Ulrich Franken

Wie wird man eigentlich… Tierbestatter?

Boxerrüde Hoss hat mit dem Bonanza-Helden nichts gemein – fungiert aber als wunderbarer Brückenbauer im Umgang mit trauernden Tierbesitzern.

Haustiere sind in Deutschland beliebt: 2022 lebten 34,4 Millionen Katzen, Hunde, Kleinsäuger und Ziervögel in deutschen Haushalten. Die tierischen Mitbewohner begleiten uns durchs Leben – als beste Freunde, gute Zuhörer und geliebtes Familienmitglied. Wenn die gemeinsame Zeit vorbei ist, können oder wollen wir sie nicht immer im Garten begraben oder zur gesetzlich vorgesehenen Tierverwertung bringen. Tierbestatter wie Ulrich Franken bieten mit Einäscherung und Erdbestattung respektvolle Alternativen an. Der Fischelner Jung fand seinen Traumberuf nach zig Jahren in der Stadtverwaltung – heute handelt er online mit Tierurnen und begleitet Menschen durch eine schmerzliche Trauerphase.

„Den eigenen Tod, den stirbt man nur, doch mit dem Tod der anderen muss man leben.“ Schon das Zitat der Dichterin Mascha Kaléko auf der Webseite zeigt, wie sensibel der Inhaber sein Institut für Tierbestattung auf die Bedürfnisse der Kunden ausgerichtet hat. Fast jeden Tag fährt Ulrich Franken quer durch NRW, um verstorbene Haustiere abzuholen und fachgerecht zu transportieren. Heute hat der Tierbestatter 90 Kilometer zurückgelegt, um pünktlich zum Interview in Traar zu erscheinen, wo sich sein Ausstellungsraum mit Tierurnen, Ascheschmuck und Tiersärgen befindet. Den ehemaligen Verwaltungsfachangestellten sieht man dem 59-Jährigen ein wenig an, er trägt ein dunkles Hemd unter dem dezenten Wollpullover, nur die robusten Schuhe verraten den Hundebesitzer. „Ich bin sieben Tage die Woche in Bereitschaft“, berichtet er mit ruhiger Stimme aus dem Joballtag und fasst seine Dienstleistung in warme Worte: „Es geht nicht um Geld, sondern um diese oftmals bedingungslose Liebe zwischen Mensch und Tier. Wer sich jahrelang um ein Tier kümmert, will sich am Ende auch würdevoll verabschieden. Ich helfe mit meinem Fachwissen und geleite Menschen durch den Trauerprozess.“

Als Kind habe er außer einer Schildkröte gar kein eigenes Haustier besessen, sagt er lächelnd, während er den ängstlichen Boxerrüden namens Hoss diskret ins Körbchen schickt. „Der Hund, der mit Hoss Cartwright aus der Fernsehserie Bonanza nicht viel gemeinsam hat, bereitet mich nicht nur auf den eigenen Schmerz vor, er ist auch ein wunderbarer Brückenbauer im Kundengespräch.“ Diese Mischung aus Empathie und trockenem Humor wirkt manchmal ungewöhnlich. Vor wenigen Wochen sei eine Familie mit zwei Kindern da gewesen, erinnert er sich. „Ein umfallender Stuhl hatte die kleine Katze getötet, sie waren total am Boden zerstört. Und dann kam Hoss die Treppe herunter, lief anschließend im Schneckentempo rückwärts wieder hoch – und alle mussten lachen.“ Es sind Anekdoten wie diese, die für Franken den Reiz am neuen Beruf ausmachen. „Ein wesentlicher Punkt meiner Arbeit ist emotional, ich will die Trauer um das Tier verstehen, aufnehmen und wandeln. Vieles im Leben hat einen Sinn, auch wenn ich ihn nicht auf Anhieb erkenne. Es gibt immer eine dunkle und eine helle Seite.“ Wie zur Bestätigung folgt ein kurzer Blick zur Buddhafigur im Garten.

Gefragt nach seinem Werdegang wischt der Tierbestatter über drei Jahrzehnte als Verwaltungsfachangestellter mit wenigen Sätzen beiseite: „Ich begann nach der Schule meine Ausbildung in Krefeld und hatte großes Glück. Häufig traf ich auf eine unmotivierte Kollegin, die wirklich jeden Tag stöhnte, dass sie so nicht arbeiten könne. Mir war klar, dass ich sofort aufhören will, falls es mir irgendwann genauso gehen sollte. Diesen Punkt erreichte ich nach 35 Jahren: Das Sachgebiet, in dem ich damals tätig war, sollte neu organisiert werden, das war aus meiner Sicht auf dem geplanten Weg nicht sinnvoll. Es war einfach genug.“ Der gebürtige Krefelder gibt seinen sicheren Job auf – zu dem Zeitpunkt ist er 53 Jahre alt und unkündbar. Statt an den Ruhestand zu denken, investiert er den Gegenwert einer Lebensversicherung in die Firma eines Freundes, fällt damit „auf die Nase“ und kauft von dem restlichen Geld einen Onlineshop für Tierurnen. Nur wenig später nimmt Franken den Bereich Tierbestattung dazu, weil er Menschen unterstützen und Trost spenden wolle. Bereut hat er die Entscheidung nicht, im Gegenteil: „Ich bin dankbar, dass es so gelaufen ist.“ Er lehnt sich entspannt zurück.

