Wenn es keine Behörden, Passkontrollen an Flughäfen und ähnliches gäbe, kämen manche Menschen nur mit ihrem Vor- bzw. Spitznamen sehr gut durchs Leben. Memo aus Fischeln, wahlweise auch „Meister Memo“ genannt, ist dafür ein Paradebeispiel. Mehmet Ak, so sein bürgerlicher Name, nennt ihn praktisch niemand. Im Stadtteil, aber auch darüber hinaus, ist der gebürtige Türke mit eigenem Friseursalon bekannt wie ein bunter Hund. Das liegt nicht zuletzt am Sport.
Ein früher Dienstagnachmittag in Fischeln. Im „Memo’s Haarstudio“ an der Hafelsstraße, im Erdgeschoss des hohen Mehrfamilienhauses kurz vor der Kreuzung Wilhelmstraße, ist ein ständiges „Klick-Klick- Klick-Klack-Klack“ zu hören. Routiniert kümmert sich der Inhaber um einen Stammkunden. Flink geht seine Schere durch die Frisur. Immer wieder unterbrochen durch ein kurzes Schlagen gegen den Kamm, um die abgeschnittenen Haare zu entfernen. Sachte trudeln diese zu Boden. „Noch zehn Minuten“, ruft der Friseur seinem Besuch entgegen. Stift und Block müssen sich also noch etwas gedulden, der Fotograf kann aber schon loslegen. Memo in action – die Fotos zeigen einen Mann, der seinen Beruf auch nach Jahrzehnten noch mit Leidenschaft ausübt. Dabei ist er ein „Barbier“ wie aus dem Bilderbuch. Bart und Haare sind natürlich perfekt gepflegt und akkurat gestutzt. Auf seiner schwarzen Weste ist eingestickt „Meister Memo“ zu lesen.
Der Beweis für die Richtigkeit dieser Behauptung hängt gleich hinter der Eingangstür: der Meisterbrief. 1996 bekam er ihn in Düsseldorf verliehen. Seine Ausbildung absolvierte er zuvor in der Landeshauptstadt, arbeitete danach als Angestellter in Willich und Krefeld. Seinen eigenen Betrieb (vormals Salon Immig) führt er inzwischen seit mehr als 25 Jahren. Dabei hatte es anfangs gar nicht danach ausgesehen, als würde sein Weg schnurstracks in dieses Handwerk führen. „Als Junge und junger Mann wollte ich eigentlich Polizist werden“, meint Memo. Seinen Kunden hat er inzwischen herzlich verabschiedet. Nun hat er etwas Zeit für ein Interview. Also: Was kam zwischen ihn und seinen ersten Berufswunsch als Freund und Helfer in Uniform? Memo zuckt die Schultern: „Es hat halt irgendwie nicht geklappt.“ Fest steht: Selbst als sogenannter Dorfsheriff hätte Mehmet Ak keine größere Popularität in seinem Lebensumfeld erlangen können. „Ich kenne tatsächlich ein paar Leute hier“, meint er. Das ist stark untertrieben. Memo ist eine Marke in Fischeln. Mit aller Welt ist er per Du. „Nennt dich überhaupt jemand bei deinem vollem Namen“? Kurzes Überlegen. Kopfschütteln. „Nö.“
Mehmet Ak kommt im Sommer 1967 in Subatan zur Welt. Das kleine Dorf liegt in der Zentraltürkei. Als bekannteste Stadt in der Nähe nennt der Krefelder Konya, weltberühmt für seine tanzenden Derwische. Mit fünf Jahren kommt er zusammen mit seiner Familie an den Niederrhein. In Willich wächst er auf, besucht die Grund- und die Hauptschule. „Nach einigen Stationen in meiner persönlichen Laufbahn als Dreher, Industrie-Stricker und Kfz-Mechaniker ergriff ich den Friseurberuf − eine Entscheidung, die ich bis heute nie bereut habe.“ Der Umgang mit Menschen, der direkte Kontakt zu seinen Kunden bereiten ihm viel Freude. Auch deshalb hat er sich sowohl als Fitnesstrainer als auch als Betreuer auf einer Kartbahn engagiert. „Parallel dazu bereitete ich mich in Abendkursen auf meine Prüfung zum Friseurmeister vor.“
Anschließend übernahm er den Friseursalon in Krefeld, in dem er zuvor als Angestellter gearbeitet hatte. Bis heute führt der dreifache Vater den Betrieb mit seiner Frau Semra. „Da mir besonders die Förderung des Nachwuchses am Herzen liegt, war ich aktives Mitglied des Gesellenprüfungsausschuss der Kreishandwerkerschaft Krefeld.“ Zusätzlich half er als Dozent an Schulen, dass junge Menschen sich diesem Beruf erfolgreich zuwenden. Und: „Rund 40 Azubis habe ich bis heute selbst betreut.“ Auch aktuell lernen angehende Gesellen bei ihm.
„1998 stellte ich mich einer neuen Herausforderung und sanierte einen zuvor insolventen Friseur-Salon, ebenfalls im Fischeln.“ Nach erfolgreichen drei Jahren verkaufte er ihn weiter. Einen zweiten Salon eröffnete er vor rund 20 Jahren in St. Tönis: „Er ist heute eine feste Größe in der Nachbarstadt.“ Sein hoher Bekanntheitsgrad in der Region Krefeld rührt aber vor allem aus seiner größten Leidenschaft: „Sport ist mein Leben“, sagt er – und meint es auch so. Von Kindheit an rennt er dem Ball hinterher und widmet sich auch anderen Disziplinen. Kickboxen und Wing-Tsun etwa betreibt er seit Jahrzehnten. In Meerbusch trifft er sich dazu regelmäßig mit Leuten ab 45. „Mir macht es vor allem Spaß, anderen Menschen etwas beizubringen“, sagt Memo. „Vielleicht hätte ich Lehrer werden sollen.“ Zumindest ist er Fußball-Jugendtrainer mit C-Lizenz.
Wenn ihn einmal das Sportfieber gepackt hat, kann er nur sehr schwer aufhören. „In der Tor-Fabrik konnte ich früher von einem Team zum nächsten gehen. Irgendwann waren dann drei Stunden rum und ich hatte am nächsten Tag einen schmerzenden Körper.“ Inzwischen hat er Tennis für sich entdeckt. Auch in dieser Disziplin strebt er schnelle Fortschritte an. Diese körperliche Ausdauer hilft ihm auch bei ausgelassenen Partys. „Ich bin meistens der erste und der letzte auf der Tanzfläche.“