Leading Ladies in Town

Veränderung braucht Zeit

Dr. Kerstin Grönke ist seit fast 20 Jahren bei ANDRITZ Küsters tätig.

Gesellschaftlicher Wandel ist ein andauernder, langsamer Prozess, zu dem unter anderem die Sprache, Medienbilder, Technologie und Wertvorstellungen beitragen, vergleichbar mit Teilen komplexer Maschinen. Mit solchen hat Dr. Kerstin Grönke es tagtäglich zu tun. Als Mitarbeiterin im Technical Product Management bei der ANDRITZ Küsters GmbH ist sie mit den komplexen Prozessen und imposanten Maschinenanlagen vertraut, die zur Herstellung von Papier und Vliesstoffen – etwa für FFP2-Masken oder Windeln – benötigt werden. Aus ihrer beruflichen und menschlichen Erfahrung weiß sie daher, dass sich systematische Veränderungen nicht kurzfristig umsetzen lassen.

Um eine Vorstellung von den Dimensionen der Apparaturen zu bekommen, mit denen Dr. Kerstin Grönke zu tun hat, führt sie uns ins Technikum auf dem Betriebsgelände. Die beeindruckende Walzenmaschine – in der Fachsprache Kalander genannt – bezeichnet sie als „klein“; die Rolle der darauf verarbeiteten Fallschirmseide ist etwa zwei Meter breit. „Textilkalander sind mit drei bis vier Metern relativ schmal. Vliesstoffkalander mit bis zu sieben Metern und Papierkalander mit bis zu zehn Metern sind nochmal deutlich breiter. Da wiegt dann schon eine einzelne Walze mehrere Tonnen“, macht Grönke deutlich. Die diplomierte Verfahrenstechnikerin spricht mit spürbarer Begeisterung von den Metallkolossen, die die Krefelder Produktionsstätte in die ganze Welt liefert. Je nach eingesetzten Materialien und Endprodukt müssen die Kalander vielfach speziell für den jeweiligen Kunden angepasst werden – für Prototypen und Testschleifen ist dabei oft weder Zeit noch Geld übrig. Doch hat jede Maschine das Potenzial zur Weiterentwicklung und liefert gleichzeitig Erkenntnisse für zukünftige Projekte. In ihrer Position im Technical Product Management trägt Grönke deshalb die Erfahrungen der Zulieferer, der Produktion und der Anwender zusammen. „Ich begleite unsere Produkte in ihrem gesamten Lebenszyklus,“ schildert sie ihre Tätigkeit, „mit dem langfristigen Ziel, die Maschinen zu optimieren und ihre Produktion soweit möglich zu standardisieren, immer unter Berücksichtigung der Kundenanforderungen.“ In Anbetracht der oft jahrzehntelangen Einsatzzeiten ‚ihrer‘ Kalander eine Aufgabe, für die es Weitblick und langen Atem braucht.

Beides sind Eigenschaften, die Dr. Kerstin Grönke auf ihrem bisherigen Lebensweg längst bewiesen hat. Das Studium führte die gebürtige Aachenerin, die in Gifhorn aufwuchs, an die Brandenburgische Technische Universität Cottbus. Nach dem Vordiplom im Umweltingenieurwesen wählte sie den Weg in die Verfahrenstechnik, ein Fachbereich, der die Naturwissenschaften, Informatik und Ingenieurwesen miteinander verbindet. Über ihre Diplomarbeit, für die sie in einem Unternehmen in Montabaur forschte, kam sie zu einer ersten Anstellung im Maschinen- und Anlagenbau für die Kunststoffindustrie nach Krefeld. Bei ANDRITZ Küsters ist sie nun bereits seit bald zwanzig Jahren tätig; das Unternehmen förderte sie nach einigen Jahren im Betrieb auch ausdrücklich darin, ihre Promotion zu erlangen. Eine Doktorarbeit ist an sich schon eine Herausforderung, neben dem Beruf nicht weniger, weiß Grönke: „Die Forschung mit meinen Aufgaben im Unternehmen zu vereinbaren, war zwar unkompliziert, aber anders als im Universitätsbetrieb blieb ich bei der wissenschaftlichen Arbeit mehr auf mich selbst gestellt.“ Als wäre das nicht genug, kam auch noch die Familienplanung dazu: Kurz vor dem Mutterschutz mit ihrem ersten Kind schloss sie ihre letzten Versuche ab, danach musste sie eine Pause einlegen. „Mein Mann war zuerst dran mit dem Doktortitel“, blickt sie lächelnd zurück, „und dann kam das zweite Kind. Weil dieses Baby aber so einen geregelten Tagesrhythmus hatte, konnte ich meine Dissertation schreiben, während das Kind Mittagsschlaf hielt.“ Vor diesem Hintergrund trägt Dr. Kerstin Grönke ihren Doktortitel nicht nur als Auszeichnung ihrer fachlichen Qualifikation, sondern auch ihrer Beharrlichkeit.

