Große Schuhe, eine rote Nase und Schminke im Gesicht: Clowns bringen seit Jahrhunderten überall auf der Welt Menschen zum Lachen. Oft treten Clowns zu zweit auf und unterhalten mit Streichen und Slapstick. Wir kennen sie aus dem Zirkus, doch auch in Kitas, Krankenhäusern oder Krisengebieten verbreiten sie gute Laune. Aber wie lernen Clowns eigentlich, was lustig ist? Und wie sieht ihr Alltag aus? Diana Drechsler alias Dodo ist staatlich geprüfte Clownin und als freiberufliche Künstlerin nicht nur in Krefeld unterwegs. Bei einem ausgedehnten Frühstück erzählte uns die ehemalige Waldorflehrerin, wie sie zu ihrem Traumberuf gekommen ist.
„Lass‘ uns doch mal mit einem Clown frühstücken!“ So hätte ein Vorschlag der Redaktion lauten können. Und ich hätte fröhlich gerufen: „Au ja!“ Jetzt stehe ich an einem kalten Frühlingsmorgen vor dem Café Liesgen und überlege frierend, ob mein Blind Date Diana Drechsler auch ungeschminkt zu erkennen ist. Seit 2001 zieht die gebürtige Dortmunderin kleine und große Menschen in und um Krefeld in ihren Bann – als enthusiastische Märchenerzählerin, trommelnde Musikerin und ausgebildete Clownin. Erleichtert bemerke ich, dass ihr privater Kleidungsstil das auch verrät. Drechsler trägt weite Hosen und Oberteile in mehreren Blautönen, die an die Gaukler des Mittelalters erinnern, und die typische Clownsnase hängt locker um ihren Hals. „Ich bin gar nicht der klassische Clown“, stellt die 54-Jährige gleich zur Begrüßung richtig und bestellt einen Milchkaffee zum vegetarischen Frühstück. „Klamauk ist nicht mein Ding, ich habe mich eher darauf spezialisiert, traditionelle Märchen zu spannenden Erzähl-Musik-Performances für Kinder und Erwachsene oder amüsanten Clowntheaterstücken umzusetzen“, sagt sie tiefenentspannt und lacht herzlich. Die rote Nase helfe ihr dabei, in den Clown „hineinzukommen“ – doch eine Rolle wie am Theater spiele sie nicht: „Es geht darum, den inneren Clown zu entdecken. Bei mir ist es Dodo!“ Wieder ein dröhnendes Lachen.
Als langjährige Klassenlehrerin einer Waldorfschule in Mönchengladbach entschied sich Drechsler 1998, ihr natürliches Fabuliertalent weiter auszubauen. „Der Erzählteil am Ende des Unterrichts war für mich immer der beste Teil“, erinnert sich die Pädagogin schmunzelnd. Sie besucht zwei Jahre lang eine Fortbildung im Märchenerzählen am Figurentheater-Kolleg in Bochum und beginnt, dort im Kindertheater mitzuarbeiten. Schon als Teenager habe sie im Religionsunterricht oder Gottesdienst die Bibelgeschichten frei ausgeschmückt, wohl nicht immer zur Freude der Lehrer. Ihre künstlerisch geprägte Kindheit mit kreativen Eltern und Geschwistern, einem uralten Kasperletheater und der vorlesenden Oma lasse sich auch nicht leugnen, verrät sie mit leuchtenden Augen: „Ich hätte beruflich schon gern etwas mit Theater und Schauspiel gemacht, doch für eine klassische Ausbildung war ich einfach zu schüchtern.“ Eine zufällige Begegnung führt schließlich dazu, dass sie aus Neugier einen Schnupperworkshop an einer Clownsschule in Hannover besucht. Mit deutlichen Folgen für ihre Karriere: Mit Anfang 30 wird sie an der renommierten Schule für Tanz, Clown & Theater, kurz TuT, aufgenommen und hängt ihren Lehrberuf kurzerhand an den Nagel. „Wenn man mich zulässt, muss ich die Chance auch nutzen“, erklärt sie bescheiden ihr konsequentes Handeln.
In drei intensiven Jahren erhält Drechsler eine „fundierte Ausbildung und Reifung ihrer clownesken Spielerpersönlichkeit“, wie auf der Webseite der Schule zu lesen ist. Sie selbst fasst es in einfache Worte: „Humor ist die Grundlage. Wir haben Techniken kennengelernt wie richtiges Timing, Wiederholungen oder Steigerungen. Die Facetten des modernen Clowns sind vielfältig, in der Ausbildung entdecken wir, welche Clownfigur in uns selbst steckt.“ So bestehe Clownspiel aus Körpertheater, Slapstick, Improvisation, Comedy oder Pantomime. Aus der Zirkuswelt kennen wir vor allem den Dummen August und den ernsthaften Weißclown. Nicht immer brauche es die rote Nase, um ein Clown zu sein: „Mr. Bean mag ich sehr, er hat Probleme ohne Ende und ist trotzdem lustig.“ In Hannover kann die Künstlerin auch ihre Vorliebe für Märchen ausleben. Gemeinsam mit Kollegin Birgitta Gutsch alias Glucks entwickelt sie 2002 das turbulente Kindertheaterstück „Heute wieder Rotkäppchen?!“ für die Abschlussprüfung zur geprüften Darstellerin für Clowntheater & Komik.
„Wenn Clowns Märchen spielen, kann es schon einmal passieren, dass Rotkäppchen eine Bademütze trägt und der böse Wolf in Hausschuhen und Sonnenbrille herumläuft“, grinst Clownin Dodo. Seit gut zwei Jahrzehnten spielt sie mittlerweile mobiles Märchenclowntheater, in der Regel als Gastspiel in Kindergärten, Schulen oder Bibliotheken, aber auch auf der Bühne in der Fabrik Heeder oder im Theater Takelgarn. Ihr Lieblingsstück sei immer noch „Dodo und die Erbse“ unter der Regie von Hardy Hausting, schwärmt die Wahlkrefelderin. Clownsmädchen Dodo wolle so gern einmal Prinzessin sein, aber ihre Spielkameraden Konrad und Hermine – ein Ball und ein Frosch – hätten ganz andere Ideen. „Ich habe mir extra eine riesige Schaumstoffkugel bauen lassen, um die grüne Erbse zu spielen. Gesungen wird auch!“ Die Begeisterung für den Beruf ist fast mit den Händen greifbar, und bei der Schilderung der kleinen Pannen, die bei der Arbeit vorkommen können, lacht sich Drechsler förmlich kaputt. „Es passieren oft unvorhergesehene Dinge, die Musik setzt falsch ein oder die Flügel sitzen verkehrt. Wir agieren immer mit dem Publikum und improvisieren viel“, fasst Dodo die Faszination des Clownseins zusammen. „Die rund 50 Minuten Theater sind für mich wie Therapie. Danach bin ich total happy!“ Ihre Zeit an der Waldorfschule habe sich dabei als gutes Fundament herausgestellt, da sie ausgiebige Erfahrungen mit Kindern sammeln konnte.
Auch Erwachsene will Diana Drechsler an ihrer positiven Lebenseinstellung teilhaben lassen. In zweistündigen Schnupperworkshops vermittelt Clownfrau Dodo in der Fabrik Heeder und an anderen Orten, wie man mit einfachen Mitteln die spielerische Leichtigkeit des Clown-Seins entdeckt. „Es wird keine Vorerfahrung erwartet“, erläutert Diana Drechsler ihr neues Konzept. Es gehe um den Spaß und die Spielfreude in der Gemeinschaft. „Gerade in der heutigen Zeit ist es wichtig, nicht nur die Krisen wahrzunehmen, sondern staunend und mit offenen Augen das Schöne in der Welt zu sehen.“ Sie kneift ein Auge zu und lacht. Schon wieder. Ja, manchmal sei es schon nervig, die vielen Requisiten durch die Gegend zu tragen, das Auto zu beladen oder Büroarbeiten und Steuererklärungen zu erledigen, blickt die vielseitige Künstlerin auf die weniger lustigen Facetten des Jobs. Doch die Auftritte machten alles wieder wett. Für sie selbst und das Publikum.
„Zu keiner Zeit war die Welt so voller Leiden und Angst“, schrieb Henry Miller 1948 in seiner poetischen Fabel „Das Lächeln am Fuße der Leiter.“ Das Buch erzählt die Geschichte eines Clowns, der sich nicht damit zufriedengeben mag, die Leute nur zum Lachen zu bringen, sondern ihnen Glückseligkeit schenken will. Viele Jahrzehnte später gibt es auf unserem Planeten immer noch große Krisen und Elend. Doch zum Glück auch immer noch Clowns wie Diana Drechsler, die die Welt mit anderen Augen sehen und uns eine Auszeit schenken. Wenn demnächst jemand fragt, ob wir auf einem Bein hüpfen wollen, antworten wir doch einfach: „Au ja!“ Gute Laune können wir schließlich alle gebrauchen.
Portrait: Luis Nelsen, Fotos: Diana Drechsler