Leading Ladies in Town

Vorbilder statt Rollenbilder

Arbeit und Familie in einem Raum, diese Situation ist für viele berufstätige Eltern typisch, jedoch in der Berufswelt noch nicht vollständig akzeptiert. Um das zu verändern, gestaltet Anna Lichtmann ihr Leben abseits von traditionellen Rollen und setzt sich im Netzwerk Leading Ladies in Town dafür ein, erfolgreiche Frauen als Vorbilder sichtbar zu machen. Die Produktionsmanagerin bei Bonduelle sowie Mutter eines Kleinkindes hat einen vollen Terminkalender, dennoch hat sie die Zeit gefunden, uns in ihrer lichtdurchfluteten Wohnung zu begrüßen. Bei einem Kaffee erzählt sie uns von ihrem Werdegang, nur ab und zu unterbrochen von ihrer vierjährigen Tochter, die mit Schnupfen zu Hause ist.

„Ich glaube, meine Eltern haben früh geahnt, dass ich hoch hinaus will“, schmunzelt Anna Lichtmann beim Rückblick auf ihren Werdegang. Als sie vier Jahre war, kam die Familie aus der Ukraine nach Krefeld; heute kann man ihren Lebensweg getrost als Erfolgsgeschichte bezeichnen. Schon beim Abitur am Gymnasium am Moltkeplatz wusste Lichtmann, dass sie getreu der Familientradition ein Ingenieursstudium beginnen wollte. Doch die Technik allein schien der kommunikativen jungen Frau zu trocken: „Der Studiengang zum Wirtschaftsingenieur an der Hochschule Niederrhein war mit der Kombination von Naturwissenschaft und betriebswirtschaftlichen Fächern perfekt. Im Masterstudium stand schließlich der Mensch im Mittelpunkt.“

Kurz nach dem Masterabschluss wird Lichtmann als Trainee Produktionsmanagement bei Lorenz Snackworld in der Nähe von Celle eingestellt. Ihr Studium trägt ebenso wie ihre zupackende Art dazu bei, dass ihre Lehrzeit verkürzt wird. Sie steigt im Unternehmen rasch bis zur Produktionsleitung mit Verantwortung für 130 Mitarbeiter auf. „Das hat richtig Spaß gemacht, aber war auch nicht immer leicht“, gibt sie zu. Sie erinnert sich lächelnd, wie sie als junge Frau tricksen musste, um sich vor den älteren Mitarbeitern zu beweisen. Ihre Vorschläge zur Produktionssteigerung stießen zuerst auf Widerstand, erzählt sie: „Ich habe einfach die Maschinen neu einstellen lassen. Als es hieß: ‚Das geht aber nicht!‘, habe ich ihnen gezeigt, dass es längst schon ging.“ Mit Humor und Kommunikation auf Augenhöhe konnte Lichtmann im Team die gute Stimmung schaffen, die zur besten Arbeitsleistung benötigt wird.

Wo Anna Lichtmann auch arbeitete, sie hinterließ bei ihrem Abschied stets eine klaffende Lücke.

Sie ist eine Frau mit klaren Zielen: Ihre Fähigkeiten einsetzen, unabhängig sein – und eine Familie gründen. „Ich wollte immer Karriere und Kind. Teilzeitarbeit konnte ich mir allerdings nicht vorstellen“, legt sie ihren Lebensentwurf dar. Als sie ihren jetzigen Mann kennenlernt und der Gedanke an ein Kind konkret wird, zieht es sie zurück in die Heimat: „Ich habe Krefeld vermisst. Und ich wusste, dass ich meine Eltern brauchen würde, um als Mutter weiterhin voll arbeiten zu können.“ Wie alles, was Anna Lichtmann sich vornimmt, setzt sie auch diese Pläne in die Realität um: Sie wird Produktionsleiterin und stellvertretende Werksleiterin bei Intersnack, das Ehepaar zieht nach Krefeld, 2018 wird die Tochter geboren. Die frischgebackene Mama erkennt bald, wie wichtig Netzwerke für berufstätige Eltern sind, um allen, auch den eigenen Ansprüchen gerecht zu werden. „Mein Mann hat die zweite Hälfte der Elternzeit übernommen und seine Arbeitszeiten umgestellt, meine Mutter war immer für uns da und die Tagesmutter hat auch mal länger betreut. Ohne alle diese Menschen hätte das nicht funktioniert“, räumt die junge Mutter ein, während sie der Tochter einen Apfel schneidet.

Als sich ihr die Gelegenheit bietet, noch einmal etwas Neues zu beginnen – „Ich hatte inzwischen acht Jahre lang Chips gemacht!“ fasst Lichtmann lachend zusammen –, greift sie zu. Als Produktionsmanagerin bei Bonduelle in Straelen hat sie einen Arbeitgeber gefunden, bei dem sie sich wohlfühlt. „Es macht einen großen Unterschied, dass mein Vorgesetzter Vater ist und versteht, wenn ich beim kranken Kind im Homeoffice bleiben möchte“, betont sie, wissend, dass dies noch immer nicht selbstverständlich ist. Dank dieser Umstände konnte sich die inzwischen 35-jährige auch ein zweites Kind vorstellen, das Anfang kommenden Jahres auf die Welt kommen wird. Die geteilte Elternzeit ist längst geplant, auch darüber hinaus kann Lichtmann optimistisch in die Zukunft schauen. „Mein Mann ist ein sehr engagierter Vater. Vereinbarkeit von Beruf und Familie geht nur mit Partnern wie ihm“, unterstreicht Lichtmann ernst. So bildet ihre Familie mit der späteren Betreuung und dem elternfreundlichen Arbeitgeber das sprichwörtliche Dorf, das es braucht, um Kinder großzuziehen.

Doch Anna Lichtmann denkt noch weiter und nicht nur an die eigene Entwicklung. Als Frau in einem männerdominierten Beruf und arbeitende Mutter möchte sie auch Vorbild sein für jüngere Frauen, die einen ähnlichen Lebensweg vor sich haben. Dafür hat sie in der Initiative Leading Ladies in Town, einer Krefelder Organisation, die hochqualifizierte Fachfrauen zum Neu- und Wiedereinstieg in den Beruf ermutigen will, tatkräftige Mitstreiterinnen und Mitstreiter, aber auch Vorbilder gefunden, die sie inspirieren. Daher setzt sich Lichtmann in der Arbeitsgruppe „Sichtbar sein“ ein. Vor Kurzem konnte sie mit anderen Leading Ladies ihre ehemalige Hochschule besuchen und wünscht sich, dass sie den Studentinnen Mut machen konnte: „Manche fragen sich bestimmt, wie Arbeit und Familie gleichzeitig funktionieren. Meine Prioritäten haben sich seit meinem Abschluss zwar verschoben, Karriere will ich aber immer noch. Sie sollte einfach Raum zum Leben lassen.“ Dank Initiativen wie den LLiT und ihrem eigenen Vorbild, so hofft sie, werden sich in einer zukünftigen Arbeitswelt ihre Kinder nie die Frage stellen müssen: Kind oder Karriere?

Über LLiT – Leading Ladies in Town

• Ziel der „Leading Ladies in Town“ ist es, lokale Unternehmen mit topqualifizierten Frauen zu vernetzen
• Der Startschuss für das Netzwerk fiel im Herbst 2021. • Initiator*innen: Kerstin Abraham, Mario Bernards, Heike Hinsen, Inge Röhnelt
• 170 Frauen und Männer aus Wirtschaft, Politik, Bildung, Sport und Kultur sind bereits miteinander vernetzt

linkedin.com/company/llit-krefeld
llit-krefeld.de

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