Heroes in Krefeld

Hans Winter: Zeitreise nach Oppum

Hans Winter leitet den Bauverein Geismühle Krefeld-Oppum e.V. als erster Vorsitzender.

Der Düsseldorfer Fernsehturm, der Kölner Dom, die Skyline Frankfurts: Wahrzeichen, die man schon von Weitem sieht und sofort mit ihrem jeweiligen Standort assoziiert. Wer die Samt- und Seidenstadt über die A57 passiert, erblickt ebenfalls ein Bauwerk, das als Krefelder Wahrzeichen gelten könnte. Ganz sicher ist es etwas weniger imposant als die genannten, aber dennoch markant und geschichtsträchtig: die Geismühle. Dass das historische Bauwerk, das zum Ende des Zweiten Weltkriegs durch eine Fliegerbombe schwer beschädigt wurde, heute nicht nur wieder in alter Pracht erstrahlt, sondern auch genauso funktionstüchtig ist wie zu seiner Inbetriebnahme im 16. Jahrhundert, ist das ehrenamtliche Verdienst des Bauvereins Geismühle Krefeld-Oppum e. V. Viele derer, die vor über 20 Jahren anfingen, sich um die Instandsetzung des vernachlässigten Bauwerks zu kümmern, sind heute bereits verstorben. Hans Winter, der 1. Vorsitzende des Vereins, setzt ihr Schaffen in der Gegenwart fort. Und hofft auf engagierten Müller-Nachwuchs.

Nicht nur Vorbeifahrende, auch viele Krefelder dürften die Geismühle vor allem vom Blick aus dem Auto kennen. Unmittelbar am gleichnamigen Rastplatz gelegen, am südlichsten Ende von Oppum und kurz vor dem Ortseingang Bösinghovens, liegt das Bauwerk für Einheimische tatsächlich eher ungünstig. Heute, wo die Raststätte geschlossen und teilweise gesperrt ist, gilt das sogar noch mehr. Es ist schon ein kleines Abenteuer, sich an Büschen und Absperrungen vorbeizudrücken, um schließlich vor dem Hügel zu stehen, auf dem die alte Mühle thront. „Wir hören immer wieder auch von alteingesessenen Krefeldern, dass sie die Mühle noch nie aus nächster Nähe gesehen haben“, weiß Hans Winter. Trotz ihrer langen Geschichte ist die Geismühle also immer noch ein Geheimtipp. Aus Sicht des 2004 gegründeten Bauvereins darf sich das ruhig ein wenig ändern. In den Monaten von Mai bis Oktober organisieren die rund 16 aktiven Mitglieder an jedem ersten Sonntag im Monat Führungen und Aktionen, um Interessierten das Bauwerk und die alte Mühltechnik nahezubringen. Sofern der Wind richtig steht, kann dann sogar Korn gemahlen werden wie vor fast 500 Jahren.

„Der Verein wurde unter anderem von Franz-Josef von der Hocht ins Leben gerufen“ erinnert sich Winter. „Ich kannte ihn aus Oppum und er fragte mich damals schon, ob ich mich nicht auch engagieren wolle, aber meine inzwischen verstorbene Ehefrau war zu jener Zeit bereits schwer krank und ich musste ihm absagen.“ Der Verein hatte sich zum Ziel gesetzt, die zerstörte Mühle, die zwar seit 1959 im Besitz der Stadt war, aber als Ruine mehr oder minder brachlag, wieder in ihren ursprünglichen Zustand zu versetzen. Es ist wohl der Beharrlichkeit der Vereinsgründer sowie der finanziellen Unterstützung der Deutschen Denkmalstiftung zu verdanken, dass dieses Vorhaben schließlich in die Tat umgesetzt werden konnte. „Die Stadt ließ uns irgendwann einfach machen“, schmunzelt Winter unter seinem weißen Zwirbelschnurrbart. 2007 wurde die Mühle nach rund zweijähriger Bauzeit und Investitionen von knapp 500.000 Euro wiedereröffnet. Man kann sich vorstellen, was es für ein erhebendes Gefühl für die Ehrenämtler gewesen sein muss, als sich die Mühlräder nach so viel investierter Arbeit zum ersten Mal wieder drehten. „Das Fachwissen für die Sanierungs- und Instandsetzungsarbeiten holten wir uns aus den Niederlanden, wo viele alte Windmühlenheute noch in Betrieb sind – allerdings oft mit Elektroantrieb“, berichtet der gebürtige Linner. „Einige der Vereinsmitglieder absolvierten sogar eine Müllerausbildung, um die Mühle nutzen und gegebenenfalls reparieren zu können.“ Betritt man das alte Mauerwerk und betrachtet die massiven, teils mehrere Tonnen schweren Holzbalken, den gewaltigen Mühlstein, das riesige, dreieinhalb Meter große Antriebsrad oder auch das Krühwerk, den Mechanismus, mit dem man den 16 Tonnen wiegenden Kopf der Mühle zu zweit drehen kann, ahnt man, wie abenteuerlich das ganze Projekt gewesen sein muss. Im Erdgeschoss der Mühle zeugt noch ein Foto der lachenden „Mühlenspechte“ von den Bauarbeiten: Die älteren Herren verdienten sich ihren Spitznamen, weil sie über mehrere Monate Kilometer von Mauerfugen ausmeißelten. „Vier von ihnen leben heute schon nicht mehr“, zeigt sich 75-jährige Winter nachdenklich.

Die Mühle funktioniert nach der Sanierung genauso wie vor 500 Jahren.

Nachwuchs ist auch in seinem Verein ein großes, drängendes Problem: „Wir brauchen dringend junge Leute, die mithelfen und den Betrieb der Mühle auch in Zukunft sicherstellen“, sagt Winter. Die meisten Aktiven sind längst im Rentenalter und viele der immer wieder notwendigen Reparaturmaßnahmen werden für sie zunehmend schwieriger. „Demnächst müssen wir wieder die Segel auf die Flügel ziehen. Das kann man keinen 80-Jährigen machen lassen, da müssen Jüngere ran!“ Voraussetzungen für die Mitgliedschaft gibt es nicht, technisches Interesse ist allerdings von Vorteil. „Wir brauchen aber auch immer wieder Helfer, die die Sicherheit an unseren Aktionstagen gewährleisten oder Kuchen anbieten. Es gibt viele Möglichkeiten, sich bei uns zu engagieren“, weiß Winter.

So wenig der gelernte Schreiner und Bautechniker auch über eigene Verdienste spricht, so oft erwähnt er seine gegenwärtigen Mitstreiter oder Urgesteine wie den verstorbenen Vereinsgründer von der Hocht oder den Schreiner Willi Hanenberg, der bei der technischen Umsetzung federführend war. Ein originalgetreues Holzmodell der Mühle, in das der heute 92-jährige Hanenberg satte 2.000 Arbeitsstunden steckte, steht heute im Museum in Linn. Die Leidenschaft, die seine Vorgänger an den Tag legten, kommt aber auch bei Winter durch, sobald er in dem alten Bauwerk steht. Voller Respekt und Begeisterung erklärt er uns die Technik und vor geballtem Müllerfachwissen schlackern uns bald die Ohren. Aber Winters Enthusiasmus ist ansteckend: Die klobigen Holzräder und -balken bilden einen tatsächlich beeindruckend filigranen Mechanismus, der enormes Geschick, Know-how und einen klugen Blick für Details offenbart. Wirklich jedes Teil hat seinen Sinn und Zweck. „Die Geismühle war ursprünglich ein Wachturm der Burg Linn. Dieser wurde irgendwann aufgestockt und dann 1575 zur Bannmühle umfunktioniert. Müller aus der Region waren gezwungen, hier zu mahlen. Einen Teil des Mehls durften sie selbst behalten, aber das meiste mussten sie abgeben“, taucht Winter tief in die Historie ein. Es ist ein eisiger Tag im Februar und man kann sich lebhaft vorstellen, unter welch harten Bedingungen hier vor hunderten von Jahren gearbeitet wurde. „Wir möchten dieses Erbe mit unserem Verein erhalten, um daran zu erinnern, wie unsere Vorfahren einst gelebt haben. Wir haben alles ganz bewusst so gelassen, wie es früher war und viele Gebräuche übernommen. So fetten wir die Lager noch heute mit Schweineflomen, statt mit Öl. Und wir haben festgestellt, dass es tatsächlich am besten funktioniert.“ Lediglich ein paar Lampen und Feuerlöscher erinnern daran, in welchem Jahrhundert wir uns befinden.

Am Sonntag, den 4. Mai, ab 14 Uhr wird die 450. Jubiläumssaison der Mühle mit Kaffee und Kuchen sowie Musik von der Schäng Blasius Flönz Rakete eingeläutet. Außerdem ist das Oppumer Schützentrommlercorps mit dem Schützenkönigspaar zu Gast. Ein ganz besonderer Tag ist auch der Deutsche Mühlentag am Montag, 9. Juni: Dann findet um 11 Uhr ein ökumenischer Gottesdienst statt und das Mühlenbrot wird ausgeteilt. Sonderführungen können aber auch immer außerhalb der sonntäglichen Aktionstage vereinbart werden. Bleibt zu hoffen, dass viele Krefelder sich aufraffen, um das historische Denkmal, an dem sie bislang immer nur vorbeigefahren sind, einmal wirklich kennenzulernen – und am Leben zu erhalten. Hans Winter, Franz-Josef von der Hocht und Willi Hanenberg und die Aktiven des Vereins würden sich gewiss freuen.


Sie haben einen persönlichen Krefelder Hero oder kennen jemanden, der sich ehrenamtlich engagiert und sich zum Wohle seiner Mitbürger einsetzt? Dann schicken Sie uns eine E-Mail und nominieren Sie Ihren Krefelder Hero! Wir freuen uns auf Ihre Vorschläge!


Bauverein Geismühle Krefeld-Oppum e.V.
Ansprechpartner Hans Winter
Telefon: 02151/546767
E-Mail: hakawinter@t-online.de

Sonntag, 04. Mai, 14 – 17 Uhr
Saisoneröffnung mit Kaffee und Kuchen
Musik: Schäng Blasius Flönz Rakete, Oppumer
Schützentrommlercorps

Spendenkonto: Bauverein Geismühle Krefeld-Oppum e.V.
IBAN: DE92 3205 0000 0000 0355 43
BIC: SPKRDE33XX
Sparkasse Krefeld

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