Home Trail Krefeld e.V.

Ein Lifestyle-Sport wird erwachsen

Jens Nowicka, 1. Vorsitzender des Home Trail Krefeld e. V.: Die Strecke am Inrather Berg ist sein „zweites Kind“.

Unerschrocken muss man sein. Wer Angst hat, der steigt am besten gleich wieder vom Rad. Um die steilen Hänge am Inrather Berg auf dem Mountainbike sitzend oder stehend hinabzurasen, braucht es Mut und jede Menge Geschick. Ein bisschen Abenteuer, ein bisschen Nervenkitzel. Für gedankenloses Draufgängertum aber ist hier kein Platz. Die Frauen, Männer, Jugendlichen und Kinder des Vereins Home Trail Krefeld e. V. sind gewiss keine Anfänger. Gekonnt geht es auf den präparierten Pisten durch das kleine Waldstück. Sie stützen sich auf das Lenkrad, gehen aus dem Sattel und vollführen sogar waghalsige Sprünge, wenn sie die kleinen Rampen und Unebenheiten als Schanzen über Mulden nutzen. „Tables“, „Doubles“ und „Stepdowns“ nennen sie das hier. Die dicken Reifenprofile greifen in den erdigen Untergrund für den nötigen Halt, denn Geschwindigkeiten von 40 km/h sind bei ihren Abfahrten nicht selten.

Furcht haben sie keine. „Reine Kopfsache“, sagt Jens Nowicka, ein drahtiger Mann der ersten Stunde des Vereins und leidenschaftlicher Fahrer, der mit kräftigen Pedaltritten zum Termin erscheint. Für Leute wie ihn gehört die rasante Fahrt über Stock und Stein zum täglichen Entspannungsprogramm. Hier kommt der 44-Jährige zur Ruhe. Hier erholt er sich von den Mühen des Alltags, hier lässt er los und taucht ab in eine faszinierende Welt. So geht es tagein, tagaus nicht nur ihm als Vorsitzenden des Vereins, sondern auch den vielen Gleichgesinnten des Home Trail Krefeld e. V. Eine ganze Generation von Mountainbikern hat die eigens angelegten Routen am Inrather Berg mittlerweile aktiv erlebt, mitgestaltet und bis zur Perfektion befahren. Seit 1998 frönt eine noch immer für große Teile der Stadtgesellschaft unsichtbare Szene hier ihrer liebsten Beschäftigung, bis die Sonne hinter den Wipfeln des Waldes versinkt. Lange waren sie aus Sicht der Stadtoberen allerdings ungern gesehene Zeitgenossen. Vogelfreie. Immer wieder rissen die Forstarbeiter die sogenannten Trails ab, doch die Fahrer legten die Strecken kurzerhand wieder an. Sie gaben nicht nach. So ging das über viele Jahre. Erst verstoßen, dann geduldet. Heute haben die Mountainbiker an der Stelle ihre ganz offizielle Anlage. Seit Anfang 2017 sind sie ein eingetragener Verein. Bei einer Gartenparty wuchs einst die Überzeugung: „Wir müssen jetzt Nägel mit Köpfen machen und die Strecke legalisieren“, erinnert sich Nowicka an den Wendepunkt. Es folgte ein langer Schriftverkehr mit den Ämtern und dem Notar. Dann war es endlich vollbracht. Über sein gelebtes Hobby und den Verein kann der Krefelder heute fasziniert sagen: „Es steckt hier viel Herzblut drin. Das ist wie mein zweites Kind.“

Ob groß oder klein, alt oder jung: Die Begeisterung fürs Mountainbiking eint die Mitglieder des Home Trail Krefeld e. V.

Heute gehören mehr als 200 begeisterte Mountainbiker zum Verein, auch dank eines starken Zulaufs in den vergangenen Jahren. Allein 90 Jugendliche sind Teil der Gemeinschaft. Die Aktivität ist auch ein großes Stück Lebensgefühl. Die Szene wächst weltweit. Die sportliche Betätigung in der freien Natur abseits der Fußballplätze, Turnhallen und Laufbahnen ist längst angekommen in der globalen Sportfamilie. Seit 1996 wird sogar unter den olympischen Ringen um Medaillen gefahren. Mountainbiken ist heute kein bloßes Austoben für Heranwachsende mehr. Ein Stück Freiheit, verbunden mit etwas Wagemut und Ehrgeiz. „Ich war nie die Sportskanone“, erzählt Jens Nowicka, als er beim Gespräch mal ein paar Minuten ins Plaudern kommt. Mountainbike ist für ihn die perfekte Kombination aus Lifestyle und Sport geworden. Hier lernte er neue Leute kennen, trainierte auf den Strecken rund um den Inrather Berg und fuhr später seine ersten Rennen. Nowicka hat erlebt, wie sein Sport immer größer geworden ist über die Jahrzehnte. Die Anhängerschaft ist gewachsen, die Angebote bestehen heute für fast Jedermann. Mainstreamgerecht, könnte man ohne Wertung behaupten, um eine breitere Kundschaft abzuholen. Die Szene verteilt sich auf verschiedenste Disziplinen. Es geht nicht nur bergab, sondern auch durch unwegsames Gelände, es wird gesprungen oder gegen die Zeit gefahren. Die Industrie fertigt die entsprechenden Räder für extreme Belastungen an. „Jetzt ist der Sport erwachsen geworden“, nennt es der Vorsitzende Nowicka, der im Hauptberuf eigentlich als Gärtner in Vorst arbeitet. Selbstredend legt er den alltäglichen Weg zur Arbeit und zurück aus dem Krefelder Zentrum kommend auf zwei Rädern zurück. Nowicka ist ein Vielfahrer. Bis zu 500 Kilometer pro Woche, flache Strecken, aber auch Geländeritte, kommen bei ihm locker mal zusammen. Er scheut weder Wind noch Wetter, das versteht sich für ihn von selbst. Schon seit 1996 sitzt er im Sattel.

Mountainbike, das ist immer noch ein Individualsport. Klar, man trifft sich, plaudert, fachsimpelt, tauscht sich aus. Mal wird auch ein Bierchen zusammen geleert oder der Grill angeschmissen. Jens Nowicka vergleicht das Gesellige gern mit der Autotuner-Szene. Auf dem Rad allerdings, da „zelebriert man alleine“, sagt der 44-Jährige: „Jeder macht sein Ding.“ Freitags gibt es die Feierabendrunde. Da kommen gut und gern 15 Mountainbiker zusammen. Und da wären ja auch noch die Bautage, wenn neue Trails mit eigener Hand angelegt werden. In den vergangenen Wochen mussten auch Sturmschäden behoben werden. Städtische Stellen waren da jedoch die Partner bei der Wiederherstellung der Fahrtwege. So haben sich die Zeiten eben geändert.

Die Strecken von Home Trail Krefeld e. V. sind für Einsteiger wie auch Fortgeschrittene gemacht. Drei Pfade gibt es: „Old Daddy“ nennen sie die Wege mit der niedrigsten Schwierigkeit, „Stoneman“, die mit dem mittleren Profil. Ausgebuffte Fahrer nehmen „Phil’s Trail“, sie ist schwarz gekennzeichnet auf einer Info-Tafel im Waldstück, aber eigentlich auch nur eine kurze Extra-Route für die ganz Unerschrockenen. Bis zu 400 Meter lang sind diese schmalen und unebenen Pisten, allein 50 Höhenmeter werden auf der Abfahrt gemeistert. Ein guter Trainingsgrund, denn Männer wie Jens Nowicka haben auch eine lange Wettkampfhistorie hinter sich. Früher nahm er an Rennen in ganz Europa teil. Jedes zweite Wochenende war er dafür unterwegs. Der Ellbogen brach, dann auch mal das Schlüsselbein, was bei Radsportlern verhältnismäßig häufig passiert, bis sein Chef irgendwann sagte: Jetzt ist Schluss. Heute stellt er sich noch bestimmten Herausforderungen, fährt zum Beispiel eine bestimmte Anzahl an Höhenmetern pro Woche. Die Lust am Mountainbike-Sport kann man ihm nicht nehmen.

Sam Wrobbel ist Trainer und betreibt eine Mountainbike- Schule.

Das trifft auch auf seine Vereinsfreunde zu. Christian Berchem zum Beispiel mit seinem Sohn Maximilian, der mit seinen neun Jahren schon für die Abhänge geübt ist und wie der Vater mit Helm und Vereinskluft vorbeischaut. Berchem ist 37 Jahre alt, seit seiner Kindheit fährt er Mountainbike, war früher aber mehr auf flachen Straßen unterwegs. Bei Home Trail Krefeld e. V. ist der Hülser seit zwei Jahren aktiv. Auch seine Frau macht mit. „Es ist einfach ein schönes Familienhobby“, erzählt er. Es kommt sogar schon einmal vor, dass er noch vor der Arbeit am Morgen über die Pisten spurtet. Im Sommer macht er mit beim Event „Rad am Ring“, einem 24-Stunden-Rennen. Vier Vereinskollegen sind am Start und wechseln sich ab. Abends kommt auch Jugendleiter Sam Wrobbel mit einem Dutzend Jugendlicher zum Termin am Inrather Berg. Mehr als die Hälfte seines Lebens hat der heute 30-Jährige auf dem Fahrradsattel verbracht. Als Kind stand er am Fenster des Elternhauses und sah die Mountainbiker vorbeifahren. Jeder hier aus der Umgebung kennt die lange Geschichte des Berges, der eine Art mystische Anziehungskraft hatte auf die Generationen an Aktiven. „Es ist einfach ein gutes Miteinander hier im Wald“, erzählt Wrobbel über den Zusammenhalt der Szene. Seit 2004 ist er auch Trainer, betreibt eine nach ihm benannte Mountainbike-Schule. „Wir nehmen Rücksicht auf andere Ruhesuchende. Wir bemühen uns, keine Spuren zu hinterlassen.“ Das Erlebnis Natur, das große Umfeld, die Abwechslung der Sportart, die er wegen ihrer vielen Disziplinen mit der Leichtathletik vergleicht. Sam Wrobbel ist begeistert, er strahlt, wenn er über das Mountainbiken spricht. „Da gibt es einfach ein Mordspotenzial.“

Seine Schüler machen sich indes startklar für ein paar rasante Abfahrten und Sprünge für die Kamera. Ob klein oder groß – Angst vor einem Sturz haben sie hier keine, dafür aber jede Menge Spaß und Tatendrang. Das Surren ihrer Räder geht in der Waldesruhe fast ein wenig unter.

Home Trail Krefeld e. V.
Vorsitzender: Jens Nowicka
Bogenstraße 52
47799 Krefeld
Telefon: 0172 1566534
Email: info@home-trail.de
home-trail.de

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