Die Folgen steigender Kosten für Energie und Lebensmittel sind auch in Krefeld nicht zu übersehen: Fast jeden Samstag versammeln sich immer mehr bedürftige Menschen vor der Dionysiuskirche, um Obst und Gemüse, ein ganzes Brot oder vielleicht eine Süßigkeit zu empfangen. Dazu gibt es ein freundliches Lächeln der zwei Dutzend ehrenamtlichen Mitarbeiter, die sich für die Initiative „das tägliche Brot“ engagieren. In Zusammenarbeit mit der Gemeinde, der Cityseelsorge und der Krefelder Tafel versorgt das Team über 900 Erwachsene und Kinder. Weil Einkommen oder Rente nicht reichen, sie ihre Heimat verlassen mussten oder den Job verloren haben. Leiterin Natalie Wappelt warf mit uns einen Blick hinter die Kulissen.
Ein Freitagmittag im März, mitten in der Innenstadt. Der Frühling lässt auf sich warten. Dass es draußen wie aus Eimern schüttet, stört das fleißige Team in der relativ kühlen Dionysiuskirche nicht. Gut gelaunt und konzentriert sortieren sechs Ehrenamtler kistenweise gespendete Lebensmittel, die für „das tägliche Brot“ vorgesehen sind und morgen an hilfsbedürftige Krefelder verteilt werden sollen. Es riecht nach überreifen Bananen und wir sehen eine noch wilde Mischung aus Konfitüregläsern, Raviolidosen, Toastbroten und polnisch beschrifteten Orangensaftpaketen neben Zwiebelsäckchen und ein paar Tomaten. Die bunten Boxen bilden einen starken Kontrast zu den hohen weißen Wänden.
„Oha, heute sind aber wenig Obst und Gemüse dabei“, bemerkt Natalie Wappelt mit traurigem Blick. Die Enttäuschung ist der 53-Jährigen, die im August die Leitung der Initative übernommen hat, deutlich anzusehen. „Seit dem Krieg in der Ukraine und der hohen Inflation ist die Zahl der Neuanmeldungen stark gestiegen. Wir versorgen aktuell 561 Erwachsene und 361 Kinder unter 16 Jahren“, beschreibt sie nüchtern die aktuelle Situation bei der Hilfsorganisation und schiebt ein weißes Blatt mit Zahlen und Fakten über den Tisch. „Gleichzeitig kalkulieren Supermärkte frische Ware immer knapper, wir erhalten weniger Spenden von Unternehmen und kaufen entsprechend viele Lebensmittel wie Nudeln, Reis oder Pulver für Kartoffelpüree dazu.“ Dies werde mit Spenden oder auch Zuschüssen aus öffentlicher Hand bezahlt. „Aber wir schätzen uns glücklich, einige sehr verlässliche private Spender an unserer Seite zu wissen.“
Vor ihrem Einstieg bei der Kirche hatte die Duisburgerin als Teamleiterin im Einzelhandel gearbeitet. Den Wechsel vom umsatzorientierten Unternehmen zur gemeinnützigen Tätigkeit bereue sie nicht: „Ich mag es, Menschen zu helfen und meine Erfahrung für die gute Sache einzusetzen. Und die Arbeit hier ist abwechslungsreich und wertschätzend.“ Ein vorsichtiges Lächeln schleicht sich auf ihr Gesicht. Neben Buchhaltung, Kassenführung und Bankangelegenheiten kümmert sich die Betriebswirtin um die Gästekarten für die samstägliche Ausgabe der Lebensmittel. „Aufgenommen werden Hilfsbedürftige, die in einer Wohnung des Postleitzahlbezirks 47798 leben. Alle anderen können sich bei der Zentralstelle des Tafel e.V. registrieren und einer Ausgabestelle zuordnen lassen“, heißt es sachlich auf der Webseite. „Unsere Gäste kommen aus Deutschland, der Ukraine, Türkei, Griechenland, Polen, Bulgarien oder Kenia“, weiß Natalie Wappelt. Darunter seien Geringverdiener und Rentner, die mit steigenden Energiekosten kämpften, Flüchtlingsfamilien und Arbeitslose. Für die Gäste ist das Erscheinen am Samstag verbindlich: Wer mehrfach unentschuldigt fehle, werde von der Liste gestrichen, um Platz für neue Bedürftige zu machen. „Zeitweise müssen wir sogar eine Warteliste anlegen“, so die Leiterin.
Gerade wird ein neuer Karton geöffnet: „Guckt mal, Vollmilchschokolade! Da werden sich die Kinder morgen freuen“, schallt es fröhlich aus dem Lager. Viele der mehr als 20 ehrenamtlichen Helfer sind schon seit über zehn Jahren dabei, oft waren sie vorher selbst Bedürftige. So wie Fahrerin Naima, die aus Syrien stammt und die Gefühlslage ihrer Gäste beschreibt: „Es ist ein Gemisch aus Scham und Dankbarkeit, mit dem man sich die Lebensmittel abholt. Wer ist schon freiwillig arm?“ Diese rhetorische Frage lässt uns kurz schlucken.
Sachspenden können immer freitags von 10:30 bis 15:00 Uhr und samstags von 12:45 bis 16:00 Uhr abgeliefert werden. Nicht erwünscht seien aber Kleidung, Geschirr und Tierfutter, betont Natalie Wappelt, als wir auf den Vorplatz der Kirche hinaustreten. Der Regen hat endlich nachgelassen, die Sonne blitzt zwischen den Wolken hervor. „Wir sind gesund, haben ein Einkommen und keine großen Sorgen, was auf den Tisch kommt“, verfolgt uns ein Gedanke auf dem Weg zum nächsten Termin. Vergessen wir nicht die Menschen auf der Schattenseite des Lebens!
Spendenkonto: „das tägliche Brot“
IBAN DE95 3206 0362 1015 4940 14
Fotos: Felix Burandt