Alles um uns herum besteht aus chemischen Verbindungen – entgegen der heute verkaufskräftig behaupteten Unterscheidung ist ja die Natur selbst nichts anderes als Chemie. Die Erforschung dieser Verbindungen, ihrer Zusammenhänge und Funktionen fasziniert die Menschen bereits seit dem Mittelalter, denn schon seit den frühen alchemistischen Zeiten lag in deren Verständnis stets auch die Chance für eine bessere Zukunft. Milica Lukic, die bei Evonik Superabsorber für Prozessentwicklung und Digitalisierung verantwortlich ist, arbeitet ebenfalls daran, mit altem Wissen neue Möglichkeiten zu erschließen.
Ihr Werdegang liest sich wie der gelebte europäische Traum. Aufgewachsen ist Milica Lukic in Kragujevac, der viertgrößten Stadt Serbiens, die stark von der Autoindustrie geprägt ist. Hier arbeiteten beide Eltern als Ingenieure, sie förderten ihr Interesse an den Naturwissenschaften. Nach zwei Jahren Studium der Chemie in Belgrad zog es die ehrgeizige junge Frau in die Ferne. „Ich habe in meiner Heimat drei Kriege erlebt“, erinnert sich die sonst quirlige Lukic ernst, „und die Perspektiven in der Industrie waren schlecht.“ Gleich findet sie aber ihr Lachen wieder, als sie ihre damals ungewöhnliche Entscheidung darlegt: „Alle wollten nach Westen, ich ging stattdessen weiter in den Osten, nach Sofia!“ An der Universität der bulgarischen Hauptstadt konnte sie ein Bachelorstudium in Partnerschaft mit der Technischen Universität Hamburg absolvieren, bei dem sie gleichzeitig den bulgarischen und den deutschen Abschluss machte. Seit sie damit 2005 nach Deutschland kam, ist sie auch hierzulande herumgekommen: ein Masterstudium der Verfahrenstechnik in Aachen, eine erste Anstellung bei Evonik in Marl, während der sie jedoch auf eine Führungsposition in Hanau vorbereitet wurde. „Ich lebte für sechs Monate jede Woche zwei Tage in Hanau, zwei Tage in Darmstadt und einen Tag in Marl. Das war anstrengend, aber ich habe mir dabei auch ein tolles Netzwerk aufgebaut“, betont die 42-jährige. Jetzt lebt sie mit ihrem Lebensgefährten in Düsseldorf, seit sie vor fünf Jahren ihre heutige Position in Krefeld antrat.
„Chemie ist das, was knallt und stinkt“, heißt es im Volksmund, für Milica Lukic ist die Stofflehre viel mehr. „Chemie ist nicht weniger als das Verständnis der Welt“, schwärmt sie von ihrem ersten Studienfach. In ihrem beruflichen Alltag knallt und stinkt es nicht mehr, doch ihr fundiertes Grundwissen über Laborvorgänge ist noch immer entscheidend für den Erfolg ihrer Tätigkeit. Denn um die Herstellungsprozesse bei Evonik zu optimieren und sinnvoll zu digitalisieren, muss sie diese selbstverständlich umfassend verstehen; die fachlichen Kenntnisse sind jedoch nur ein Teil ihrer Aufgabe. „Kommunikation ist extrem wichtig“, unterstreicht die aufgeschlossene Chemieingenieurin, „denn das Stichwort ‚Digitalisierung‘ ist nicht nur positiv besetzt, wir müssen hier auch mögliche Sorgen berücksichtigen. Schlussendlich geht es darum, den Kollegen in der Produktion maßgeschneiderte Lösungen zu bieten, die ihre Arbeit erleichtern.“ Dass Computer und künstliche Intelligenzen einmal sämtliche Arbeitsbereiche vollständig übernehmen werden, glaubt Lukic nicht, stattdessen sieht sie die Technik als Hilfsmittel: „Die jahrelange Erfahrung liegt als ein Schatz analogen Wissens in den Köpfen unserer Kollegen. Die Arbeitswelt verändert sich jedoch beständig, und mit der Digitalisierung wird auch die Weitergabe dieses Wissens an die jungen Kollegen wesentlich erleichtert.“ Nicht nur zwischen der analogen und der digitalen Welt vermittelt Lukic in ihrer Position. Sie arbeitet mit allen Abteilungen zusammen, vom Innovationsmanagement über das Labor, der Produktion bis zur IT; dabei ist die Weltoffenheit der Kosmopolitin sicherlich ein großer Vorzug.
Dass ihre serbische Herkunft in ihrem charmanten Akzent noch immer herauszuhören ist, empfindet Milica Lukic dabei nicht als Makel. „Ich stehe zu mir mit allen meinen Facetten. Dazu gehört meine Sprache, meine Liebe zur Chemie und zum Ingenieurswesen, aber auch meine Weiblichkeit“, beschreibt sie ihre Lebenseinstellung und erklärt eindringlich: „Wir Frauen sind vielfältige Wesen, deshalb müssen wir auch den Mut haben, nicht in Schablonen zu passen! Wir können Naturwissenschaften und Technik lieben, Führungsrollen einnehmen und gleichzeitig unsere feminine Seite ausleben.“ Sie selbst ist lebendiges Beispiel, dass diese unterschiedlichen Aspekte nicht im Widerspruch miteinander stehen. In Aktionen wie dem Girls‘ Day und Organisationen wie den Leading Ladies in Town sieht sie die Chance, dem wissenschaftlichen Nachwuchs Vorbilder, vor allem aber berufliche Möglichkeiten aufzuzeigen. „Wenn Kinder, Mädchen und Jungen gleichermaßen, mit unterschiedlichen Bereichen in Berührung kommen, machen sie ihren Weg“, ist Lukic überzeugt. Als engagierte Tante tut sie privat ihr Übriges: Ihrer Nichte hat sie kürzlich einen Chemiebaukasten geschenkt, speziell zur Herstellung von Parfum. „Als ich mit dem Studium anfing, war das mein großer Traum, mein eigenes Parfum herzustellen“, gesteht sie verschwörerisch. Denn nicht nur, was knallt und stinkt, auch das Wissen von Wohlgerüchen ist nichts anderes als Chemie.
Smart Ladies in a Leading Town
Die Entwicklung Krefelds hin zu einer smart city benötigt die weibliche Perspektive. Mit diesem Ziel trafen sich 40 Frauen und Männer am Samstag, 22. April, in der VHS zu einem inspirierendem Impulsvortrag durch Professorin Dr. Caroline Richter und zwei Workshops zu „Erwartungen an die Smart-City-Strategie Krefeld“ sowie konkret an „E-Health“. Das jüngste Zusammentreffen des Netzwerkes hat sehr konkrete Anregungen an Krefeld Business für ein „smartes Krefeld“ erarbeitet, um die Geschlechtersensitivität zu präzisieren. Dank an den Gastgeber Dr. Thomas Freiberger und Thomas Müller sowie Workshop-Leitung Professorin Gudrun Stockmanns und Markus Lewitzki.
Auf dem Laufenden bleiben: linkedin.com/company/llit-krefeld
Mitmachen: llit-krefeld.de/kontakt
Fotos: Felix Burandt