Stadtmarketing

Rekord-Brunch auf dem Westwall

Eine Biergarnitur auf dem Westwall: Ein ungewohnter Ort für eine Pressekonferenz.

Düsseldorf hat die längste Theke der Welt und die Kö, Köln den Dom, München das Oktoberfest und das Hofbräuhaus, Berlin das Brandenburger Tor, Hamburg den Hafen und den Michel. Wahrzeichen, die jeder sofort erkennt. Zugegeben, Krefeld besitzt kein Bauwerk, dass eine ähnliche Strahlkraft hat, aber auch unsere Stadt verfügt über eine Besonderheit: die vier Wälle, die das Zentrum umschließen und im Namen alte Stadtmauern suggerieren. Diese Mauern hat es, wie wir wissen, nie gegeben: Die Wälle sind eine Kreation des Stadtplaners Adolph Vagedes aus dem Jahr 1817, der die Aufgabe hatte, die Grundlagen für eine bauliche Erweiterung Krefelds zu schaffen. Seit ihrer Entstehung vor über 200 Jahren haben sich die Wälle mit den städtischen Anforderungen stetig verändert. Wie sie in Zukunft aussehen könnten, möchte die Stadt im Jubiläumsjahr im Rahmen einiger Aktionen herausfinden – und hofft dabei nicht zuletzt auf die Mitwirkung und Kreativität der Krefelder Bürgerinnen und Bürger.

Stadtmarketing-Leiterin Claire Neidhardt.

Zwei Bierzelt-Garnituren auf dem Grünstreifen hinter dem Rathaus stellen einen eher ungewöhnlichen Rahmen für eine Pressekonferenz dar, machen aber sofort klar, worum es auf den vier Wällen in diesem Sommer gehen soll: „Wir werden das Stadtjubiläum dazu nutzen, die Wälle in ein Reallabor zu verwandeln, um über Veränderungen zu diskutieren, sie auszuprobieren und erfahrbar zu machen“, erläutert die Stadtmarketing-Leiterin Claire Neidhardt. Zugrunde liegen zwei bereits beschlossene Konzepte, das Mobilitätskonzept sowie eine Kulturhistorische Städtebauliche Analyse. „Das Mobilitätskonzept sieht eine Neuorganisation des Verkehrs vor: Ein-Richtungs-Verkehr, Tempolimit, Spuren für Radfahrer und ÖPNV sowie Wegnahme der Parkplätze“, geht Marcus Beyer vom Geschäftsbereich „Planung, Bau und Gebäudemanagement“ ins Detail. „Die Erkenntnisse der Kulturhistorischen Analyse gehen damit einher: Mit der Wiederherstellung einer durchgängigen Flaniermeile mit Aufenthaltsqualität möchten wir uns der Ursprungskonzeption wieder stärker annähern.“ Aber wie ließe sich dieser neu gewonnene städtische Raum konkret nutzen? Wie soll er aussehen? Was ist umsetzbar, was nicht? Gleich mehrere Projekte sollen diese Fragen beantworten.

Anna-Kristina Knebel, Fachbereich „Stadt- und Verkehrsplanung“.

Bereits seit Juni aktiv ist die #stadtsachen-App, an der sich Schulen und freie Projektträger beteiligen. „Kinder und Jugendliche können über die App Foto-, Video- und Sounddateien aufnehmen, Wege nachzeichnen und so ihre Stadtbeobachtungen teilen“, erklärt Anna-Kristina Knebel vom Fachbereich „Stadt- und Verkehrsplanung“. „Wir sind gespannt, wie Kinder unsere Stadt sehen, was ihnen gefällt und was sie vermissen.“ Die App ist zugangsbeschränkt, die Aufnahmen der Kinder unterliegen strengen Datenschutzbestimmungen. „Erwachsene“ Smartphones können hingegen im Zuge der „Zukunftsbilder“ gezückt werden: An vier Orten lässt sich mittels Augmented Reality und der Handykamera ein Blick in die Zukunft werfen. „Über das echte Stadtbild wird sich ein virtuelles Bewegtbild legen, das Gegenwart und Zukunft zusammenbringt. Ich bin selbst schon gespannt, wie das aussehen wird“, freut sich Knebel.

