Manche Menschen bezeichnen es als Glück, wenn sie im Lotto gewinnen. Andere wiederum freuen sich, wenn sie den gewünschten Job bekommen oder ein Kind gebären. Für Menschen mit einer schweren Erkrankung ist die Genesung das größte Glück. So erging es auch Patrik Wenke, als ihn 2015 ein Schlaganfall aus dem Leben riss. Mit kleinen Schritten kämpfte sich der Zonser zurück ins Leben – und über den Himalaya!
Wenn sich der 54-Jährige heute an diese schwierige Zeit zurückerinnert, ist sie für ihn das größte Glück, das ihm im Leben bisher beschert wurde: „Das klingt total paradox, aber oftmals liegt das größte Glück gerade im Unglück versteckt. Dort suchen aber nur die Wenigsten“, erklärt Wenke. In der Wissenschaft spricht man vom „Serendipitäts-Effekt“, denn „das Leben wird vorwärts gelebt, aber rückwärts verstanden“, wie es der dänische Philosoph und Theologe Kierkegaard formulierte.
Demzufolge sah das Leben für den sportlichen Rheinländer 2015 auch noch ganz anders aus: „Ich war halbseitig gelähmt nach dem Schlaganfall und hatte große Angst, dass ich nie wieder so werde wie zuvor“, erinnert er sich. Sein Physiotherapeut sprach ihm immer wieder Mut zu: „Ich verspreche dir, dass du besser wirst als vorher“, waren seine Worte, die Patrik Wenke noch heute zitieren kann. Und der Therapeut sollte Recht behalten.
Nach seinem Schicksalsschlag beschloss der Vertriebsleiter, sein Leben von Grund auf zu ändern. „Für Bullshit hatte ich keine Zeit mehr“, so der Zonser. Stattdessen nahm er sich bewusst Zeit für die Dinge, die ihm wichtig waren. Der erste Schritt in Richtung Glück war getan. Doch erst in der Corona-Pandemie kam der entscheidende Wendepunkt, der ihn auf seinen heutigen Weg brachte. „Ich hatte viel Zeit, um mich näher mit dem Thema Glück auseinanderzusetzen und stieß dabei auf Alfred Bellebaum, der als Pionier der Glücksforschung gilt. Spontan habe ich ihn einfach angerufen.“ Schon in den ersten Minuten stellte sich dann heraus: Das passt! Fortan philosophierten beide nicht nur über ihr Lieblingsthema, Bellebaum vermachte Wenke auch seine gesamten Forschungsunterlagen mit den Worten „Mach‘ etwas daraus!“ Und das tat er.
Wenke hatte schon länger überlegt, ein Buch über seinen Schlaganfall und den Weg der Genesung zu schreiben. Mit dem Treffen war für ihn klar, dass es stattdessen ein Buch über das Glück werden sollte. 2022 erschien „Rendezvous mit deinem Glück“, mit dem der Kommunikationstrainer andere Menschen auf ihren Weg zum Glück führen und begleiten möchte, Schritt für Schritt. Bei seinen Recherchen traf der Gelegenheitsläufer auch auf Joey Kelly: „Er berichtete mir, dass sein Vater ihm schon früh beigebracht habe, immer mehr zu geben, als zu nehmen.“ Das beschloss der 54-Jährige auch bei seiner App „Glück2GO“, die er zusammen mit seinem Buch launchte, zu berücksichtigen. „Glück darf nichts kosten, deswegen ist die App auch umsonst“, so Wenke. Mithilfe der App kann jeder seine Glücksmomente speichern und wieder hervorholen, wenn er sie benötigt: „Wenn ich mir heute Augenblicke anschaue, in denen ich glücklich war, geht es mir automatisch besser. Das ist auch wissenschaftlich messbar, denn bei positiven Erinnerungen werden Dopamin, Serotonin und Oxitocin ausgeschüttet. Mit der App habe ich mein eigenes Glück immer abrufbar zur Hand. Glück to go, gewissermaßen.“
Dieses mitnehmbare Glück konnte Patrik Wenke in diesem Jahr sehr gut gebrauchen, als er sich auf dem Himalaya in 3.850 Metern Höhe bei 40 Grad Hitze an den Grenzen seiner körperlichen Verfassung befand: Er hatte sich nämlich für einen Ultra-Maraton durch Bhutan angemeldet. „Ich wollte diesen Lauf unbedingt mitmachen, da man am Ende die Siegerurkunde vom Glücksminister überreicht bekommt“, so Wenke. Um sich auf die extremen Höhenlagen vorzubereiten, trainierte der selbsternannte Happyologe ausgerechnet am Niederrhein, einer der flachsten Gegenden Europas. „Die Quoten lagen 99,7 Prozent gegen mich“, erinnert sich Wenke lachend. Trotzdem nahm er die Strapazen gern auf sich, denn sein Ziel war nicht nur das Treffen mit dem Glücksminister von Bhutan, sondern auch eine beträchtliche Spendensumme: „Insgesamt habe ich 10.000 Euro erlaufen, die ich unter anderem an Kinder- und Jugendhospize wie das stups Kinderzentrum in Krefeld spenden wollte. Aufgeben war deswegen keine Option.“
Natürlich gab es aber Momente, in denen der Happyologe mit sich kämpfte: „Die erste von sechs Etappen konnte ich noch etwas genießen, danach wurde es sehr anstrengend. Angenehm war da gar nichts mehr!“ Wie hält man so eine enorme Herausforderung aber durch? „Ich habe einen Monat vor dem Lauf eine Reportage über eine einbeinige Bergsteigerin gesehen. In Augenblicken, in denen ich fast nicht mehr konnte, habe ich an mir heruntergeschaut, meine beiden gesunden Beine gesehen und bin weitergelaufen. Schritt für Schritt. Für mich und für die ganzen Einrichtungen, die ich unterstützen wollte.“ Nach 58 Stunden, 28 Minuten und 16 Sekunden erreicht Wenke schließlich das Ziel: das Tigernest, ein Kloster auf einem Felsvorsprung mitten im Himalaya. „Kurz bevor man durchs Ziel läuft, muss man zahlreiche Stufen überwinden. Auf der letzten habe ich mich kurz hingesetzt und die vergangenen Tage Revue passieren lassen. Ich erinnerte mich an den Schlaganfall und an den Weg, der mich nach Bhutan geführt hatte. An meine eigene Reise zum Glück.“
Patrik Wenke hat den Ultra-Marathon geschafft. Mit Blessuren, einem Sturz und zahlreichen Begegnungen, die ihn sehr bewegt haben. Begegnungen, an die er jetzt, zurück in Deutschland, noch immer gern zurückdenkt. Wie heute bei der Scheck-Übergabe an das stups Kinderzentrum: „Die Menschen in Bhutan sind glücklich und etwas von diesem Glück möchte ich unbedingt weitergeben, denn die Menschen hier können es definitiv gebrauchen.“ Für Diana Kamps, Vorsitzende der DRK-Trägerschaft, ist jede Spende eine wertvolle Unterstützung ihrer täglichen Arbeit. Die Geschichte von dem Mann, der als Happyologe an einem Ultra-Marathon teilnahm, hat sie selbst enorm fasziniert: „Menschen, die um die halbe Welt laufen, um uns dann Geld zu spenden, haben wir selten. Was für eine tolle Idee!“
Für den Rheinländer ist klar, dass er weitermachen wird. Schritt für Schritt in Richtung Glück.
Patrik Wenke
Happyologe
happyologe.com
Fotos: Luis Nelsen und Patrik Wenke