Andreas Cavelius

Wie wird man eigentlich … Kantor?

Autobahnen, Würstchen, Oktoberfest und vielleicht auch die Mülltrennung – wenn wir darüber sprechen, was „typisch deutsch“ ist, fällt uns allerhand ein, mit Sicherheit aber vergessen wir sie: die Orgel. Mehr als 50.000 dieser Instrumente gibt es in Deutschland – die meisten weltweit. Auch Krefeld hat eine große Orgelkultur. Nicht nur ist die Dichte dieser besonderen Instrumente hier sehr hoch, in Hüls oder auch im Innenstadtbereich stehen einige wirklich außergewöhnliche historische Instrumente. Andreas Cavelius hatte mit ihnen in diesem Jahr viel vor. Im „Jahr der Orgel“ wollte der Regionalkantor und vom Bischof ernannte Kirchenmusikdirektor sein Lieblingsinstrument in etlichen Veranstaltungen in den Fokus stellen. Wie vielen anderen hat die Pandemie auch Cavelius einen Strich durch die Rechnung gemacht. Das ist schade, denn nicht nur verfügt die Orgel über eine außergewöhnliche Historie, auch der Beruf des Organisten ist speziell und verdient es, in den Fokus genommen zu werden. Unsere Reihe trägt daher in diesem Monat den Titel: „Wir wird man eigentlich… Kantor?“ – ganz im Sinne des Jahres der Orgel.

Als Andreas Cavelius im Teenager-Alter in seinem Heimatort den Abbau einer historischen Cavaillé-Coll-Orgel begleitete und die Orgelpfeifen anschließend zur Reinigung in einem klapprigen, alten Bus über die Grenze nach Frankreich fuhr, schwappte die Faszination auf ihn über: Schon in den 1970er-Jahren wusste der im Saarland geborene Mann, dass er einmal Kirchenmusiker werden wolle. „Die Entscheidung, Berufsmusiker zu werden, trifft niemand im fortgeschrittenen Alter“, erklärt er. „Für den Berufsweg ist eine intensive Beschäftigung mit dem Instrument notwendig. Damit fangen wir früh an.“ Die Aufnahmeprüfungen an den Hochschulen sind anspruchsvoll. Auch Cavelius widmete seine gesamte Freizeit schon als Schüler der Instrumentenkunde. Jeden Tag schwang er sich nach der Schule auf sein Fahrrad, um in der benachbarten Gemeinde Unterricht zu nehmen oder eigenständig am Instrument zu üben. 

Mit der Aufnahme an der Musikhochschule in Saarbrücken, damals mit rund 20 Mitstudenten, verwirklichte er sich einen Traum. Anschließend führte ihn sein Weg unter anderem nach Paris und Köln, um seine Fähigkeiten dort noch weiter auszubauen. „Die Orgel bietet unergründliche Möglichkeiten, sich zu entfalten. Die Ausbildung ist nie zu Ende“, beschreibt er. „Eine meiner Schülerinnen hat einmal versucht, herauszufinden, wie viele Klangkombinationen bei 40 Registern auf der Orgel möglich sind und ist dabei auf 240  Varianten gekommen. Versuchen Sie diese Zahl einmal auszuschreiben – es ist unmöglich.“ 

1987 kam Andreas Cavelius dann als Kantor nach Krefeld in die Dionysiuskirche, in der er bis heute wirkt. Er begleitete hier unter anderem hauptverantwortlich den Bau der Klais-Orgel, sein Lebenswerk, und holt regelmäßig viele internationale Gäste zu Konzerten in die Seidenstadt. Auch er selbst machte sich in der Vergangenheit für die Orgel auf in die weite Welt: Cavelius nahm unter anderen Qualitätschecks von Orgeln in Russland und China ab und spielte hier Konzerte. Seit vielen Jahren engagiert er sich außerdem in der Ausbildung von Organisten. Im Jahr 2018 wurde ihm vom Bischof des Bistums Aachen, Dr. Helmut Dieser, für seine Verdienste um die Kirchenmusik sogar der Titel „Kirchenmusikdirektor“ verliehen.

„Für mich ist die Orgelmusik ein wichtiger Teil des Gottesdienstes. Gerade die Coronapandemie, während der der Gemeindegesang in der Messe verboten oder nur unter Auflagen gestattet ist, hat die Bedeutung des Instrumentes für die Gottesdienstbesucher noch einmal besonders hervorgehoben“, schildert Cavelius. „Nachwuchs auszubilden, der diese Tradition trägt, die Liturgie kennt und versteht, ist für mich ein besonderes Anliegen.“ 

In der Kantorenausbildung unterscheiden die Experten zwischen der hauptberuflichen und der nebenberuflichen Ausbildung. Für die erste Variante verfolgen die Schüler auch heute noch einen ähnlichen Weg wie den, den Cavelius selbst ging: Früh beginnen sie damit, sich auf die Aufnahmeprüfung an einer der Hochschulen vorzubereiten, studieren anschließend Kirchenmusik und sammeln nach bestandener Prüfung vor einem mehrköpfigen Expertenteam Erfahrungen im Ausland. Die Absolventen können mit ihrem Abschluss nicht nur als Kantor in der Kirche arbeiten, sondern an Musikschulen unterrichten oder als Konzertorganist in Konzertsälen oder Sinfonieorchestern tätig sein. Sie sind die Crème de la Crème an ihrem Instrument. 

Anders als die Ausbildung an der Hochschule liegt der nebenberufliche Weg, die C-Ausbildung, nicht in staatlicher Hand, sondern in der Trägerschaft der Bistümer und Landeskirchen. Die Altersempfehlung liegt hier zwischen 16 und 59 Jahren. Es können sich also auch Schüler ausbilden lassen, die erst deutlich später mit dem Orgel-Spielen begonnen haben. Einmal im Monat treffen sich die Anwärter in der Gruppe, um in Fächern wie Chorleitung, Liturgische Grundkenntnisse oder Musikgeschichte unterrichtet zu werden. Einmal in der Woche besuchen sie zusätzlich den Einzelunterricht, unter anderem bei Cavelius, und verbessern ihre praktischen Fähigkeiten. Nach zwei bis drei Jahren wird die Ausbildung durch eine Prüfung abgeschlossen. 

„Als ich damals hier in Krefeld als Kantor angefangen habe, gab es rund 15 hauptberufliche Kirchenmusiker“, erinnert sich Cavelius. „Heute sind die Stellen auf sieben zusammengekürzt worden.“ Und deswegen, so schließt der Krefelder ab, sei es gut, dass es sowohl einen hauptberuflichen als auch einen nebenberuflichen Weg gäbe, seiner Leidenschaft zu folgen. Damit die Orgeltradition in Krefeld, aber auch in ganz Deutschland, weiter aufrechterhalten wird.

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1 Kommentar

  1. […] kein besseres Jahr, um den Beruf des Kantors vorzustellen, denn 2021 ist das Jahr der Orgel. Mit Andreas Cavelius lebt ein Mann in Krefeld, der dieses Instrument seit der frühen Kindheit lebt. Er ist nicht nur […]

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