Jeder kann anpacken: Impressionen von der TRANSURBAN Residency in Bielefeld.

Den südlichen Abschnitt des Westwalls nimmt vom 21.08. bis zum 23.09. das Projekt TRANSURBAN Residency in Beschlag. Die NRW-weite Plattform für urbane Kunst und Stadtforschung, die in den vergangenen Jahren bereits in Gelsenkirchen und Bielefeld gastierte, wird den Mittelstreifen zwischen Südwall und Marktstraße in eine offene Experimentierfläche verwandeln. „Es geht darum, Wissen über den städtischen Raum und seine Nutzung zu produzieren, aber auch Dinge auszuprobieren und verborgene Potenziale zu entdecken. Wir freuen uns darauf, mit Anwohnern in Dialog zu treten und die Fläche gemeinsam zu bespielen. In den Projektzeitraum fällt auch der „Festi-Wall“ (16. – 22.09.): Wie beim Wochenmarkt werden der Mittelstreifen sowie die der Innenstadt zugewandte Fahrspur für eine Reihe von Veranstaltungen sowie zur freien Nutzung gesperrt. „Es wird unter anderem eine Wanderbühne und -küche sowie diverse Workshops geben“, beschreibt Neidhardt das Programm, „aber uns war es gleichzeitig sehr wichtig, den FestiWall nicht komplett durchzueventisieren. Anstatt zu viel vorzugeben, möchten wir die Besucher vielmehr dazu einladen, den Raum selbst zu entdecken und zu nutzen.“

Marcus Beyer vom Geschäftsbereich „Planung, Bau und Gebäudemanagement“.
Georg Barringhaus, Projektverantwortlicher der TRANSURBAN Residency.

Zum Höhepunkt der besonderen „Wallfahrt“ soll der 17.09. avancieren, an dem alle Wälle für den Autoverkehr gesperrt werden. Wer noch Kilometer fürs Stadtradeln sammeln möchte, sollte sich diesen Tag also im Kalender notieren. Aber auch so lohnt sich der Ausflug ins Zentrum, denn Mittelstreifen sowie Teilbereiche der Fahrspuren werden für Spiel, Sport und Trödel sowie für einen kulinarischen Weltrekordversuch genutzt werden: „Wir möchten den Weltrekord für den größten öffentlichen Brunch knacken“, gesteht Neidhardt ehrgeizig. „Dazu brauchen wir mindestens 2.000 Krefelder, die sich an den aufgestellten Bierbänken zum Picknicken niederlassen. Sein Essen kann jeder selbst mitbringen oder aber vorbestellte Brunchpakete an den dafür bereitstehenden Foodtrucks abholen.“ Vielleicht werden die vier Wälle als Weltrekord-Schauplatz also bald doch noch überregionale Berühmtheit erlangen. Aber viel wichtiger ist es ja, dass Krefeld seine vier Boulevards neu zu schätzen lernt – und ihre anstehende Verwandlung aktiv begleitet.

Zukunftsbilder: August bis September (verschiedene Orte)
TRANSURBAN Residency: 21. August bis 23. September (Westwall)
TRANSURBAN Preview: 30. Juni, 18 Uhr (Westwall)
FestiWall: 16. bis 22. September (Westwall)
Vollsperrung und Brunch: 17. September (Nordwall, Ostwall, Südwall, Westwall)

Information zum „FestiWall“, zur Bestellung der Brunchpakete und zur Trödelstandmiete ab Mitte Juli unter: krefeld.de/festiwall

Fotos: Luis Nelsen und Filip Fröhlich
Artikel teilen: