Boule-Club Krefeld e.V.

Mehr als eine ruhige Kugel

Je suis bouliste: Bernd Ahrens und sein Lieblings-Sportgerät.

„Es werden Kugeln in den Dreck geworfen, um sie danach wieder einzusammeln.“ Das schrieb der Humanist François Rabelais im 16. Jahrhundert über Boule und die Klischees sind heute noch im Kopf: Ein Dorfplatz in Frankreich, etwas Rotwein und entspannte Menschen, die blank geputzte Metallkugeln so nah wie möglich an ein hölzernes Schweinchen heranspielen. Dabei wäre die Variante Pétanque 2024 fast olympische Disziplin geworden und auch in Krefeld steht der sportliche Aspekt im Vordergrund. Bernd Ahrens, 1. Vorsitzender des Boule-Club Krefeld e.V., zeigte uns, wie sich Wettbewerb und französische Lebensart unter einen Hut bringen lassen. Der Clou: Konzentration und Köpfchen!

Knapp 600 Kilometer liegen zwischen der Seidenstadt und dem Örtchen Deauville in der Normandie, das der Krefelder Boule-Club im Mai jeden Jahres besucht. Doch um französisches Flair zu spüren, reicht schon ein Besuch des idyllischen Vereinsgeländes an der Alte Gladbacher Straße. Versteckt zwischen Bahnstrecke, Kleingärten und einem Maisfeld finden wir mitten im Wald 21 unterschiedliche Trainingsbahnen unter Flutlicht sowie eine Boulehalle vor. An einem grünen Bauwagen hängen Kreidetafeln für die Ergebnisse und riesige Sonnenschirme behüten die gemütlichen Sitzgruppen am Rand. „Regen, Dunkelheit oder winterliche Temperaturen halten unsere rund 100 Mitglieder nicht vom Spielen ab“, schmunzelt Bernd Ahrens und drückt uns eine etwa 700 Gramm schwere Kugel in die Hand. Wir sollen sie mit einer geschickten Drehung des Handgelenks in hohem Bogen auf die mit feinem Splitt beschichtete Bahn werfen. Okay, wirklich weit kommen die ersten Versuche an diesem Morgen noch nicht.

Aus dem Handgelenk wird die Kugel im hohen Bogen an die Zielkugel herangeworfen.

Was im Urlaub so mühelos anmutet, sei mit „sehr viel Übung und sehr viel Technik“ verbunden, bestätigt der drahtige Ex-Handballer. „Bei uns kann jeder mitmachen, egal wie alt, wie groß, wie schnell oder wie stark. Es braucht Ballgefühl, Konzentration, Geschicklichkeit, taktisches Denken und sportlichen Ehrgeiz. Am besten fängt man schon als Jugendlicher mit diesem Präzisionssport an.“ Der Blick unter der hochgeschobenen Brille wird intensiver, seine 69 Jahre sieht man dem gebürtigen Krefelder nicht wirklich an. Die leichte Chinohose hat er lässig umgekrempelt, und auf dem Poloshirt prangt das Krokodil einer französischen Modemarke.

„Je suis bouliste“, sagt Bernd Ahrens trocken und zieht mit dem Fuß Striche und Kreise in den Sand, um Boule – als Oberbegriff für alle Kugelspiele – und die Variante Pétanque zu erklären. „Die Grundidee ist immer gleich: Eine oder mehrere Kugeln müssen möglichst nah an einer kleinen Zielkugel platziert sein. Der Hauptunterschied liegt im Anlauf: Während er bei einigen Arten Pflicht ist, steht der Spieler bei Pétanque beim Abwurf mit geschlossenen Füßen in einem Abwurfkreis. Der Kaufmann Jules Lenoir soll diese Spielart 1910 in der Provence erfunden haben, weil er wegen Rheuma die Anlaufschritte nicht mehr machen konnte. Geschlossene Füße heißt auf Südfranzösisch ‚ped tanco‘ – voilá: Pétanque.“ Französischkenntnisse schaden hier jedenfalls definitiv nicht: Beim Tête-à-tête geht es eins gegen eins, im Doublette wird zwei gegen zwei gespielt und bei Triplette treffen drei Spieler auf drei Kontrahenten. Es gibt Leger (frz. Pointeur), die versuchen, die Kugel so präzise wie möglich an die Zielkugel heranzulegen, und Schießer (frz. Tireur), die gegnerische Kugeln wegstoßen wollen.

„Wie bei jeder anderen Sportart wird in Ligen gespielt“, weist der erfahrene Sportler und vierfache Landesmeister auf die Wettkampforientierung seines Vereins hin. „Wir haben sechs Mannschaften in verschiedenen Spielklassen. Unsere ‚Erste‘ peilt den Aufstieg in die Regionalliga an, die dritthöchste deutsche Spielklasse. Das sportliche Training reizt auch neue Mitglieder, und für mittwochs haben wir mit Ludger Roloff sogar einen auswärtigen Trainer aus Aachen engagiert.“ An zwei Wochentagen wird trainiert, dazu kommen die „Rangliste“ am Dienstagabend, das samstägliche „Boule à deux heures“ und Turniere am Wochenende. Bis zum 11. September können Anfänger noch bei der Aktion „Sport im Park“ mitmachen und den Charme des Spiels selbst erfahren. Denn nicht nur laut Webseite bietet der Sport „alles, was man sich wünschen kann: Bewegung an der frischen Luft, Gespräche mit netten Leuten, spannende Spiele und, wenn gewünscht, sportlich anspruchsvolle Wettkämpfe.“

Bernd Ahrens spielt bereits seit 1987 und ist immer noch begeistert von der Mischung aus Sport und Gemeinschaft. Seine Lieblingsvariante ist Doublette: „Spielt man schon längere Zeit mit einem Partner zusammen, weiß man, was man voneinander erwarten kann.“ Auf seinem Notebook zeigt er Fotos der Qualifikation für die Landesmeisterschaft, die im Juli mit 160 Teilnehmern stattfand: „Diese Konzentration auf den Gesichtern zu sehen, ist absolut faszinierend.“ Der Boule-Club Krefeld feiert im nächsten Jahr sein 30-jähriges Bestehen. Eine ruhige Kugel? Mais non!

bouleclub-krefeld.de/

Fotos: Niklas Breuker & Florian Haerdle
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