Neben ihrem Tagesgeschäft bemüht sich die inzwischen dreifache Mutter darum, die Digitalisierung im Unternehmen voranzutreiben. „Natürlich können wir jahrzehntelang gewachsene Prozesse nicht mit der Brechstange umkrempeln“, räumt Grönke ein, „denn letztendlich geht es darum, den Kollegen die Arbeit zu erleichtern. Dafür müssen wir nicht nur die Abläufe betrachten, sondern auch den Menschen zuhören.“ Diplomatie ist hier ebenso gefragt wie Ausdauer, betont sie: „Veränderung braucht Zeit!“ Mit ähnlicher Geduld betrachtet sie den Wandel der Arbeitswelt hinsichtlich der Chancengleichheit für Frauen – ihre eigenen Erfahrungen schließt die 47-jährige durchaus ein. Das erste Unternehmen, für das sie vor zwanzig Jahren in Krefeld arbeitete, verließ sie, nachdem ihr ein Vorgesetzter unmissverständlich klar machte, dass er von Frauen in technischen Berufen nichts hielt. „Mit Mitte zwanzig hatte ich dem noch nichts entgegenzusetzen“, erinnert sie sich, „heute würde ich damit ganz anders umgehen.“ Inzwischen tragen größere Flexibilität durch Home-Office und modernere Rollenbilder vor allem bei arbeitenden Vätern ihrer Meinung nach dazu bei, die Position von Frauen im Beruf zu stärken; Organisationen wie die Leading Ladies in Town stellten jedoch eine zusätzliche und unverzichtbare Unterstützung dar. „Es braucht diese Initiativen, es braucht Ansprechpartnerinnen und weibliche Führungskräfte, als Rückendeckung und Vorbilder“, hält Grönke fest. Der kulturelle Wandel zur Geschlechtergerechtigkeit, ist sie überzeugt, wird sich mit mehr Frauen an den Stellschrauben der Gesellschaft langsam, aber sicher umsetzen lassen.

Über LLiT Leading Ladies in Town

  • Ziel des Netzwerks „Leading Ladies in Town“ ist es, lokale Unternehmen mit topqualifizierten Frauen in und aus Krefeld zu vernetzen sowie Future Leading Ladies zu gewinnen und zu unterstützen
  • Nächste Gelegenheit, das Netzwerk persönlich kennenzulernen: Der LLiT-Kinoabend beim SWK OPEN-AIR-KINO auf der Krefelder Rennbahn am 8. August. Wir treffen uns ab 20 Uhr im Biergarten auf der Rennbahn zum Netzwerken und Austauschen, der Film, „Einfach mal was Schönes“ von Karoline Herfurth, beginnt um 21.30 Uhr. Einfach unter swk-openairkino.de Ticket für den 8. August, 21.30 Uhr kaufen und dabei sein
  • Auf dem Laufenden bleiben: linkedin.com/company/llit-krefeld
  • Kontakt aufnehmen, kein Event verpassen, mitmachen: llit-krefeld.de/kontakt
Artikel teilen: