Theater Krefeld

Die Physiker – Irrsinn, Groteske und Rollentausch

Anfang der 1960er-Jahre standen sich Ost und West bis an die Zähne bewaffnet gegenüber: Auf beiden Seiten genügend Atomwaffen, um die Welt gleich mehrfach auszulöschen. In dieser Situation schreibt der Schweizer Autor Friedrich Dürrenmatt seine dramatische Komödie „Die Physiker“, um auf die (Mit-)Verantwortung der Wissenschaft hinzuweisen. Dazu erzählt er die Geschichte von drei Physikern in einer psychiatrischen Klinik, die sich am Ende als nicht ganz so irre erweisen, wie es am Anfang erscheint.

Im Theater Krefeld und Mönchengladbach wird das Stück jetzt unter der Leitung von Regisseurin Maja Delinic auf die Bühne gebracht. Die Inszenierung zeichnet sich durch schrille Töne und bunte Farben aus. Die skurrilen Bewegungen der Schauspielerinnen und Schauspieler erinnern an Monty Pythons „Ministry of Silly Walks“. Eine weitere Besonderheit ist die Umkehrung der Geschlechterrollen. So lässt Delinic die drei Physiker von Schauspielerinnen spielen, während das weibliche Klinikpersonal von Männern dargestellt wird.

Leon Verstegen

Die außergewöhnliche Inszenierung trifft bei den Zuschauern auf gemischte Reaktionen. Allgemein gelobt wird ihre politische Aktualität. Für Leon Verstegen ist die Kernaussage des Stücks, die Verantwortung der Wissenschaft in der Moderne, durch den wiederaufgeflammten Konflikt von Ost und West aktueller denn je. Diese Botschaft wurde nach Auffassung der drei langjährigen Theaterbesucherinnen Ulrike Spannagel-Neuhaus, Monika Wiedehöft und Birgit Johst vor allem im zweiten Akt deutlich. „Da kam der ganze Irrsinn, der ganze Wahnsinn mit seiner bedrückenden Stimmung rüber“, stellt Wiedehöft fest. Und nach Meinung von Johst löst das Gespräch der drei Physiker im zweiten Teil die Ratlosigkeit des ersten Teils auf. Denn im ersten Teil hatte sich ihr der Sinn des Stücks nicht wirklich erschlossen: „Warum machen die das?“, stellte sich ihr die Frage.

Den drei befragten Damen war die Darstellungsweise auf der Bühne vor allem im ersten Teil etwas „too much“, wie Wiedehöft sagt. Ulrike Spannagel-Neuhaus erschien das Bühnengeschehen anfangs nahezu lächerlich und Birgit Johst empfand vor allem die „Verrenkungen“ der Bühnenakteure als zu albern. Ihre Ratlosigkeit konnte erst durch die ernsthafteren Passagen im zweiten Teil aufgelöst werden. Trotz aller Kritik wurde das Groteske als Stilmittel erkannt und gewürdigt: „In einer Welt, die so grotesk ist wie aktuell, brauchen wir die Groteske“, betont Verstegen. Und auch die Umkehrung der Geschlechterrollen fand Anerkennung: „Es zeigt, dass heute geschlechtsspezifische Merkmale nicht mehr zählen. Jeder kann alles machen“, erklärt Johst. Als passend zum Stück wurde auch das Bühnenbild empfunden. Das fanden sowohl Johst als auch Spannagel-Neuhaus „einfach klasse“.

Im Theater Krefeld wird Dürrenmatts Stück „Die Physiker“ bis Februar noch siebenmal gespielt. Die nächsten Vorstellungen sind am 16. November, 10. und 18. Dezember.
Infos und Tickets unter: theater-kr-mg.de
Telefon: 02151 – 805-125

Fotos: Michael Otterbein
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