
„Ich kann nicht mehr!“ Oder auch: „Ich brauche Hilfe!“ Das sind zwei Sätze, die kaum jemand gerne ausspricht. Das gilt für Männer und Frauen gleichermaßen. Niemand möchte gerne hilflos sein. Trotzdem gibt es auch Unterschiede im Umgang mit psychischen Erkrankungen. Andreas Fucken von der Klinik Königshof weiß, wie Männer ticken. Und wie man sie ansprechen muss, um ihnen zu helfen.
„Wenn Frauen merken, dass es ihnen psychisch schlecht geht, holen sie sich viel schneller Hilfe, reden mit einer Freundin oder einem anderen nahestehenden Menschen, während Männer Depressionen häufig anders als Frauen erleben, und sie daher oft nicht als solche erkennen“, benennt Fucken einen der wesentlichen Unterschiede. „Männer ziehen sich eher in ihre Arbeit zurück, sind reizbar und zeigen riskantes Verhalten wie exzessiven Sport, schnelles Fahren und Substanzmissbrauch.“
Das Aussagen wie „Frauen sind so und Männer sind so“ lediglich statistische Wahrscheinlichkeiten ausdrücken, ist dabei auch Fucken bewusst. „Es gibt Frauen, die sich eher ,klassisch männlich’ verhalten und Männer, die sehr gut in der Lage sind, um Hilfe zu bitten“, ergänzt er. Darüber hinaus spielten auch andere Faktoren eine Rolle, wie etwa die Generationszugehörigkeit. Das zeige zum Beispiel der Umgang mit Belastungen durch die Arbeit: Menschen in den Zwanzigern seien etwa zum überwiegenden Teil nicht mehr bereit, bis zur Überlastung zu arbeiten, während über 50-Jährige das oft noch als unvermeidlich betrachten. Grund dafür sind unterschiedliche Rollenbilder. Wobei diese für Andreas Fucken nichts an sich Schlechtes sind. „Sie bieten auch Orientierung, indem sie grundlegende Erwartungen und Verhaltensweisen vermitteln, und dem Leben so Stabilität geben. Fatal wird es erst, wenn Menschen selbst dann nicht aus ihrer Rolle können, wenn es ihnen immens schadet. Dabei werden Depressionen bei Frauen deutlich häufiger diagnostiziert als bei Männern, die öfter alles mit sich selbst ausmachen, bis wirklich gar nichts mehr geht!“

Aufgrund unterschiedlicher Grundeinstellungen nehmen Männer seltener Psychotherapien in Anspruch als Frauen – und wenn sie sich doch zu einer Therapie durchringen, haben sie meist mehr Vorbehalte, sich wirklich zu öffnen. „In der Gruppentherapie haben wir in der Klinik Königshof die Erfahrung gemacht, dass männliche Patienten häufig Angst haben, sich dort ,nackig’ machen zu müssen“, berichtet Fucken. „In der Gruppe habe ich schon mehrmals erlebt, dass Männer in einen echten Wettbewerb gerieten, wer am depressivsten ist, und erst durch gezieltes Nachfragen erkannten, dass das keinen Sinn macht. Bekommen männliche Patienten eine allein unlösbare Aufgabe, setzen sie dennoch zunächst alles daran, diese zu lösen, bevor sie erkennen, dass das nur in der Kooperation möglich ist. Viele Männer sind nach wie vor sehr wettbewerbsorientiert. Etwas nicht zu schaffen, weckt in ihnen die Angst, als Versager dazustehen.“
