HTC Blau-Weiß Krefeld

Freunde fürs Leben

Über seinen Verein kann der heute 80-Jährige stundenlang erzählen. Er schwingt immer noch den Schläger und kümmert sich um die Zusammenstellung der ersten Herrenmannschaft.

„Elf Freunde müsst ihr sein.“ Der Titel des erfolgreichen Jugendbuchs aus den Fünfzigerjahren, das die Geschichte einer Berliner Fußballmannschaft erzählt, wurde in Deutschland schnell zum geflügelten Wort, das überall Anwendung fand, wo Sportler gemeinsam für den Erfolg kämpften. In heutigen Zeiten, in denen Vereine Gehälter und Ablösesummen im dreistelligen Millionenbereich zahlen und Sportler ihre Vereine fast so häufig wechseln wie ihre Unterwäsche, erscheint die Idee einer verschworenen Gemeinschaft nahezu hoffnungslos naiv. Doch es finden sich immer wieder Beispiele dafür, was möglich ist, wenn Menschen zusammenhalten und sich füreinander einsetzen. Ein Beispiel ist der HTC Blau-Weiß Krefeld. Dass er in diesem Jahr sein hundertjähriges Bestehen feiern kann, liegt längst nicht nur an seinen unbestreitbaren sportlichen Erfolgen, sondern vor allem daran, dass er stets an seinen Werten festhielt. Hajo Ploenes, seines Zeichens dienstältestes Vereinsmitglied und Teamchef der ersten Herrenmannschaft, nahm uns mit auf eine kleine Zeitreise.

Auch in der Vereinschronik entdeckt man den kleinen Hajo.

Es ist ein heißer Sommertag, doch unter den uralten Bäumen, die ihren Schatten über die Anlage am Stadtwald werfen, ist es angenehm kühl. Hajo Ploenes kommt mit dem Fahrrad angeradelt, nimmt auf einer der bereitstehenden Bierbänke Platz und bestellt erst einmal etwas zu trinken. Wann immer jemand vorbeiläuft, grüßt er den Achtzigjährigen, der stets freundlich zurückgrüßt. Ploenes ist hier zu Hause: Ein bisschen wie Boris Becker auf dem Centre Court von Wimbledon, den er liebevoll „sein Wohnzimmer“ nannte. Von den 100 Jahren Vereinsgeschichte, hat Ploenes immerhin 75 aktiv begleitet. Er war gerade fünf Jahre alt, als er 1948 gemeinsam mit seinen Eltern und seinem Bruder Rainer Mitglied wurde. „Die Anlage am Stadtwald war im Krieg zerstört worden und so spielten wir in den ersten Jahren bis zum Wiederaufbau am Neuer Weg“, erinnert sich Ploenes. Tennis, daraus macht er keinen Hehl, war damals eine Sportart, die den Besserverdienenden vorbehalten war, anders als in den späten Achtzigerjahren, als der „weiße Sport“ durch die Erfolge Beckers und Steffi Grafs in Deutschland zum Massenphänomen avancierte. „Was den HTC aber immer auszeichnete – neben der schönen Anlage am Stadtwald –, war der Gemeinschaftssinn“, versucht Ploenes die Essenz seines Vereins in Worte zu fassen. „Hier ist jeder willkommen, keiner ist außen vor. Wenn man sich begegnet, grüßt man sich. Das ist etwas, das auch von den Vorsitzenden so vorgelebt wird.“

