Ein Hauch von Ibiza liegt in der Luft: Es ist ein heißer Sommertag, aber uralte, hochgewachsene Bäume spenden angenehm kühlen Schatten. Tausende bunter Girlanden baumeln von ihnen herab und verleihen dem Ort etwas Märchenhaft-Verträumtes. Nur die industrielle Geräuschkulisse des nahen Hafenbetriebs reißt einen immer wieder zurück in die Wirklichkeit: Wir befinden uns nicht auf der angesagten Baleareninsel im Mittelmeer, sondern im ehemaligen Krupp-Villenpark in Duisburg-Rheinhausen. Hier hat Dirk Hallecker zusammen mit seinen Geschäftspartnern nicht nur eine erfolgreiche Party- und Eventlocation etabliert, die regelmäßig Tausende von Menschen aus dem gesamten Bundesgebiet ins strukturschwache Duisburg lockt, sondern auch seinen ganz persönlichen Sehnsuchtsort geschaffen.
Mit seiner Statur, den langen blonden Haaren, dem Vollbart und dem guten Aussehen erinnert Dirk Hallecker ein bisschen an Marvel-Superheld und Avengers-Mitglied Thor. Aber mit dem hammerschwingenden nordischen Donnergott hat der Mitbegründer des Luft & Liebe-Festivals sonst nur wenig gemein. Das belegen nicht nur der lässige Strohhut, das schwarze, locker fallende, kragenlose Hemd und die weit geschnittene, knöchellange schwarze Baumwollhose, die er zu weißen Sneakers trägt. Ganz entspannt und mit einem freundlichen Lächeln lässt er sich auf einer der Bierbänke nieder, die derzeit das Inventar der Eventlocation ausmachen. Das Luft & Liebe-Festival wurde kurzerhand zum Luft & Liebe-Biergarten umfunktioniert, um den Betrieb auch in Zeiten von Corona aufrechthalten zu können. Der Ärger über die Intervention der Stadt Duisburg, die den Biergarten vor ein paar Wochen wegen angeblicher Verstöße gegen die geltenden Abstandsregelungen vorübergehend auf Eis legte, ist bei Hallecker aller guten Laune zum Trotz noch nicht ganz verflogen. „Wir haben hier Außergewöhnliches für die Stadt Duisburg und ihren Ruf getan. Erst kürzlich sprach mich ein Kölner Gast an: ,Hätte man mir vor ein paar Jahren gesagt, dass ich mal nach Rheinhausen zum Feiern fahren würde, hätte ich ihn ausgelacht!‘ Wir verkaufen regelmäßig Tickets nach Hamburg, Frankfurt, München. Für einen Biergarten! Aber von der Stadt haben wir nie ein Wort des Dankes gehört. Stattdessen legt man uns Steine in den Weg.“
Doch Hallecker ist nicht der Typ, der sich von schlechten Vibes unterkriegen lässt und lange Groll hegt. Er macht einen rundum zufriedenen Eindruck. Es war ein Glücksfall, als Marc Förste, zusammen mit Halleckers Gattin Linh Kieu einer der drei Köpfe hinter der Rheinperle GmbH, vor rund zehn Jahren den Villenpark entdeckte. Das Gelände lag völlig brach, die Villen der ehemaligen Krupp-Führung waren Ruinen. Schrottimmobilien, die enorm viel Arbeit benötigten und die keiner haben wollte, die deshalb aber auch vergleichsweise günstig zu haben waren. „Wir hatten sofort die Idee, hier eine Eventlocation zu entwickeln“, erinnert sich Hallecker. „Zum Feiern schien es ideal, weil es keine Anwohner gab. Man kann bis spät in die Nacht Krach machen, ohne jemanden zu stören, dazu waren Bausubstanz und der Baumbestand absolut einmalig.“ Fünf Gebäude des neun Häuser umfassenden Villenparks gehören dem Trio. Die aufwändig restaurierten und mit viel Fantasie, handwerklichem Können und Leidenschaft gestalteten Räumlichkeiten der Villa Rheinperle und die ganz in Weiß gehaltene Villa Blanca werden für private Feiern vermietet, Büroräume, ein Atelier und Wohnungen für die Mitarbeiter befinden sich ebenfalls auf dem Gelände, in dessen Zentrum regelmäßig Luft & Liebe und zahlreiche weitere Events angesagt sind.
Es entbehrt nicht einer gewissen Ironie, dass Hallecker nach 20 Jahren auf Umwegen wieder just an dem Ort gelandet ist, den er einst geradezu fluchtartig verließ. Weil er in der Zwischenzeit lernte, seine Umgebung nach seinen Vorstellungen zu gestalten, könnte man es aber auch als Konsequenz, als das Resultat eines unerschütterlichen Optimismus und das Ergebnis einer gewissen Beharrlichkeit bezeichnen. „Nachdem ich durch die Aufnahmeprüfung der Sporthochschule in Köln gerasselt war, schrieb ich mich an der Uni Duisburg für Germanistik und Anglistik ein. Ich merkte aber auch dort relativ schnell, dass das nichts für mich war. Mir fehlte das studentische Leben, das ich mir ausgemalt hatte, die Kreativität – und dazu war ich umgeben von angehenden Lehrern“, blickt er schmunzelnd auf den Anfang seiner Karriere zurück. „Aber ich wusste nicht, was ich tun sollte, mir fehlte jede Idee, wohin es gehen sollte.“ Was er hatte, war die Zuversicht, dass sich irgendwann ein Tor öffnen würde. „Ich weiß noch ganz genau, wie ich meiner Mutter sagte, dass ich auf meinem Weg jemandem begegnen würde, der mir den entscheidenden Schubser gäbe. Und es kam tatsächlich so“, erzählt der gebürtige Stuttgarter.
Über einen Nebenjob als Model und Statist – „Man kann mich bestimmt im Hintergrund einiger alter GZSZ-Episoden entdecken“, lacht er – lernte er einen Visagisten kennen, der beim Musiksender Viva arbeitete. „Ich bewarb mich dort also für ein Redaktionspraktikum bei der Sendung ,Interaktiv‘ und erhielt den Zuschlag. Das war eine tolle Zeit: junge, motivierte Leute, die etwas auf die Beine stellten, ein kreatives Umfeld, Musik. Ich hatte morgens nie das Gefühl, zur Arbeit zu gehen. Es war genau das, was ich wollte“, schwärmt er noch heute. Doch als das sechsmonatige Praktikum vorbei war, war der Wahl-Krefelder nicht wirklich weitergekommen. Zum Glück gab es immer noch den Visagisten. „Er bot mir als nächstes an, ein Praktikum bei ihm in der Maske zu machen“, lacht Hallecker. „Ich hatte nichts in der Hinterhand, also dachte ich: Warum nicht?“ Und dann geschah etwas Unerwartetes: „Die Leute fanden gut, was ich machte. Dabei betrachtete ich meine Aufgabe am Anfang als rein technisch, wie Malen nach Zahlen. Erst als ich ein positives Feed-back bekam, fing ich an, mich mehr zu trauen und entdeckte meine kreative Ader“, schildert Hallecker sein Erweckungserlebnis.
Die Erkrankung seines Vaters führte ihn zurück nach Krefeld, wo er mit neuem Selbstbewusstsein und finanziellen Rücklagen in der Hinterhand den Make-up-Store auf der Königstraße in Krefeld eröffnete. Auch hier half ihm eine Bekanntschaft: „Der Friseur Stefan Blumtritt überließ mir Räumlichkeiten in Toplage für einen günstigen Preis. Mein Ziel war es zu Beginn, jeden Tag 100 Euro Umsatz mit einer Mischung aus Kursen, Make-ups und Produktverkauf zu machen. Und das klappte zu meiner Überraschung hervorragend.“ Aber Hallecker lernte in dieser Zeit nicht nur, ein Geschäft zu führen, er entdeckte ein weiteres Talent, das seinen weiteren Weg wesentlich bestimmen würde. „Unsere Arbeit dokumentierte ich regelmäßig in Vorher-Nachher-Fotos“, erzählt er. „Da steckte keinerlei künstlerischer Anspruch dahinter. Es ging nur darum, den Kunden zu zeigen, was sie von uns erwarten konnten.“ Wieder waren die Reaktionen auf seine Bilder so gut, dass Hallecker die Fotografie zum Beruf machte. Doch er war immer noch nicht am Ziel: Als er seine heutige Ehefrau Linh kennenlernte, die in Düsseldorf Partys veranstaltete, schlug er das vorerst letzte Kapitel auf und rief gemeinsam mit ihr und Förste das Luft & Liebe-Festival ins Leben. Hier ist er seitdem für das Design, Marketing und das gesamte Ambiente des Events verantwortlich, sprich dafür, die Veranstaltung mit Leben zu füllen. Außerdem schafft er nebenbei Kunst mit seiner Mutter Anne: „Das sind Grafiken und Prints, die wir zusammen übermalen und mit verschiedenen Materialien bearbeiten“, erläutert Hallecker. „Schwer zu beschreiben, aber sehr spannend, weil meine Mutter und ich unterschiedliche Ansätze verfolgen.“
Viva-Redakteur, Visagist, Geschäftsmann, Fotograf, Künstler, Partyveranstalter. Die Vielzahl auf den ersten Blick völlig disparater Tätigkeiten und Talente ist erstaunlich, aber noch erstaunlicher ist Halleckers Selbsteinschätzung: „So viel habe ich eigentlich gar nicht gemacht“, meint er selbst, als er mit der Tatsache konfrontiert wird, dass eine Google-Suche seines Namens den Eindruck erweckt, es gebe mindestens drei Dirk Halleckers in Deutschland. Aber der frischgebackene Vater kokettiert keineswegs mit Bescheidenheit, um zu gefallen. Ganz gegenläufig zum Klischeebild des Partyveranstalters, der nach durchzechter Nacht bis mittags schläft, in der Weltgeschichte herumjettet und das Geld mit beiden Händen für teure Luxusartikel und Drogen aus dem Fenster schmeißt, ist Hallecker ein durch und durch bodenständiger Typ ohne Allüren. Er weiß, was er kann und was er geleistet hat, aber er hat keineswegs vergessen, wo er herkommt. Fast scheint er selbst am meisten überrascht über den Weg, den er bisher zurückgelegt hat, und darüber, dass sich seine Ahnung vom Schubser im rechten Moment nicht nur einmal, sondern gleich mehrfach bewahrheitete.
Die Räumlichkeiten der Villa Rheinperle wurden aufwändig saniert … … und mit viel Kreativität und Leindeschaft eingerichtet und gestaltet.
„Ich weiß immer noch ganz genau, was zehn Euro sind“, sagt er, „und ich brauche nicht viel Geld, um etwas von Wert zu schaffen“, gibt er mit dem Verweis auf das provisorisch aus Paletten und Zaunlatten gefertigte Mobiliar des Biergartens einen Einblick in seine Philosophie. „Aber das, was ich mache, möchte ich immer so gut machen, wie es mir möglich ist. Meiner Erfahrung nach gefällt es dann auch meistens den anderen.“ Natürlich ist er mit der Durchführung des Luft & Liebe-Biergartens und der Gestaltung der mietbaren Eventräume kein Alleinunterhalter. Mehrfach verweist er im Gespräch auf seine Partner: Förste, der als „Immobilien-Süchtiger“, wie Hallecker ihn bezeichnet, immer wieder spannende Immobilien-Objekte ausfindig macht, und seine Gattin Linh, die das Geschäft führt und ihn im Zaum hält, wenn die Kreativität mal mit ihm durchgeht. Er bezeichnet sich kaum verwunderlich als Teamplayer, wahrscheinlich etwas, was er in den vielen Sportvereinen seiner Jugend gelernt hat. Man kann sich sehr gut vorstellen, wie er mit seiner Motivation und seinen Einfällen mitreißt, wie er Leute für sich gewinnt, sie hinter eine gemeinsame Sache bringt und zu Höchstleistung treibt, wenn er sich selbst gut aufgehoben fühlt. Jemand der von sich sagt, ein „Wohlfühltyp“ zu sein, ist wahrscheinlich prädestiniert dafür, es auch anderen so angenehm wie möglich zu machen. „Ich bin ein Gastgeber“, sagt Hallecker schließlich. „Wahrscheinlich ist es das, was ich vor allem anderen bin.“ Aber nicht irgendeiner, möchte man anfügen. Sondern einer, der Ibiza für seine Gäste bis nach Duisburg-Rheinhausen holt.
Villa Rheinperle, Villenstr. 2, 47229 Duisburg,
Tel.: 02065 / 917 12 11, Mail: l@rheinperle.de,
www.rheinperle.de
Luft & Liebe Biergarten 3.0
Jeden Fr von 18 bis 23 Uhr / Jeden Sa von 14 bis 23 Uhr
Facebook: luftundliebefestival