Das Thema Arbeit nehmen Männer meist ernster als Frauen und definieren ihren Selbstwert über ihre berufliche Tätigkeit. Umso schlimmer ist das, wenn sie in ihrer Arbeit keinen Sinn mehr erkennen können oder sich dort nicht wertgeschätzt fühlen. Für die Erkenntnis, wie sinnvoll ihre Arbeit vielleicht doch ist, benötigen sie einen Blick von außen. Den bekommen sie in der Gruppentherapie, wo andere Teilnehmer den Wert der Arbeit ihres Gegenübers oft sehr schnell erkennen. „Dann fallen Sätze wie: ‚Das ist doch super. Da machst du etwas sehr Wichtiges‘“, berichtet Fucken. „Auf diese Weise können sich Männer in der Therapie wohlwollend vergleichen und wunderbar gegenseitig helfen.“
Die Erfahrung zeigt: Aus einer psychischen Erkrankung wie einer Depression kommt man nur in kleinen Schritten heraus. „Es gibt fast nie die große Lösung, durch die plötzlich alles anders wird – und schon gar nicht die eine Lösung für alle und jeden“, ist Fucken überzeugt. „In den vier Wochen, die unsere stationären Patientinnen und Patienten meist hier in der Klinik sind, lernen sie, Mini-Schritte zu gehen, etwas zuzulassen und vor allem nicht zu bewerten“, fährt er fort. „Von 0 direkt auf 100 Prozent durchstarten zu wollen, ist nicht hilfreich. Aber die Fähigkeit, Stück für Stück aus dem Tief herauszukommen, ist sehr von der konkreten Persönlichkeit abhängig. Auch hier haben Frauen oft einen Vorteil, weil Männer eher den großen Wurf anstreben. Letztlich muss aber jeder seinen individuellen Weg gehen und eine neue Balance finden, die zu ihm oder ihr passt.“

Um sich auf den Weg raus aus einer psychischen Erkrankung zu machen, muss man(n) allerdings immer zunächst den ersten Schritt wagen: sich einzugestehen, dass man Hilfe benötigt. Der zweite Schritt ist dann, sich diese Hilfe auch zu holen. Dabei kann diese Hilfe bereits im persönlichen Umfeld, im Freundeskreis oder in der Familie zu finden sein. Ist das schwierig, ist ein Gespräch mit dem Hausarzt der nächste Schritt – er kann in der Regel Fachärzte oder stationäre Einrichtungen empfehlen. Auch Selbsthilfegruppen, die man zu fast allen Problemen im Internet findet, sind eine gute Möglichkeit. Oder man wendet sich an eine lokale Selbsthilfe-Kontaktstelle: Ein niederschwelliges Angebot ist der Männergesundheitstag 2025, der am 3. November in der Klinik Königshof stattfindet. Nach einem Vortrag zum Thema psychische Erkrankungen bei Männern wird anschließend gemeinsam gekocht und gegessen.
Die Klinik Königshof selbst bietet eine schnelle Terminvergabe in akuten Krisen. „Wer Hilfe braucht, kann jederzeit bei uns anrufen oder vorbeikommen – auch nachts oder am Wochenende“, erklärt Andreas Fucken. „Wird ein dringender Bedarf festgestellt, kann man sofort stationär aufgenommen werden. Alle, die bei uns anrufen oder klingeln, sind zum Glück schon wesentlich weiter als die vielen anderen, die weiter einsam leiden. Daher mein Appell: Überwindet euch! Vertraut euch jemandem an. Ihr müsst nicht alles mit euch selbst ausmachen. Sich Hilfe zu holen, ist keine Schande. Dabei kann man nur gewinnen!“
Notfallkontakt Klinik Königshof
Telefon: 02151 – 8233-6032 oder 0172 – 1697373
Selbsthilfe-Kontaktstelle Krefeld
Telefon: 02151 – 9619025
E-Mail: selbsthilfe-krefeld@paritaet-nrw.org
selbsthilfe-krefeld.de
Veranstaltungen zum Thema:
Aktion Männergesundheit 2025
Gemeinsames Kochen – Von Männern für Männer
Montag, 3. November, 15.30-19 Uhr
Anmeldung: info@klinik-koenigshof-krefeld.de
Telefon: 02151 – 8233-9996
Vortrag: Depression bei Männern
Mittwoch, 19. November, 16 Uhr
Keine Anmeldung notwendig
Fotos: Felix Burandt