Kunst, Musik und Sport – schon in der Schule wird hier oft gestrichen, wenn das Geld knapper wird. Doch wie lebenswert wäre eine Stadt ohne vielfältige kreative und sportliche Angebote? In Krefeld haben sich zwei Organisationen rechtlich verbunden, die eigentlich ziemlich beste Feinde sein müssten, weil sie um den gleichen Haushaltstopf kämpfen. Der Kulturrat und der Stadtsportbund vertreten rund 70.000 Mitglieder und machen sich gemeinsam stark für eine florierende Kultur- und Sportszene. Welche Impulse sie für die Zukunft setzen wollen, erfuhren wir von Jochen Adrian, Heinrich Rungelrath, Jens Sattler und Bernd Scheelen.
„Es hat gefunkt, gleich bei der ersten Begegnung“, erinnern sich Heinrich Rungelrath und Jens Sattler gut gelaunt daran, wie sie sich 2017 zufällig auf der Treppe im Nachbarschaftsbüro CHEMPARK trafen, quasi im Vorbeigehen. Dass der amtierende Vorsitzende des Kulturrates und der Geschäftsführer des Stadtsportbundes (SSB) auf gleicher Wellenlänge funken, ist ihnen auch Jahre später noch anzumerken. Wie bei einem Tischtennismatch fliegen ihre Ideen nur so über den Konferenztisch – hier haben sich offensichtlich Gleichgesinnte gefunden, die für eine Sache brennen und sich gegenseitig schätzen. Schon beim Fototermin an der Hubertusstraße wird klar, dass die Chemie aber zwischen allen Beteiligten stimmt: Ohne Lamentieren tragen Jochen Adrian, SSB-Vorsitzender, und Bernd Scheelen, Kulturrat-Schatzmeister, die zwei Werbebanner in den Garten, holen spontan noch Finanzchefin Cordula Meisgen dazu und stellen sich Schulter an Schulter auf. Das dazugehörige Bild ist symbolträchtig, denn das Konzept, die freiwilligen Bereiche Sport und Kultur gemeinsam zu denken, sei zunächst kritisch betrachtet worden, sagt Heinrich Rungelrath und legt los.
Auf die Frage „Kultur und Sport – wie geht das zusammen?“ fallen ihm zahlreiche Schnittstellen ein: „Es gibt viele Menschen, die in einem Verein Sport treiben, die sportliche Events im Fernsehen anschauen oder ins Stadion gehen – Sport ist doch ein Teil unserer Kultur, er gehört zu unserer Unterhaltungsgesellschaft“, sprudelt es aus dem Theaterfreund heraus. „Wie viele singen in einem Chor oder spielen in Theatergruppen, um sich zu erholen und Zerstreuung zu finden? Fast immer lässt sich der Begriff ,Sport‘ durch ,Kultur‘ ersetzen und umgekehrt – die Ziele sind ja gleich!“ So geht der sportliche Jens Sattler auch gern ins Theater, gerade erst in das Stück „Pudelpunk Song Contest“, und der etwas ruhigere Kulturmensch und Politiker Bernd Scheelen engagiert sich für den Stadtpark Fischeln und verkündet zufrieden, dass der Bewegungsparcours mit Fitnessgeräten im April eröffnet werden konnte. Der ehemalige Schulleiter Jochen Adrian berichtet, dass an der Gesamtschule Kaiserplatz immer viel Wert darauf gelegt wurde, beide Bereiche zu stärken: „Es ist uns damit gelungen, Jungs und Mädchen zu begeistern und neue Seiten an sich zu entdecken. Mit Sport, Musik oder Kunst fördern wir junge Menschen und lassen sie selbstbewusster ins Leben gehen. Fairness lernen sie fast nebenbei, und Integration und Inklusion sind in Sport und Kultur keine leeren Floskeln.“ An dieser Stelle sind sich alle vier Gesprächsteilnehmer einig: „Die Wertschätzung kann gar nicht groß genug sein.“
Mittlerweile stoßen die vielseitigen Aktionen der starken Lobby – Crossover Burg Linn, Krefelder Kulturlauf oder der bunte Abend mit dem leicht ironischen Titel „Frei.Körper.Kultur“ in der KuFa – auf fruchtbaren Boden: In Politik, Verwaltung, Industrie und Wirtschaft sowie bei Sponsoren sei man „unfassbar“ aufgeschlossen für diese Form „des Neudenkens und Miteinanders“, sagt Jens Sattler sichtlich erfreut. Die rechtlich verbriefte Freundschaft von zwei Bereichen, die in vielen Kommunen gegeneinander um Fördermittel ringen, sei bislang nicht nur einzigartig in Deutschland, sondern auch ein wichtiges Signal für die Zukunft, so der Geschäftsführer. Seit 2024 ist der Stadtsportbund das 32. Mitglied im Kulturrat, und dieser ist wiederum als 201. Verein dem SSB angeschlossen. Beide Dachorganisationen stehen für mitgliederstarke Vereine und Initiativen und bringen es zusammen auf mehr als 70.000 Menschen. „Diese Verbindung bleibt langfristig bestehen, auch wenn die handelnden Personen irgendwann wechseln.“ Für das kommende Jahr ist mit einem Aktionstag für alle Krefelder Sport- und Kulturbegeisterten ein „großer Wurf“ in Planung, wie Sattler ankündigt, auch wenn er den Standort noch nicht verraten kann. Beim Stichwort „Elfrather See“ gerät das Quartett gleich wieder ins Schwärmen.
An der gedachten Tischtennisplatte wirft man sich gegenseitig die Bälle zu; es herrscht große Einigkeit darüber, dass der beliebte Elfrather See mit seiner Regattastrecke und dem geplanten Surfpark zu einem attraktiven überregionalen Sport- und Erholungsgebiet ertüchtigt werden soll. „Wir denken darüber nach, was man da auch kulturell machen kann“, sagt Heinrich Rungelrath mit leuchtenden Augen. „Eine Wasserbühne für kleinere Aufführungen können wir uns gut vorstellen, auch einen Skulpturenpark oder eine Sprayerwand. Oder vielleicht ein Bauhaus-Museum?“ Noch sei nichts spruchreif, wirft Jens Sattler ein, der eine Tiny-House-Siedlung im Bauhaus-Stil direkt am See vor Augen hat. „Der Surfpark ist auch wichtig für die Wirtschaft und die Attraktivität der Stadt“, betont der langjährige Netzwerker, der erst vor Kurzem das KRESCHtheater mit der Hochschule Niederrhein zusammengebracht hat. Heinrich Rungelrath sieht das genauso: „Der Surfpark kann ein richtiger Magnet sein. Kultur gehört an den Elfrather See genauso wie der Sport. Und neben Kultur und Sport müssen wir unbedingt auch die Wirtschaft mitdenken.“ Der Blick über den Tellerrand scheint jedenfalls Teil der DNA beider Verbände zu sein, vor wenigen Monaten hatten sie in einer gemeinsamen Erklärung die Stimme für die Industrie und den Mittelstand erhoben: „Die Verantwortlichen und Entscheidungsträger in Krefeld sind aufgefordert, sämtliche Maßnahmen zu ergreifen, um den bereits über viele Jahre ansässigen Unternehmen attraktive Standortbedingungen zu bieten und für neue Unternehmen Anreize zu schaffen, sich in Krefeld niederzulassen.“ Schließlich seien diese wichtige Partner für Kulturschaffende und Sportvereine, wenn es um die Finanzierung geht. „Die kontinuierlichen Erfolge der Kultur- und Sportstadt Krefeld sind zu einem maßgeblichen Anteil auch der Industrie und Wirtschaft zu verdanken“, hebt Jochen Adrian hervor.
Das Schlusswort bekommt Jens Sattler, der trotz aller Diskussionen um Geld und Finanzen zusammenfasst, worauf es den Lobbyarbeitern für Sport und Kultur am meisten ankommt: „ Es geht um die Menschen. Wir wollen, dass unsere Stadt für sie attraktiv und lebenswert ist.“ Wer jemals den Film „Tatsächlich Liebe“ an Weihnachten geguckt hat, weiß: Die Personen könnten unterschiedlicher nicht sein, alle Handlungsstränge drehen sich um eine Form von Liebe – und fast alle Episoden laufen auf ein Happy End zu. Auch wenn in Krefeld vielleicht noch ein paar dicke Bretter zu bohren sind – diese regionale Version klingt vielversprechend!
Fotos: Felix Burandt