„Video Killed the Radio Star“ hieß es vor gut vierzig Jahren, als die ersten Musikvideos über die Bildschirme flimmerten. Der Megahit der Buggles thematisierte gesellschaftliche Umbrüche durch die Verbreitung neuer Technologien. Doch dass sich Tradition und Moderne nicht ausschließen müssen, beweist der erst 27-jährige Simon Arens schon seit Jahren. Ob im Karneval oder Schützenverein, als Stadionsprecher beim KEV oder mit dem Podcast „KRieewel INSIDE“ – der charmante Krefelder ist stets neugierig, wortgewandt und gut gelaunt. Sein Geheimnis? Er liebt seine Heimatstadt, hat keine Angst vor neuen Herausforderungen und funktioniert am besten im Team. Und bleibt dabei einfach er selbst.
Die krieewelsche Aufforderung „Lott ens schwaade!“ muss man Simon Arens gar nicht zurufen, er ist an diesem Morgen schon putzmunter und sprudelt Details über seinen Lebenslauf heraus. Für Smalltalk oder gar investigative Fragen bleibt wenig Zeit, Zuhören ist angesagt. Doch das macht richtig Spaß, weil er viele Vertällekes zum Besten gibt und der niederrheinische Slang in der Stimme den Heimatort deutlich verrät. Kein Wunder, dass sich der sportbegeisterte Junge aus Verberg im Sommer als Stadionsprecher der Pinguine qualifiziert hat. Hauptberuflich arbeitet Simon als Kaufmann im Einzelhandel bei Intersport Borgmann, und dort sind wir auch verabredet – im Glaskasten auf der vierten Etage mit Blick über die Königstraße. Der Interviewort sagt viel aus über das gute Verhältnis zu seinem Chef Christoph Borgmann, denn es haben sich einige zeitintensive Nebenjobs angesammelt.
„Auch wenn ich 1995 zufällig in Düsseldorf geboren wurde, bin ich ein krieewelsche Jong“, erzählt Simon mit einem breiten Grinsen. Wo andere von Schulfächern und Lehrern reden würden, zählt er die Sportarten auf, die er als Jugendlicher betrieben hat: Rollhockey, Feldhockey, Eishockey, Rudern und Tennis gehören dazu. Die Frage, ob er sich nach der Schule ganz dem Leistungssport verschreiben sollte, habe er schnell verworfen: „Ein normales Leben und Freunde waren mir am Ende wichtiger – und die Dauerkarte beim KEV.“ Wieder ein schelmisches Grinsen. Dass bei Facebook Erinnerungen hochpoppten, berühre ihn oft sehr, gibt er mit einem intensiven Blick aus hellgrauen Augen zu: „Dann höre ich die Stimme des ehemaligen Stadionsprechers Kristian Peters-Lach und fühle mich sehr geehrt, in seine Fußstapfen treten zu dürfen. Er ist ein großes Vorbild für mich, was Moderieren und Bühnenpräsenz angeht.“ Die Einladung zum Casting für den neuen Stadionsprecher der Krefeld Pinguine sei ihm zunächst „eine Nummer zu groß“ vorgekommen. Aber seine Eltern hätten ihn bestärkt, diese Chance zu nutzen: „Probiere es aus, es ist kein Beinbruch, wenn es nicht klappt. Ansonsten kannst du viel lernen!“ Diese bodenständige Haltung wird uns noch häufiger begegnen.
Simon nimmt vor 100 geladenen Fans am Casting in der Halle teil. Er muss das Publikum begrüßen und fünf Minuten reden, außerdem eine Startformation mit Spielern aus verschiedenen Jahrzehnten bestimmen: „Ein Klacks.“ Als er die Pressevertreter bemerkt, fällt ihm auf, dass er seinen Chef gar nicht eingeweiht hat. „Ein Riesending war das. Und die Wahl fiel dann ja auf Patrick Kramp und mich als Sprecher-Duo. Ich habe noch am Freitagabend um halb neun bei Christoph angerufen. Er war ganz cool und sehr stolz auf mich.“ Die Freude darüber steht dem 27-Jährigen quer ins Gesicht geschrieben. Er erinnert sich an das erste Testspiel, bei dem er „natürlich nervös“ gewesen sei. „Ich war fasziniert von der schwarz-gelben Wand, die vom Eis aus gesehen noch beeindruckender ist. Die Lautstärke, das Adrenalin in den Adern und die Glücksgefühle haben die Anspannung schnell vertrieben“, analysiert er die Premiere, und seine Augen leuchten.
Dieser Posten sei, wie seine Arbeit bei Borgmann, für die Simon übrigens kein passender Jobtitel einfallen will, genau auf seine Stärken zugeschnitten. So kümmere er sich als „rasender Reporter“ überwiegend um Fans, Sponsoren und Netzwerke, während dem 17 Jahre älteren Patrick als „Einheizer“ der Platz am Sprechertisch gehöre. Mit witzigen Vlogs der Spieltage und besonderen Aktionen ist Simon in wenigen Monaten das „mediale Gesicht der Pinguine“ geworden. So bringe der große Mannschaftsbus auch mal Kinder aus einem Krefelder Kinderheim in die Arena. Das Ziel: „Mehr Transparenz schaffen: Wie arbeiten die Pinguine eigentlich? Unser Claim lautet schließlich ‚Familie. Heimat. Nähe‘.“ Auf den Mund gefallen ist er jedenfalls nicht, auch die Sprache der Marketingwelt beherrscht der Social Media Manager perfekt. Zudem wird ihm die langjährige Bühnenerfahrung als Karnevalist bei Creinvelt und der Prinzengarde sicher nicht schaden.
Der überzeugte Heimatkabarettist schmunzelt: „Mein Opa Franz-Josef erkannte früh, dass sein Enkel komisches Talent besitzt. Er schlug mir 2013 vor, unverbindlich eine Sitzung bei Creinvelt zu besuchen. Ich war der jüngste Teilnehmer, fand das Ganze auch etwas altbacken, aber die Bühne, die Technik, das Drumherum haben mich sofort fasziniert. Und der Bezug zu Krefeld. Denn die Gesellschaft ist seit 1927 dem Erhalt und der Förderung des Krefelder Brauchtums verpflichtet. Das gefällt mir, ich bezeichne mich schon als vaterstadtverbunden.“ Zwei Jahre später ist er nicht nur aktives Mitglied und Spouljong, ein Lehrling auf dem Weg zum Ratsherren, sondern auch sehr begeistert. „Ist ja total nett hier“, fasst er lächelnd zusammen. Und sucht sich einen Partner, der Platt spricht und als „bessere Hälfte“ mit ihm ein Bühnenprogramm gestaltet: Dominik Schramm. Seitdem ist das lustige Duo aus dem Karneval nicht mehr wegzudenken und erinnert fast an gemischte Doppel wie Holmes & Watson oder Laurel & Hardy. Am 10. und 11. Februar werden sie im Seidenweberhaus mit anderen Creinveltern „wohlwollend bis kritisch und stets mit einem Augenzwinkern das Geschehen in Krefeld“ beleuchten.
Damit sind wir längst nicht am Ende von Simons Beschäftigungsfeldern angelangt. Mitten im Lockdown 2020 kommt dem im besten Sinne Krefeldverrückten eine Idee: „Es gibt keinen Podcast über Krefeld. Das müssen wir ändern!“ Wieder ist es Dominik, der als Partner herhalten soll. Ein Telefonat, ein Brainstorming an der Theke im Nordbahnhof – nur zwei Wochen später geht die erste Folge von „KRieewel INSIDE“ online. Ohne journalistische Vorkenntnisse, aber mit Herzblut und Spaß haben die zwei in mittlerweile 52 Podcastfolgen Gastronomie, Wirtschaft, Kultur und insbesondere das Brauchtum unter die Lupe genommen. „Wir treffen Menschen, die nicht über Krefeld meckern, sondern machen“, resümiert Simon. Der Erfolg gibt ihnen recht: Auf Instagram gibt es mehr als 1.500 Follower, allein die Premiere hatte 1.700 Zuhörer. „Geplant hatten wir mit 100“, lächelt Simon dankbar. Wir fachsimpeln noch ein wenig über potenzielle Gesprächspartner, da klingelt sein Smartphone, die Arbeit ruft.
Auf dem Heimweg über die Blumenstraße fällt auf, wie liebevoll ein paar Anwohner die Gehwege bepflanzt haben. „Wenn alle etwas anpacken und nur ein wenig mitgestalten würden, wäre die Stadt viel schöner“, hatte Simon erst vor wenigen Minuten gesagt. Dafür brauche es meist keine Technik, nur eine positive Einstellung und Mut. Also: „Lott jonn!“
Fotos: Maximilian Mehlko, Luis Nelsen