Dr. Stefanie Markowski

Direktorin im eigenen Lieblingszoo

Dr. Stefanie Markowski war lange Jahre als Tierärztin im Krefelder Zoo tätig. Nun übernimmt sie das Amt des Zoodirektors von ihrem Vorgänger Dr. Wolfgang Dreßen.

Wer dieser Tage durch den Krefelder Zoo spaziert, entdeckt überall die Zeichen der Veränderung. Den Nachwuchs bei den Stachelschweinen. Das Schild am alten Pavianfelsen. Die Ankündigung des Känguru-Outbacks. Den neu entstandenen Spielplatz. Die mittlerweile nicht mehr ganz so neuen Gehege der Erdmännchen, Zebras und Pelikane, die immer mehr zu guten alten Bekannten auf dem gewohnten Rundweg werden. Und natürlich die Baustelle im hinteren Bereich des Zoos, wo die einst schmerzhaft klaffende Wunde langsam, aber sicher vernarbt und sich große Dinge ankündigen. Eine weitere Veränderung ist für den Besucher weniger sichtbar, aber dennoch von großer Tragweite: Nach zwei Jahrzehnten wird Zoodirektor Dr. Wolfgang Dreßen Ende des Jahres in den verdienten Ruhestand gehen. Doch seine Philosophie bleibt auch mit seiner Nachfolgerin gewahrt: An Dreßens Stelle rückt seine langjährige Wegbegleiterin, die Tierärztin und Kuratorin Dr. Stefanie Markowski. Mit Fachwissen, Tatendrang und Tierliebe wird sie alles daran setzen, dass der Krefelder Zoo mit dem Affenpark erneut Maßstäbe setzt – und die Besucher des Krefelder Zoos zwischen geliebten alten Bekannten auch in Zukunft immer wieder Neues entdecken.

Dr. Stefanie Markowski wollte schon als junges Mädchen Tierärztin werden.

„Ich möchte Zoodirektor werden/Dann baue ich in einem Jahr/Ein kleines Paradies auf Erden/Das herrlich ist und wunderbar!“ – Mit diesem Reim endet das Kinderbuch „Ich wär‘ so gerne Zoodirektor“ von James Krüss aus dem Jahr 1969. Dass Dr. Stefanie Markowski ihn auf Nachfrage auswendig und fehlerfrei zitieren kann, ist am Ende eines ausführlichen Gesprächs keine Überraschung, sondern vielmehr eine Bestätigung. Nachdem sie sich den Kindheitstraum erfüllte, Tierärztin zu werden, und als promovierte Tiermedizinerin unter anderem den Wandel des Gelsenkirchener Zoos zur ZOOM Erlebniswelt begleitete, bevor sie dann vor elf Jahren beim Krefelder Zoo anheuerte, vollzieht sie nun den nächsten, folgerichtigen Karriereschritt. Markowski wird ein bisschen rot, wenn sie auf die Frage nach ihrem persönlichen Lieblingszoo ihren eigenen Arbeitsplatz nennt, doch ihre leuchtenden Augen sprechen eine deutliche Sprache: Hier ist jemand mit ganzem Herzen bei der Sache – und genau am richtigen Ort.

Nur selten müssen Tiere im Zoo wirklich akut operiert werden.

Die nächsten Monate, in denen sie sich – noch an der Seite ihres Vorgängers – in die neuen Aufgaben einarbeiten wird, werden gewiss auch in anderer Hinsicht herausfordernd: Denn für Markowski heißt es Abschied nehmen von ihrem Traumberuf. „Ich werde definitiv keine Zeit mehr haben, mich weiter der Tiermedizin zu widmen, denn es warten andere Aufgaben auf mich. Aber ich werde den Tierärzten des Zoos natürlich immer gern mit Rat zur Seite stehen“, bekräftigt sie schmunzelnd. Dass sie als Kuratorin und Mitglied des Leitungsteams auch in der jüngeren Vergangenheit bereits an Entscheidungen beteiligt war, die über Gesundheit und Wohlbefinden der tierischen Bewohner hinausgingen, etwa bei der Planung und Umsetzung der Pinguin- und Nashornanlage sowie des neuen Antilopenstalls, wird ihr Abschied und Einstand gleichermaßen erleichtern. „Behandlungen oder Operationen der Tiere machen tatsächlich nur einen kleinen Teil der Arbeit eines Tiermediziners im Zoo aus“, erläutert sie. „Die wichtigsten Aufgaben sind die genaue Beobachtung der Tiere, die Prophylaxe und das Tiermanagement: Futter- und Gehegeplanung und natürlich die Zucht.“ Dabei helfen die exzellent ausgebildeten Tierpfleger, die ihre Schutzbefohlenen gut kennen und sehr genau beobachten. Sie bemerken sofort, wenn dem Tiger etwas zwischen den Zähnen steckt, das Zebra einen Fuß nicht richtig belastet oder das Guereza-Männchen zu viele Blätter gefressen hat. Regelmäßig werden außerdem Stuhlproben genommen und im zooeigenen Labor analysiert – mit fachkundiger ehrenamtlicher Unterstützung. Manchmal sind es aber auch aufmerksame Stammgäste, die das Zoopersonal aufsuchen, wenn ihnen etwas auffällt. Tage wie jener, an denen dem Guanako etwas im Hals stecken blieb, das Känguru sich gleichzeitig ein Bein brach, ein Elefant unter Bauchschmerzen litt und auch ein Tapir schnelle Hilfe brauchte, sind absolute Ausnahmen. „Dann kommt es darauf an, einen guten Plan zu entwickeln und schnell zu handeln, denn ich kann mich ja nicht vierteilen“, so Markowski. In ganz besonderen Fällen greift die Tierärztin auf ein breites Expertennetzwerk zurück, zu dem auch Humanmediziner etwa des Helios Klinikums gehören: „Als unser Gorilla eine Steißfistel hatte, zogen wir mehrere Chirurgen hinzu, um die Operation in Zusammenarbeit mit mir durchzuführen“, berichtet die 48-Jährige von einem spannenden Einsatz. Erfindungsreichtum und Improvisationstalent sind in der Wildtiermedizin unabdingbar, schon allein deshalb, weil es beträchtliche Gefahren birgt, sich einem Menschenaffen, Nashorn oder Jaguar zu nähern – und man nicht jedes Tier ohne Weiteres in den OP transportieren kann.

Der im Bau befindliche Affenpark wird neue Maßstäbe setzen.

Die in den nächsten Jahren größte und wichtigste Herausforderung für die Zukunft des Krefelder Zoos, der sich Markowski gegenübersieht, ist aber ohne Frage der Affenpark, dessen sogenannter „Bauabschnitt 0“ bereits Ende September fertiggestellt wurde. „Ich bin sehr glücklich darüber, dass Krefeld weiterhin Stützpunkt der Menschenaffen-Haltung bleiben wird“, erklärt die neue Direktorin. „Wir Menschen schränken den natürlichen Lebensraum dieser Tiere immer weiter ein. Wissenschaftlich geführte Zoos spielen eine wichtige Rolle bei der Arterhaltung.“ Das Fernziel sei es immer, Tiere auszuwildern, den natürlichen Lebensraum zu erhalten und den Genpool zu vergrößern, bis dahin stellen Zoos eine wichtige Möglichkeit dar, den Bestand der Tiere zu sichern – und Menschen zum Naturschutz zu motivieren. Mit sichtbarem Enthusiasmus führt Markowski die Baupläne vor, spricht über die Besonderheiten der zukünftigen Gorilla- und Schimpansenhaltung: „Wir werden eine eigene Bachelorgruppe bei den Gorillas haben, was bedeutet, dass auch das Jungmännchen mit einer eigenen Gruppe bei uns verbleiben kann.“ Das Gehege der Schimpansen wird hingegen der besonderen Gruppendynamik der Menschenaffen Rechnung tragen: „Schimpansen organisieren sich nach dem Fission-Fusion-Prinzip: Sie spalten sich manchmal in kleinere Gruppen auf und finden dann später wieder zusammen. Sie kommunizieren während dieser Trennung über größere Distanzen. Es wird auch für unsere Besucher sehr spannend, das zu beobachten“, strahlt Markowski voller Vorfreude. Über die Kritik von Tierschützern ist sie sich aber auch bewusst – und sie sieht die Notwendigkeit, die Tierhaltung stetig weiterzuentwickeln: „Weder ich noch Dr. Dreßen haben uns dazu entschlossen, unsere Berufe auszuüben, um Tieren Leid zuzufügen. Beweggrund war für uns beide die Liebe zu Tieren und der Respekt vor der Natur. Oft liegen der Bewertung unserer Arbeit und der Tierhaltung durch Außenstehende falsche Vorstellungen über die Bedürfnisse der Tiere zugrunde: So werden etwa Gitter von Affen keineswegs immer als Einschränkung empfunden, vielmehr bieten sie ihnen eine weitere Klettermöglichkeit.“

Das Bauernhaus am Eingang des Zoos war früher der Wohnsitz des Zoodirektors und seiner Familie.

Es ist ein sonniger Spätsommer-Vormittag. Auf der Runde durch den Zoo grüßt Markowski die Tierpfleger, die Auskunft über das Befinden ihrer Tiere geben, oder die Shona-Künstler, die fröhlich ihre Skulpturen aufbauen. Manchmal quäkt ihr Funkgerät, das sie in der Hosentasche trägt. Aber in ihrer Freude unterscheidet sie sich kaum von einem treuen Stammbesucher. Sie steigt begeistert ein, wenn man sie auf bestimmte Tiere anspricht, erklärt Verhaltensweisen, freut sich über die Leidenschaft, die man mit ihr teilt, und erzählt bereitwillig von ihren Zukunftsplänen: eine neue Anlage für die Seelöwen ist einer ihrer dringlichsten Wünsche und auch den Schneeleoparden möchte sie ein neues Gehege schenken. Auf die Frage, was sie am Krefelder Zoo so schätze, überlegt sie zwar nicht lang, trotzdem spürt man, dass sie ihre Gefühle nicht so adäquat in Worte fassen kann, wie sie das möchte: „Es sind die Menschen, die hier arbeiten, die flachen Hierarchien. Wie hier alle an einem Strang ziehen und in ihrer Arbeit aufgehen. Der Zoo ist wie eine große Familie.“ Wieder am Bauernhaus angekommen, berichtet sie, dass hier einst der Zoodirektor mit seiner Familie lebte. „Das ist heute leider nicht mehr so“, lacht Markowski. Es wäre der richtige Platz für sie. Mitten im Krefelder Zoo, ihrem kleinen Paradies auf Erden.

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