Christine Peter

Wie wird man eigentlich … Fachfrau für Tierbeschäftigung?

Mit Gebrüll begrüßen die Pavianherren Moritz und Ludwig Christine Peter schon von weitem. Nervös klettern sie auf ihrem Felsen hin und her, fordern die Frau immer wieder auf, nun endlich die prächtig gefüllten Papierzöpfe über den kleinen Wassergraben zu werfen. Als Christine Peter dem Wunsch endlich nachgibt, stürzen sich die zwei Primaten auf die Beute und versuchen, die versteckten Rosinen aus dem festgewobenen Zopf herauszubekommen. Während Mantelpavian Moritz die Leckerchen vor allem mit dem Einsatz grober Kraft erreicht, ist Ludwig flinker und geschickter mit seinen Fingern. Geduldig widmet er sich seinem Spielzeug.

Christine Peter hat eine besondere Rolle, nicht nur im Krefelder Zoo, sondern in der gesamten Zoolandschaft in Deutschland. Denn die Berlinerin ist die einzige festangestellte Fachfrau für Tierbeschäftigung in der Bundesrepublik. Unsere monatliche Reihe startet deswegen direkt mit einer schlechten Nachricht: Das, was Christine Peter macht, ist zwar ein prädestinierter Berufswunsch für das Freundebuch, aber als fester Karriereplan eher ungeeignet. Dennoch freuen wir uns sehr, dass wir sie für unsere monatliche Reihe gewinnen konnten: „Wie wird man eigentlich… Fachfrau für Tierbeschäftigung?“

Schon in ihrer Kindheit folgte der Wochenendausflug immer den gleichen Mustern: Während ihre Eltern gespannt die vielfältige Tierwelt im Berliner Zoo entdeckten, führte Peters Gang direkt zu den Menschenaffen. Und hier blieb sie, bis ihre Eltern irgendwann den Rückzug nach Hause einläuteten. Egal, ob nur drei oder manchmal sogar sieben oder acht Stunden – mit großer Ausdauer saß die junge Christine vor den Primaten und beobachtete ihr Verhalten. „Ich kann gar nicht genau sagen, was mich an ihnen faszinierte, aber es war wie Magie“, erinnert sie sich. „Ich hatte das Gefühl, dass wir uns auf der gleichen Ebene bewegen. Schon damals war da eine Verbindung.“

Und dennoch entschied sie sich nach dem Schulabschluss, nicht etwa mit Tieren zu arbeiten, sondern einen medizinischen Weg einzuschlagen. Also arbeitete sie bis zu ihrem 42. Lebensjahr als medizinische Fachangestellte. „Und dann auf einmal entschloss ich, dass jetzt Zeit für meine Träume ist“, erinnert sich die Berlinerin. „Ich schmiss alles über Bord.“ Peter kündigte ihre Stelle und bewarb sich für einen Praktikumsplatz im Duisburger Zoo. Bereits beim ersten Kontakt mit dem Zoodirektor erklärte sie, warum sie nicht nur in der Tierpflege praktizieren, sondern auch Tierbeschäftigung im Zoo ausprobieren wolle. Das war 2002. „Die Tiere im Zoo haben ein anderes Leben als in der freien Wildbahn. Wir müssen ihnen Aufgaben geben, die ihren Herausforderungen im Freiland entsprechen“, erklärt die Berlinerin. Was Peter damit meint: Die Menschenaffen müssen sich im Freiland um einen Partner bemühen, sie gehen auf Futtersuche oder führen Revierkämpfe durch. „Ein moderner Zoo muss das durch Tierbeschäftigung auffangen“, erklärt die Fachfrau weiter. „Das ist ähnlich wie beim Menschen: Wir brauchen Impulse und Herausforderungen, um gesund zu bleiben.“

Der Duisburger Zoodirektor ließ sich auf das Experiment ein: Halbtags musste Peter Tierpflegertätigkeiten übernehmen und anschließend durfte sie die Tiere beschäftigen. „Das führte natürlich dazu, dass ich mich immer total beeilte“, erinnert sie sich lachend. Schnell zeigte ihre Arbeit Erfolge: Die Tiere veränderten ihr Sozialverhalten, waren entspannter und gelassener. In Duisburg hing Peter nach den drei Monaten ein weiteres Jahr dran und wurde anschließend erneut beim Arbeitsamt vorstellig. „Es war kein Geld da, um mich einzustellen, aber ich wollte es unbedingt weiter versuchen“, erklärt sie und lacht erneut. „Typisch Berlinerin eben: Ich lass‘ mich nicht so schnell abwimmeln.“ Am Ende genehmigte ihr das Amt ein weiteres Praktikum und im Jahr 2004 kam Peter auf diesem Weg nach Krefeld.

