Vereine einsetzt. „Schon beim Cowboyspielen damals in Uerdingen habe ich gern die Organisation übernommen und mir die Abenteuer ausgedacht, die wir dann gespielt haben“, erinnert er sich. „Mir hat es immer Spaß gemacht, Veranstaltungen zu planen, die Menschen Freude bereiten. Und natürlich hatte ich immer die nötigen Kontakte, die mir dabei halfen.“ 

Eine schwere Zäsur bedeutete der Tod seiner Gattin Irene im Jahr 2010. Die letzten vier Wochen ihres Lebens begleitete Hofmann sie im Hospiz am Blumenplatz. Die Fürsorge, die er dort erlebte, weckte in ihm den Wunsch, die Arbeit der Menschen dieser Institution besonders zu würdigen. Er erdachte den Hospizlauf, der seitdem jährlich stattfindet. Aus verschiedenen Krefelder Stadtteilen starten die Menschen in Richtung Blumenplatz, wo eine Feier zum Abschluss stattfindet. Das macht nicht nur logistisch Sinn, es ist auch ein wunderschönes Bild: das Hospiz, ein Ort, an dem das Leben endet, einmal nicht verdrängt und ausgeschlossen, sondern als Zentrum unserer Stadt. Die sportliche Leistung ist nebensächlich, es geht um das Miteinander. Jenes Miteinander, das Hofmann bei all seinem Engagement immer am meisten am Herzen lag. „Sport ist wichtig für unsere Gesellschaft! Gerade auch für unsere Kinder, die es heute mitunter schwer haben. Oft fehlt es den Eltern neben dem Alltag an Zeit und Geld, um ihnen die Ausübung einer Sportart im Verein zu ermöglichen“, gibt er zu bedenken. „Das war früher einfacher.“

In seinem wunderschönen Garten in Uerdingen denkt Dieter Hofmann keine Sekunde nach, als ich ihn nach etwaigen Zielen frage, die er mit 84 noch haben könnte. „Ziele? Nein, keine mehr“, lacht er. Doch dann fällt ihm doch noch etwas ein: „Das Sportabzeichen mache ich diesen Sommer noch einmal. Zum 51. Mal!“ Laufen kann er leider nicht mehr, wegen der Knie, aber er fährt noch immer leidenschaftlich gern Rad. 2011 lernte er Barbara kennen, seine zweite Frau, ebenfalls eine begeisterte Läuferin. Als sie kurz in den Garten hinauskommt, spürt man sofort die tiefe Übereinkunft zwischen den beiden. Es scheint kein Zufall, dass Hofmann so spät im Leben noch einmal das Glück einer neuen Liebe erfährt. Vielmehr hat er Zeit seines Lebens die Grundlagen dafür geschaffen, dass das Schicksal ihm so wohlgesonnen begegnet. Er wird seinen Ruhestand aus vollen Zügen genießen – aber ganz sicher nicht auf der Couch verbringen.


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Fotos: Niklas Breuker
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