Natürlich spielt auch der sportliche Erfolg keine ganz unwichtige Rolle für den Status des HTC: Als Gründungsmitglied der Tennis-Bundesliga konnte der Club immer auch namhafte Spieler aus der ATP-Weltrangliste anlocken, in den Neunzigerjahren etwa den Schweden Magnus Larsson, die ihrerseits Nachwuchs und natürlich Zuschauer anzogen. Wenn der Ligabetrieb im Juli wieder startet – im Jubiläumsjahr leider nur in der 2. Bundesliga –, werden so pro Spieltag immerhin 900 bis 1.000 Tennisfans auf der Anlage erwartet. Die Zusammenstellung der Herrenmannschaft teilt sich Ploenes, der sein Amt als 1. Vorsitzender vor einigen Jahren gesundheitsbedingt niederlegte, mit seiner Tochter Claudia und Coach Sascha Klör: „Es ist nicht einfach, gute Spieler zu begeistern und sie vor allem zu bezahlen“, erklärt er. „Gerade deutsche Spieler sind deutlich teurer als vergleichbare ausländische Tennisprofis.“ Trotzdem ist er sich sicher, wieder ein schlagkräftiges Team auf die Beine gestellt zu haben. Die Tenniscracks wohnen während der zweimonatigen Saison im Krefelder Hof – was vor allem Ploenes‘ Ehefrau freut: „Früher brachte ich die Spieler tatsächlich privat bei uns im Haus unter. Doch irgendwann sagte meine Frau zu mir: ,Hör‘ mal, Hajo! Ich glaube, wir werden zu alt für diese jungen Leute, wir haben uns doch gar nichts mehr zu erzählen!’“, lacht der Pensionär. „Ich bin meiner Frau so dankbar, dass sie meine Verrücktheit immer mitgetragen hat.“

Hajo Ploenes, auch „Mr. Bundesliga“ genannt, ist mit 75 Jahren Vereinszugehörigkeit das älteste aktive Mitglied des HTC Blau-Weiß.

Ein bisschen verrückt ist es auch, dass „Mr. Bundesliga“, wie er im Verein genannt wird, auch im stattlichen Alter von seiner Leidenschaft nicht lassen kann und weiter im Ü80-Team zum Racket greift. Nur eine der insgesamt 35 Mannschaften, auf die sich die ingesamt 560 Mitglieder aufteilen. Sechs Plätze sowie ein Kleinfeld und ein Kinderspielplatz stehen neben dem Clubhaus mit der ansprechenden Gastronomie zur Verfügung. Nicht viel, wenn man weiß, dass ein deutscher Tennisverein im Schnitt etwa einen Platz pro 50 Mitglieder bereithält. Ob es den Zusammenhalt vielleicht sogar stärkt, wenn alle etwas enger zusammenrücken müssen? Soziale Verantwortung ist ein wichtiger Baustein der Vereins- philosophie. Den Vorwurf des Elitarismus, der bei Tennisvereinen immer ein wenig mitschwingt, braucht Ploenes gar nicht lautstark entkräften, er lässt lieber Taten sprechen. Gerade erst hat der HTC in den vier nahe gelegenen Grundschulen eine erfolgreiche Aktion gestartet: „Wir haben Kindern der Altersklassen 6 bis 9 fünf Wochen kostenfreies Training angeboten – natürlich in der Hoffnung, sie für den Verein zu gewinnen“, berichtet er. „Erhofft hatten wir uns davon etwa 25 Anmeldungen der Schulen, doch die Resonanz hat uns völlig überwältigt: 76 Kinder haben das Angebot in Anspruch genommen!“ Genauso wichtig wie der Nachwuchs ist ihm das Thema Inklusion. So veranstaltet der HTC zusammen mit dem CSV Marathon ein großes Inklusionsturnier, bei dem 30 Inklusionskinder mit 30 anderen Kindern zusammenspielen. „Die Freude, die dabei hier über die Anlage schwappt, ist unbeschreiblich“, schwärmt Ploenes und seine Augen leuchten. „Und natürlich gibt es dabei nur Gewinner.“ Fehlt zum Glück eigentlich nur noch der Wiederaufstieg der Herren in die Erste Bundesliga. Doch so entscheidend ist das gar nicht. Es geht um etwas anderes. Ploenes hat in einem Dreivierteljahrhundert Zugehörigkeit zum HTC Blau-Weiß viele Freunde gewonnen und Freundschaften gestiftet. Und er denkt noch nicht ans Aufhören.

HTC Blau-Weiß Krefeld e.V.
Hüttenallee 70
47800 Krefeld
Telefon: 02151 – 531860
E-Mail: info@blau-weiss-krefeld.de
blau-weiss-krefeld.de

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