„Dr. Dreßen hat eine außergewöhnliche Art, den Zoo zu leiten, er war direkt auf meiner Seite“, erinnert sie sich. Nach dem dreimonatigen Praktikum wurde für Peter ein Traum wahr: Ein Jahr durfte sie eine stellvertretende Tierpflegerstelle im Affenhaus übernehmen und jede freie Minute dafür nutzen, sich mit den Tieren zu beschäftigen. Ausschlaggebend dafür war für Dr. Dreßen wohl auch eine sorgfältige Beobachtung des Silberrückens Massa. Während der Menschenaffe immer wieder Mitarbeiter ablehnte, die daraufhin ihre Arbeit im Affenhaus beenden mussten, akzeptierte er Peter auf Anhieb. Als sich die beiden zum ersten Mal begegneten, begann er zu grummeln und drückte damit wohl ein freundliches Hallo aus. „Das grenzte fast an ein Wunder“, beschreibt sie, während die Augen in Erinnerung an den schweren Verlust durch den verheerenden Affenhausbrand feucht werden. „Ich habe gelernt, dass meine Gabe, mit Tieren eine Verbindung aufzubauen, schon außergewöhnlich ist.“ Zur gleichen Zeit begann Peters Engagement, auch in den Medien Aufmerksamkeit zu erregen. Auf eine Pressemitteilung des Zoos „Gehirnjogging für Zootiere“ reagierten internationale Pressevertreter. Das, was Peter hier in Krefeld macht, war damals in der deutschen Zoolandschaft revolutionär. Und auch, als die Fachfrau für Tierbeschäftigung mit Orang-Utan Barito malte und dabei wunderschöne Acrylbilder entstanden, überschlug sich die Berichterstattung.

Aber dennoch gab es eigentlich auch weiterhin kein Budget, um eine Stelle wie ihre zu finanzieren. Immer wieder zerbrach sich die Zooleitung den Kopf, wie man den wichtigen Einsatz von Peter honorieren könne. Die Berlinerin machte sich zwischenzeitlich selbstständig und war auch in anderen Zoos unterwegs, um ein zusätzliches Einkommen zu erzielen. 2016 schaffte es der Krefelder Zoo schließlich, Peter eine feste Stelle – schwerpunktmäßig für die Arbeit mit den Menschenaffen – anzubieten. „Der Affenhausbrand hat natürlich alles verändert“, erklärt sie tonlos. „Ich muss ehrlich sagen, dass ich wahrscheinlich mein Leben lang brauchen werde, um das zu verarbeiten.“

Trotzdem gibt es seit der Silvesternacht 2019 diverse andere Tiere, die von Peters Engagement profitieren. Aktuell arbeitet sie zum Beispiel mit den Erdmännchen. Auch die Stachelschweine, die Riesenschildkröten und die Weißgesichtsakis werden von ihr beschäftigt. So rollt die Fachfrau für die Primaten zum Beispiel Sonnenblumenkerne in Holzwolle oder hängt Jutesäcke mit Mehlwürmern auf. Immer geht es darum, die Instinkte der Tiere zu erwecken und sie herauszufordern. Fast 17 Jahre wirkt Christine Peter inzwischen im Krefelder Zoo. Die Liste von besonderen Erlebnissen ist lang. Wenn sie aber beginnt zu erzählen, kommt sie immer wieder bei den Menschenaffen an. „Auch ihr Umgang mit den anderen Tieren hat sich seither verändert“, sagt sie. „Die Tiere spüren, dass ich mit ihnen gearbeitet habe. Haben dich die Menschenaffen anerkannt, hast du ein ganz anderes Standing in der Tierwelt.“

Unter dem Motto „Einen Tag Tierpfleger“ können Erwachsene sechs Stunden lang Christine Peter bei ihrer Arbeit unterstützen. In einer Gruppe von maximal sieben Personen basteln Sie selbst Material für die Tierbeschäftigung und besuchen die unterschiedlichen Reviere. Die Kosten für den Erlebnistag liegen bei 150 Euro. Während der Pandemie setzen die Aktionstage aus, schon jetzt können Sie sich aber als möglicher Interessent für den Erlebnistag melden. Die Mitarbeiter geben Ihnen dann Bescheid, sobald „Einen Tag Tierpfleger“ wieder möglich ist. Kontakt via Mail an:
zoofuehrungen@zookrefeld.de oder per Telefon unter 02151/95 520.

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