Schlossfestspiele Neersen

Alle Farben dieser Welt

Intendant Jan Bodinus hat für die Schlossfestspiele Neersen ein spannendes und abwechslungsreiches Programm zusammengestellt.

Es sind nur noch wenige Tage bis zum Sommeranfang, und wer freut sich nicht schon auf die lauen Abende und vielleicht auch etwas Ablenkung vom Alltag? Verreisen müssen wir dafür nicht, denn bis zum 7. August finden am Niederrhein wieder die Schlossfestspiele Neersen statt. Intendant Jan Bodinus hat für die neue Spielzeit ein ausgewogenes Programm zusammengestellt, das die Zuschauer für ein paar Stunden in eine andere Welt entführt und sie nicht mit ihren Sorgen allein lässt. Wir besuchten ihn und Stargast Andreas Elsholz bei den Proben und sprachen über tanzende Feuerwehrmänner, das Spielen unter freiem Himmel und die Wichtigkeit des menschlichen Miteinanders in Zeiten wie diesen.

Morgens, halb elf in Neersen. Die Sonne lacht, die Vögel im Park zwitschern, was das Zeug hält, und aus dem Schlossgraben der ehemaligen Wasserburg sind gefühlt ein Dutzend quakende Frösche zu hören. Trotz der frühsommerlichen Temperaturen ist Jan Bodinus dunkel in „Mitternachtsblau“ gekleidet, wie wir später noch klären. Hut und Sonnenbrille runden das fast klassische Outfit ab, wären da nicht die gelben Socken und orangefarbene Schuhe. Der gebürtige Schweizer, der sein Abitur in Krefeld ablegte und heute noch Fan des Fußballclubs KFC Uerdingen 05 ist, hat das Motto „Alle Farben dieser Welt“ für die Festspiele gut gewählt: „Es passt wunderbar zu unserer diesjährigen Stückauswahl – bunte, lebendige und sprühende Charaktere, fremde und bekannte Innen- und Außenwelten, Einblicke in leichte Seelen und tiefe Abgründe.“

Der ehemalige GZSZ-Star Andreas Elsholz steht in der Komödie „Brandheiß – gelöscht wird später“ als tanzender Feuerwehrmann auf der Bühne.

Im dritten Jahr der Pandemie ist dem langjährigen Intendanten die Vorfreude auf die Schlossfestspiele deutlich anzumerken, er lächelt viel und seine Augen strahlen. Endlich könne in diesem Jahr wieder mit voller Kapazität gespielt werden, wobei das gesamte Ensemble vorsichtig mit Corona umgehe und sich auch regelmäßig testen lasse. Das Programm für die Freilichtbühne verspricht schon auf den ersten Blick interessante Inhalte sowie leichte bis anspruchsvolle Unterhaltung. So ist das beliebte Kinderstück „Alice im Wunderland“ mit insgesamt 20 Aufführungen dabei, und es gibt drei Abendstücke für Erwachsene: die Komödie „Brandheiß – gelöscht wird später“ mit dem prominenten Schauspieler Andreas Elsholz in der Hauptrolle, „Loriots dramatische Werke“ mit den besten Sketchen von Vicco von Bülow und das Werk „Gott“ von Ferdinand von Schirach, das schon in der ARD zu sehen war. „Doch auch nach diesem interaktiven Stück wird niemand mit einem dicken Kopf nach Hause gehen“, betont der Wahlberliner Bodinus.

Wir machen einen kleinen Spaziergang durchs Dorf, um uns die Proben für „Brandheiß“ im Biedemannsaal anzusehen. Hier ist das Bühnenbild detailgetreu nachgebaut, inklusive zweier Pole-Dance-Stangen, an denen ein gut gelauntes Quintett gerade trainiert. In der unbeschwerten Komödie geht es um sympathische Feuerwehrleute, die mit allen Mitteln versuchen, ihre kleine Feuerwehrstation zu retten – und sei es mit Pole Dance! Hauptdarsteller Andreas Elsholz ließ sich von Regisseur Bodinus, mit dem er in Hannover und Braunschweig schon zusammengearbeitet hat, schnell von den Herausforderungen in Neersen überzeugen: „Bisher habe ich fast nur im geschützten Raum Theater gespielt, jetzt wird man mich unter freiem Himmel auf der Bühne sehen, wie man mich noch nie zuvor gesehen hat!“ So brauche er im Moment auch kein Fitnessstudio, weil er täglich eineinhalb Stunden Tanztraining bei Choreografin Svenja Jerg habe – zusätzlich zu den szenischen Proben. „Das Stück wird allen Spaß machen, es passt wunderbar in die Zeit, um den Kopf frei zu bekommen, und ich freue mich auf tolles Wetter und ein tolles Publikum“, so der 50-jährige Schauspieler und Sänger. Und schon verschwindet er wieder im Probenraum.

Zurück im Park philosophieren wir mit Bodinus nicht nur über die Rückkehr einer offenen Begegnung mit Kunst und Kultur, die „schließlich unsere Herzen fülle“. Es geht auch um ewige Themen wie Krankheit und Tod, die oft verdrängt werden, doch im Grunde „jede Familie irgendwann treffen“. Das Stück „Gott“ beschäftigt sich mit der Frage „Kann ich das Ende meiner Reise selbst bestimmen oder bin ich abhängig von anderen?“ Vor einem Ethikrat kommen Kirchenvertreter, Verfassungsrechtler, Anwälte und Mediziner zu Wort – und Theo Gärtner, der seinem Leben ein Ende setzen möchte. „Wir unterhalten uns in der Produktion und auch mit dem Publikum darüber, was dafür und dagegen spricht. Kurz vor Schluss wird mit farbigen Steinen abgestimmt und das Ergebnis auf der Bühne verkündet. Natürlich ist es kein heiteres Thema – es soll ein interessantes Thema sein. Und von Schirach hat es drauf, daraus einen spannenden Theaterbesuch zu machen.“ 

Ob wir in Neersen bald lachen oder weinen werden, steht noch nicht fest. Aber wir werden mit anderen Menschen einen bewegenden Sommerabend in der Natur erleben, der unsere Herzen berührt. Und das ist an Tagen wie diesen doch Gold wert.

Schlossfestspiele Neersen
Hauptstraße 6

47877 Willich
Tel.: 02156 / 949 132
Theaterkasse: Mo – Fr von 9 bis 12:30 Uhr, Mo – Do von 14 bis 17 Uhr
festspiele-neersen.de

Artikel teilen: