Sozialwerk Krefelder Christen

Bock auf Kochen

Links: Geschäftsführerin Hella Saternus.

Eine ausgewogene und gesunde Ernährung ist wichtig. Diesen Satz dürften die meisten Menschen unterschreiben, viele leben auch danach. Aber was, wenn man so große Probleme hat – mit der Familie, in der Schule, mit den eigenen Ängsten –, dass man Essen und Trinken auf das Nötigste reduziert? Wenn man kaum mehr die Wohnung verlässt, um einkaufen zu gehen – oder vielleicht sogar gar kein Zuhause mehr hat? In solchen Fällen bietet das Sozialwerk Krefelder Christen eine gute Anlaufstelle. Seit dem vergangenen Jahr bietet es Jugendlichen und jungen Erwachsenen die Möglichkeit, zweimal pro Woche in Gemeinschaft zu kochen und zu essen. „Ma(h)lzeit“ heißt das Projekt an der Ispelstraße.

Sammy Y. hat seit mehr als drei Wochen nicht mehr die Schule besucht. Der 16-Jährige hängt fast den ganzen Tag in der Krefelder Innenstadt herum und schlägt die Zeit tot. Viel Geld hat er nicht. Seine alleinerziehende Mutter muss noch zwei weitere Kinder versorgen. Spätestens am 20. des Monats ist Sammys Geldbörse so leer, dass er in seinen geliebten Fast-Food-Restaurants nicht mal mehr einen kleinen Hamburger bekommen würde. Seine Kumpels leihen ihm auch nichts mehr, zu oft hat er sie schon angepumpt. Sammys Hunger wird von Stunde zu Stunde größer.

Sammy Y. ist eine fiktive Person. Doch sie steht stellvertretend für viele echte Schicksale in Krefeld. Nicht wenigen Jugendlichen und jungen Erwachsenen geht es sogar noch deutlich schlechter als dem fiktiven 16-Jährigen. Sie leiden unter psychischen Erkrankungen, waren schon in Haft oder haben keinerlei Kontakt zu ihrer Familie – oder sogar alles zusammen. „Nicht wenige trauen sich überhaupt nicht mehr unter Menschen“, erzählt Hella Saternus, Geschäftsführerin des Sozialwerk Krefelder Christen e.V. Die Einrichtung in katholischer Trägerschaft leistet Jugendberatung und Schulsozialarbeit. Seinen Sitz hat der Verein im ehemaligen Pfarrhaus an der Ispelsstraße, direkt neben der erst kürzlich entwidmeten Kirchen St. Martin. Im Quartier rund um die Kurt-Tucholsky-Gesamtschule, aber auch darüber hinaus, gilt das Sozialwerk als wichtigste Anlaufstelle für junge Leute bis 27 Jahre, die sich „abgehängt“ fühlen und kaum Perspektiven sehen. Ob Stress in der Schule, Arbeitslosigkeit oder Probleme in der Familie – das Team will unterstützen und Hilfe zur Selbsthilfe leisten. Dafür muss es zunächst das Vertrauen der Betroffenen gewinnen. Und das ist gar nicht so leicht, weil viele schon negative Erfahrungen mit Erwachsenen gemacht haben, wie Hella Saternus weiß.

Beim Projekt Ma(h)lzeit bekommen Jugendliche und junge Erwachsene die Gelegenheit, gemeinsam zu kochen und zu essen.

Eine Möglichkeit, in Kontakt zu treten und sich auszutauschen, ist das gemeinsame Kochen. Das Projekt Ma(h)lzeit wurde im vergangenen Jahr gestartet und hat sich bereits als Erfolgsmodell erwiesen. „Die Idee kam von einem Praktikanten, der im Rahmen seines Studiums der Sozialen Arbeit bei uns war“, erzählt die 52-Jährige. „Als gelernter Koch hatte er eine besondere Beziehung zu diesem Thema.“ Der Praktikant ist zwar nicht mehr da, dafür schwingen nun zwei erfahrene Kolleginnen von Hella Saternus die Kochlöffel – gemeinsam mit den Gästen.

Die Küche im ersten Stock ist nicht mehr die neueste, funktioniert aber noch wunderbar. Platz bietet sie für maximal 15 Köchinnen und Köche. Manchmal kommen nur fünf, manchmal zwölf oder mehr. „Am Monatsende, wenn das Geld weg ist, ist es immer voller“, sagt Hella Saternus. Auf der anderen Seite des Flurs wird zusammen gegessen. Und die Gerichte klingen nicht schlecht: Bisher gab es unter anderem schon gefüllte Paprika mit Feta, Königsberger Klopse, Spinatknödel, Hähnchen süß-sauer und gebackenen Kohlrabi. Auch ausgefallene Rezepte wie „Karamell-Sauerkraut“ werden umgesetzt. Das Angebot ist kostenfrei und verpflichtet zu nichts. Die jungen Leute können ohne Anmeldung ganz spontan vorbeikommen. Gekocht und gegessen wird dienstags von 12 bis 15 Uhr und freitags von 14 bis 17 Uhr. „Wer Bock auf eine gemeinsame Mahlzeit hat, ist herzlich willkommen“, betont Hella Saternus.

Wer lieber für sich bleibt, kann ebenfalls vorbeischauen: „Wir geben dann gerne eine Tüte mit Zutaten samt Rezept mit.“ Manchmal bringen die Gäste auch ihr eigenes Essen mit und brauchen nur einen Herd. „Ihnen wurde zu Hause der Strom abgestellt.“ Im Idealfall lernen die Jugendlichen und jungen Erwachsenen mit der Zeit, wie sie selbst gesund und kostengünstig kochen können. „Wir gehen auch zusammen mit ihnen einkaufen und zeigen ihnen, wie das Geld möglichst bis zum Monatsende reicht“, sagt Hella Saternus.

Sozialwerk Krefelder Christen e.V.
Ispelsstraße 8
47805 Krefeld
Telefon: 02151 – 392220
E-Mail: info@sozialwerk-kr-ch.de
sozialwerk-kr-ch.de

 Fotos: Lucas Coersten
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