Wie wird man eigentlich ...?

Hufschmied

Pling, pling, pling – es klingt ein bisschen wie Musik aus einem anderen Zeitalter, wenn Errol Wernike den dicken Schmiedehammer auf Eisen und Amboss niedersausen lässt. Während sein Blick konzentriert auf dem Hufeisen ruht, knistert im Hintergrund das Feuer im Ofen, in dem das zu schmiedende Material die entsprechende Temperatur erreichen soll. „Nach dem horizontalen Gewerbe ist mein Beruf wohl der älteste überhaupt“, sagt der sympathische Krefelder mit lauter Stimme in ausgelassenem Krieewelsch. „Unsere Arbeit ist vielleicht verfeinert worden, aber im Grunde arbeiten wir noch genauso wie vor 2.000 Jahren.“ Mit seinem besonderen Beruf reiht sich Errol Wernike in unsere monatliche Reihe „Wie wird man eigentlich…“ ein.

Arbeiten wie vor 2.000 Jahren. Am Beruf des Hufschmieds hat sich in den vergangenen Jahrhunderten wenig geändert.

Wenn andere Jungs nach der Schule die Tasche in die Ecke schmissen und in ihre Fußballschuhe schlüpften, zog es den Ur-Linner schon in den frühsten Kindheitstagen zur historischen Korn- und Ölmühle in der Nachbarschaft. Auf dem Mühlenhof war sein bester Freund Robert zu Hause und lebte den Kindheits-Bauernhoftraum. „Dort gab es alles, was das Jungenherz höherschlagen lässt“, erinnert sich Wernike. „Traktoren, Heuballen, alte Maschinen und eben Pferde.“ Wernike kann sich nicht mehr daran erinnern, wann ihn die Begeisterung für die Schönheit der Tiere ergriff, seine Eltern aber betonen noch heute: „Hat man Errol gefragt, in welche Schule er geht, hat er mit ,Reitschule‘ geantwortet.“

Tatsächlich begann der Linner die Reitschule fast im gleichen Alter wie die Grundschulkarriere. Als er einem Ritter beim Flachsmarkt als Knappe Lanze und Schild anreichen durfte, setzte dieser ihn anschließend auf den Traber. Kurze Zeit später nahm der Sechsjährige erste Reitstunden, mit zwölf Jahren bekam er sein erstes eigenes Pferd. „Damals galt das Reiten noch nicht als Breitensport und es war eher ungewöhnlich, dass man Kindern ein eigenes Pferd kaufte“, erinnert er sich. „Ich bin meinen Eltern dafür bis heute dankbar – erst als Erwachsener weiß ich zu schätzen, welchen Traum ich damals leben durfte.“ Fast gleichzeitig mit ihm bekamen noch zwei weitere Jungs im gleichen Alter ein eigenes Pferd geschenkt. Während die Mädchen die Pferdenarren umschwärmten, trafen sie sich jeden Tag im Stall, um die Tiere zu versorgen, zu misten oder bei der Strohernte zu helfen. Wernike genoss die Nähe zu seinem Rheinländer Tekéno, in dem er einen wichtigen Freund fand. Dabei betont er: „Ich bin kein guter Reiter, sondern eher Autodidakt.“ Über Tekéno begegnete er auch zum ersten Mal einem Hufschmied. Jeden achten Freitag kam der Schmied, um die Pferde zu beschlagen und jedesmal stand Wernike vor dem Zimmer seines Schuldirektors, um ihn zu bitten, eine Stunde früher nach Hause zu dürfen. „Das war so faszinierend für mich, was der Schmied da tat“, erinnert er sich heute und lacht. „Ich wusste sofort, dass ich das auch mal werden will.“

Nach dem Hauptschulabschluss entschied sich Wernike, eine Lehre zum Landmaschinenmechaniker zu absolvieren. Stellt heute eine beliebige abgeschlossene Berufsausbildung die Grundlage für die Ausbildung zum Hufschmied dar, wurde zur damaligen Zeit noch ein metallverarbeitender Beruf vorausgesetzt. Anschließend musste, das ist bis heute so geblieben, der fertige Azubi ein zweijähriges Praktikum bei einem Hufschmied absolvieren. Und dann folgte die rund fünfmonatige Staatsprüfung an einer der neun offiziellen Hufbeschlagschulen in Deutschland. „Die Prüfung ist vergleichbar mit einer Meisterschule und kostet leider auch ähnlich viel“, beschreibt Wernike. „Wer Hufschmied werden möchte, muss mit Zeit und Geld in Vorleistung gehen. Vielleicht ist das auch ein Grund dafür, dass chronischer Hufschmiedmangel in Deutschland herrscht.“

Wernike absolvierte die Ausbildung mit einem Fingerschnippen und machte sich un- mittelbar nach der Zertifizierung als staatlich anerkannter Hufschmied selbstständig. Mit nur 22 Jahren begann er, mit seiner fahrbaren Schmiede durch Deutschland zu touren. „Ich habe ein natürliches Gefühl für Pferde und bin einfach gut, in dem was ich tue“, erklärt er, ohne dabei arrogant zu wirken. „Heute betreue ich eine Welt- meisterin und Olympiasiegerin, ich habe Nationalreiter aus England oder Spanien als Kunden und bin auch immer wieder in Italien unterwegs.“ Zur Aufgabe eines Hufschmieds gehört es, das Pferd ganzheitlich zu betrachten. Es geht um viel mehr als um ein neues Hufeisen. Wernike beobachtet den Gang des Tieres, schaut nach Gelenken und Auffälligkeiten. Er muss wissen, wie ein Tier genutzt wird: Reitet es Dressur oder wird als Springpferd eingesetzt? Er schafft das Fundament, auf dem das Pferd gesund gehen kann. „Wir arbeiten in erster Linie orthopädisch“, beschreibt er. „Auch Einlagen für die Tiere fertigen wir an.“ All das passiert unmittelbar vor Ort, denn schon lange reisen die Pferdebesitzer nicht mehr mit ihren Lieblingen an, um sie versorgen zu lassen. Alle sechs bis acht Wochen besucht Wernike seine Kunden. „Ich habe inzwischen eine Warteliste, trotz zweier Mitarbeiter“, erklärt er. Vergeblich sucht er nach Verstärkung, hat bereits Anzeigen in Belgien und den Niederlanden geschaltet und hofft händeringend auf Bewerbungen. „Ich stehe jedem Interessenten als Lehrherr bereit“, erklärt er energisch – nur nicht am Sonntag. Dann nämlich ist Wernike zum Männerritt mit seinen Freunden verabredet. Ein Termin, der dem Familienvater heute noch genauso wichtig ist wie in seiner Kindheit.

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