Modellschiffmuseum

Zeitreise ans Meer

Peter Kelms Modellschiffsammlung umfasst rund 120 Exponate, die er über die Jahre zusammengetragen hat – rund ein Drittel hat er selbst zusammengebaut.

Schiffe sind die ältesten Transportmittel der Menschheit. Auch wer nicht direkt am Meer wohnt, kommt an berühmten Namen wie Titanic, Santa Maria und Mayflower kaum vorbei – und spürt gleich den Wind um die Nase oder das Salz auf der Haut. Obwohl Peter Kelm mit der See nicht viel am Hut hat, packte ihn schon als Kind die Leidenschaft für Modellschiffe. Vor 30 Jahren eröffnete er in Krefeld ein maritimes Museum, das man vielmehr in Hamburg, Kiel oder Bremen vermuten würde. Fischkutter, Marineschiffe, historische Segler, Tragflächenboote und Dampfschiffe wechseln sich ab mit unzähligen Büchern, Muscheln und Schnecken. Dazu gibt es Geschichten, Nostalgie und vielleicht etwas Seemannsgarn.

Es ist noch immer ein Geheimtipp: Das Modellschiffmuseum liegt versteckt im Erdgeschoss eines Wohnhauses auf dem Nordwall 69, und auch die schlichte Internetseite versprüht den Charme der Neunzigerjahre. Tickets? Braucht man nicht. Moderne Bildschirme? Fehlanzeige! Doch sobald wir den Windjammer neben der Holztür hinter uns lassen, tauchen wir ein in eine Mischung aus Fernweh und Kindheitserinnerungen. Peter Kelm hat mittlerweile rund 120 Modellschiffe aus diversen Materialien und in verschiedensten Maßstäben ausgestellt – mit viel Liebe zum Detail, noch mehr Geduld und Ausdauer und teils kuriosen Geschichten über das jeweilige Schiff und seine Erbauer. „Ungefähr ein Drittel der Modelle habe ich selbst gebaut“, berichtet der 52-jährige Museumsbesitzer von seiner Passion. Der Rest verteile sich auf die Restauration von „Seelenfängern“, Fundstücken von Flohmärkten und vom Sperrmüll, sowie eingestaubten Schiffen, die mit großem Fingerspitzengefühl gereinigt werden müssten. „Meist handelt es sich um Sachspenden aus Sterbefällen, manchmal ist Platzmangel der Trennungsgrund“, begründet der gebürtige Krefelder die Herkunft der Exponate mit einem zurückhaltenden Lächeln.

Je länger wir uns unterhalten, desto mehr taut der Studienrat, der psychisch kranke Kinder und Jugendliche unterrichtet, auf – und man merkt, wie sehr ihm das filigrane Hobby ans Herz gewachsen ist. Vor dem Segelschulschiff Gorch Fock, geschaffen aus rund 50.000 Streichhölzern, liefert er die erste Anekdote ab: „An diesem Modell hat ein pensionierter Bergmann aus Essen gut eineinhalb Jahre gebaut.“ Seine Augen leuchten. Dass man die Leistung am Ende sehen könne, begeistert ihn. Angefangen mit dem Modellbau hat Peter Kelm bereits im Alter von zehn Jahren; Auslöser für das zeitintensive Hobby waren ein Urlaub am Lago Maggiore und ein Tragflächenboot im Schaufenster der Krefelder Hobbythek. Als die Sammlung von Modellschiffen über die Jahre auf 25 Stück angewachsen war, konnte er 1995 günstig zwei Räume in seinem Elternhaus „okkupieren“ und das private Museum eröffnen.

Das Modell des Segelschulschiffs Gorch Fock besteht aus rund 50.000 Streichhölzern.

Wichtig ist dem einst jüngsten Museumsbesitzer Deutschlands, dass es offen, transparent und zudem still zugehe: „Es gibt keine Glasscheiben, keine Absperrbänder – die Besucher können nah an die Modelle herantreten und auch mal ein Schiff in die Hand nehmen.“ Zudem sei der Ort für Menschen geeignet, die Autismus, Epilepsie, ADHS und andere neurologische Einschränkungen haben. „Es gibt keine Displays, Medienstationen, Musik oder andere Geräuschquellen. Auch die Beleuchtung ist kontinuierlich, sodass keine Reizüberflutung stattfindet.“ Ganz in Ruhe können wir beispielsweise den Ostindienfahrer Amsterdam betrachten, der seinen Weg nur zufällig in die Ausstellung gefunden hat, weil ein Mann wegen einer Autopanne vor dem Haus auf den ADAC wartete und das Museum bemerkte. Bei der HMS Royal Katherine weist Peter Kelm auf die feinen Ornamente hin, die aus Puppenstuben- und Ritterburgenzubehör der längst geschlossenen Bastelzentrale stammen. „Da steckt richtig Arbeit drin“, bemerkt der Hobbybastler voller Bewunderung, während wir an der Columbus-Flotte, 30 Modellen vom Bodensee – gut verpackt in einem Wohnmobil nach Krefeld transportiert – und einem fast zwei Meter langen Raddampfer vorbeischlendern, bei dem man kleinste Kartoffeln in der Kombüse entdecken kann.

Auch Muscheln, Seesterne und Schneckenhäuser gehören zur Sammlung.

Neben Schiffsmodellen, maritimen Bildern und einem Sortiment an Fachliteratur hat es vor zehn Jahren auch die Muschelsammlung eines Seniors in die Ausstellung geschafft. Mit dem Argument „Muscheln kleben doch unter den Schiffen“ ließ sich Peter Kelm damals überreden und ist nicht nur von der Vielfalt der Meeresbewohner angetan. „Seitdem finden mehr Frauen den Weg ins Museum“, freut er sich über die sinnvolle Ergänzung. Vor allem die Vitrine mit Schmuckstücken aus Muscheln sei beliebt. Und wieder lobt er die motorischen Fähigkeiten, um solche Schildkröten oder Schnecken zu fertigen. Auch wenn wir keinen echten Seebären angetroffen haben und kein Modell der Titanic bewundern konnten, verlassen wir diesen Glücksort mit einem wohligen Gefühl. Weil es den Hauch von Abenteuer und Romantik nämlich auch in Krefeld gibt, wenn man nur genau hinsieht.

Das barrierefreie Museum ist an jedem dritten Sonntag im Monat zwischen 10:30 und 12:30 Uhr geöffnet, der Eintritt ist frei.

Nordwall 69
47798 Krefeld
Telefon: 02151 – 614526
E-Mail: info@modellschiffmuseum.de
modellschiffmuseum.de

Fotos: Felix Burandt
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