Angesichts von 1,4 Millionen Katzen und Hunden, die pro Jahr in Deutschland sterben, scheint der Beruf selten zu sein: Wikipedia geht von 180 Tierbestattern aus, dem Bundesverband der Tierbestatter sind rund 70 Mitgliedsbetriebe angeschlossen und 120 Tierfriedhöfe stehen zur Verfügung. Eine staatlich geregelte Ausbildung gebe es bislang nicht, betont Ulrich Franken und zählt drei Voraussetzungen für den Beruf auf: empathischer Umgang mit trauernden Tierbesitzern, organisatorische Fähigkeiten und umfangreiche Kenntnisse der gesetzlichen Vorgaben. „Außerdem braucht es die Genehmigung des Veterinäramts sowie eine Gewerbeanmeldung. Mit Amtsdeutsch und Verwaltungsabläufen kenne ich mich ja gut aus“, schmunzelt er und freut sich über die Befugnis, Tiere auch ins Ausland bringen zu dürfen, in ein niederländisches Krematorium. Der Profi rät Haustierbesitzern dazu, sich frühzeitig damit zu befassen, welche Möglichkeiten der Tierbestattung zur Verfügung stehen: „Diese Frage sollte man sich nicht erst stellen, wenn es zu spät ist, denn sonst werden in dieser stressigen Situation Entscheidungen aus Zeitnot oder Mangel an Alternativen gefällt, die später bereut werden könnten.“

In speziellen Tierurnen wird die Asche des geliebten Haustiers aufbewahrt.

Lässt man ein verstorbenes Tier beim Tierarzt, ist dieser gesetzlich verpflichtet, sich um die Entsorgung des Körpers zu kümmern. „In der Tierkörperbeseitigung wird das Tier mit anderen Tieren verarbeitet und durch Drucksterilisation erhitzt. Proteine und Fette werden voneinander getrennt und können später in der Industrie als Kraftstoff verwendet werden. Dies ist einerseits nachhaltig, aber für viele Tierhalter kein schöner Gedanke“, weiß Ulrich Franken. Die Variante Erdbestattung ist je nach Bundesland unterschiedlich geregelt. „Grundsätzlich muss ein Grab mindestens 50 Zentimeter tief sein. Das ist nur auf privaten Grundstücken und zugelassenen Tierfriedhöfen erlaubt, nicht jedoch in Wasserschutzgebieten.“ Hier sei der Vorteil, das Tier immer in der Nähe zu haben. Allerdings könne das Mitnehmen bei einem Umzug Probleme bereiten. Im Trend liege die dritte Bestattungsart, die Einäscherung: „Bei der Kremierung wird das Tier in einen bis 900 Grad Celsius heißen Ofen gelegt. Der Tierkörper zerfällt innerhalb von ein bis zwei Stunden zu Asche. Diese kann dauerhaft verwahrt, erd- oder seebestattet oder in der Natur verstreut werden. Man bleibt völlig flexibel!“

So nüchtern sich diese Beschreibungen teilweise anhören, so interessant sind die Geschichten, die der Tierbestatter erzählt: ein Leguan, der wegen der Schwanzlänge nicht in die ursprünglich geplante Transportbox passte, ein 30 Kilogramm schwerer Hund, der aus der zweiten Etage ohne Aufzug zum Auto getragen werden musste oder ein Hamster, dessen asiatischer Besitzer unbedingt bei der Kremierung dabei sein wollte – Franken vermittelt Einblicke in einen sinnstiftenden Beruf, der vielseitig, manchmal kurios und häufig schön sein kann. Ein Haken: Viele Tierbestatter sind rund um die Uhr erreichbar und müssen darauf achten, dass sie den Kummer ihrer Kunden nicht mit ins Privatleben nehmen. „Doch die Dankbarkeit der Haustierbesitzer ist es wert“, strahlt Ulrich Franken und steckt uns zum Abschied ein Leckerli für den Boxer zu. In einer Predigt über das oben zitierte Gedicht von Mascha Kaléko heißt es: „Die Liebe kennt keine Grenzen. Sie ist stärker als der Tod.“ Und das gilt für Menschen wie Tiere gleichermaßen.

 Fotos: Felix Burandt
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