Schon in der Schule lernen wir, dass wir uns für einen Beruf entscheiden sollen. Spezialisten sind in unserer komplexen Welt sehr gefragt. Doch es gibt Menschen, die so vielseitig interessiert und begabt sind, dass ein Leben für sie eigentlich nicht ausreicht. Karriereberater sprechen von Scannerpersönlichkeiten, die sich neugierig durch die Vielfalt möglicher Themen, Berufe und Hobbys bewegen. Auch Richard Dean scheint so ein Tausendsassa zu sein: Als gelernter Koch bildet er junge Erwachsene für die Gastronomie aus, er kennt die Werbebranche und die Welt wie seine Westentasche, er fotografiert Lebensmittel so gern wie Oldtimer und man kann ihn als Berater für Classic Cars buchen. Bei einer Tasse Tee erzählte uns der Bücherwurm unzählige Anekdoten. Versuch einer Kurzfassung.
Classic Car Consultant, Sozialarbeiter, Fotograf. Die E-Mail aus der Redaktion beschränkt sich auf drei Schlagworte sowie einen Namen mit Telefonnummer dazu. Was schon auf den ersten Blick eine bunte Story verspricht, entwickelt sich im Interview mit Richard Dean zu einem facettenreichen Kaleidoskop. Denn nach fast jedem Satz des 57-jährigen Wahlkrefelders purzelt ein anderes Gesprächssteinchen durch die gemütliche Wohnung. Ob zwei Seiten im Heft ausreichen werden? Aber von vorn: Es ist ein kühler windiger Herbstnachmittag in Bockum – und unsere Antwort auf ein herzliches „Tea?“ fällt positiv aus. Wie es sich für einen waschechten Briten gehört, serviert der Mann aus Yorkshire schwarzen Tee mit Milch und verrät verschmitzt: „Das sind Teebeutel von Tetley, die anderen sind nicht stark genug.“
Er sei gerade erst von seinem Brot-und-Butter-Job zurück, erzählt er mit leichtem Akzent, dafür sehr schnell. Seit gut neun Jahren kümmert sich Dean als Ausbilder für Hotel und Gastronomie um junge Menschen. Sie stammen oft aus schwierigen Verhältnissen mit Drogen oder Alkohol, häufig seien die Noten schlecht oder die Eltern nicht zugewandt genug. „Meine Kids bekommen das volle Rundum-Paket“, beschreibt er liebevoll sein Aufgabengebiet. „Es fängt an bei Kochen und Ernährung, aber auch Disziplin, Pünktlichkeit und das Erscheinungsbild sind mir wichtig.“ So seien Piercings, lange Fingernägel oder zerrissene Jeans bei ihm tabu. „Am Anfang hassen sie mich dafür“, gibt er offen zu. „Doch nach ein paar intensiven Wochen bin ich für sie der Tagesdaddy.“ Er sucht nach Worten, um seine Emotionen zu sortieren: „We take all the negative away – die Vergangenheit spielt keine Rolle.“ Wer sich respektvoll und anständig benehme, käme gut mit ihm klar, wenn nicht: „Kasalla!“ Sein Wortschatz wird uns noch oft beeindrucken, wir hören wunderbare deutsche Begriffe wie „Kaffeeschnute“ oder „Schmitz‘ Katze“.
Seine strenge Kochausbildung bei der britischen Armee habe ihn sicher sehr geprägt, danach sei er in Hotels und bei einer Gastronomiekette tätig gewesen. „Immer nur Sachen aus Tüten zuzubereiten, war mir zu wenig – schließlich habe ich beim Militär französische Küche gelernt!“ Mit dem eigenen Restaurant klappte es nicht wie geplant, durch einen Zufall landet der Koch in der Werbebranche. Seine Sprachkenntnisse und ein ganz eigener Blick über den Tellerrand sorgen dafür, dass er in der freien Wirtschaft „die ganze Welt bereisen“ kann. Hamburg, Rotterdam, Krefeld, Finnland, Israel sind da nur ein paar Beispiele. In seiner Freizeit surft der Familienvater gern im Internet, stößt auf die Fotocommunity Flickr und denkt: „Das will ich auch mal machen.“ Besonders die Bilder in HDR findet er „ziemlich genial“, Fotograf Luis fachsimpelt gleich mit: „High Dynamic Range bedeutet, eine Reihe von Bildern unterschiedlicher Belichtung, von hell bis dunkel, in schneller Reihenfolge aufzunehmen.“ Also wird bei eBay eine gebrauchte Kamera gekauft, Software erworben – und Richard arbeitet sich ohne Fotokurs mal eben ins Thema ein, liest Fachbücher und fotografiert ab sofort „frei Schnauze“ für Freunde, Instagram und Flickr: Tiere, Pflanzen, Lebensmittel, verlassene Orte oder klassische Autos.
Womit wir beim Thema Classic Cars angekommen sind. Für die Geschichten über Jaguar (woher die Kühlerfigur wirklich ihren Namen hat), Rolls Royce (günstige Preise vor zehn Jahren), MG oder Triumph (Import des eigenen TR4 aus Manchester) ist hier leider kein Raum. Wer gezielt einen bestimmten Oldtimer sucht, kann Richard Dean als Berater beauftragen, denn es sei doch ganz einfach: „Ich liebe Autos, habe ein gutes Netzwerk und lese mich tief in die Thematik ein.“ Für einen festgelegten Tagessatz mache sich der Consultant auf die Suche nach dem richtigen Fahrzeug – inklusive Fotos und ausführlichem Bericht, aber ohne „rosa Brille.“ Wie als Beweis ist das Bücherregal im Wohnzimmer mit Fachliteratur, Romanen und Krimis so prall gefüllt wie das Leben. Und wir sind schon gespannt auf die nächste Facette im Kaleidoskop!
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Fotos: Luis Nelsen
[…] erweckt und nebenbei 40 Jahre Baseball in Krefeld gefeiert wurden. Wir statteten dem Allrounder Richard Dean einen Besuch ab und stellten fest, dass zwei Seiten manchmal einfach nicht ausreichen. Wir […]