Tierheim Krefeld

Haustier-Aktionismus: Wohin mit den „Lockdown-Vierbeinern?“

Was ist das beste Mittel gegen Einsamkeit? Genau: Gesellschaft. Unglücklicherweise waren soziale Kontakte in den vergangenen Monaten eher die Ausnahme als die Regel. Eine Alternative musste her, zum Beispiel die Anschaffung eines Haustiers. Nicht die schlechteste Idee, könnte man meinen. Studien belegen die positive Wirkung von Tieren auf die physische und psychische Gesundheit von Menschen. So erzeugt das Streicheln eines Hundes oder einer Katze die Ausschüttung von Glückshormonen. Schon die bloße Anwesenheit von Tieren habe laut Wissenschaft einen beruhigenden Effekt auf den Menschen — wenig verwunderlich also, dass sich viele Leute insbesondere in Corona-Zeiten nach einem Haustier umschauen. 

Frank Schankat, Leiter des Tierheims Krefeld, beobachtet diese Entwicklung kritisch. Der 61Jährige freut sich zwar über das große Interesse an den Vierbeinern, sieht aber auch die negativen Folgen des neuen Haustier-Aktionismus. „Viele können Haustier und Beruf nicht miteinander vereinbaren. Mit dem Homeoffice sehen die Leute aktuell eine Chance, sich endlich ein Tier anzuschaffen — aber das ist teilweise zu kurzfristig gedacht“, mahnt er. „Die Menschen sehnen sich nach Normalität und suchen deshalb nach Ablenkung, um der negativen Grundstimmung im Lockdown zu entkommen“, fährt er fort. „Das ist zwar nachvollziehbar, aber sicher kein Grund, sich unbedacht ein Tier ins Haus zu holen, von dessen Bedürfnissen man überhaupt nichts versteht. Für ein Tier zu sorgen, bedeutet mehr, als es zweimal täglich zu füttern und eine Runde um den Block zu spazieren. Vielen ist das leider nicht bewusst“. Sobald die Corona-Maßnahmen gelockert und die Homeoffice-Möglichkeiten wieder reduziert werden, landen viele der erworbenen Tiere dann im Tierheim. 

Um genau das zu vermeiden und sicherzustellen, dass Tiere ausschließlich an verantwortungsbewusste Halter vermittelt werden, nimmt das Krefelder Tierheim alle Interessenten ganz genau unter die Lupe. „Wir führen mit jedem, ein langes und intensives Gespräch, um herauszufinden, welche Motivation hinter der Anschaffung steckt“, versichert der Leiter des Tierheims. Er und sein sechzehnköpfiges Team achten mit Argusaugen darauf, dass nur solche Interessenten ein Tier anvertraut bekommen, die langfristig mit den Vierbeinern planen und ihnen ein stabiles und sicheres zu Hause bieten können. „Wer ein Tier aufnehmen möchte, muss uns eine Selbstauskunft vorlegen können, aus der hervorgeht, dass die finanzielle Situation des Interessenten eine artgerechte Haltung überhaupt zulässt. Außerdem achten wir sehr genau auf die Wohnsituation der  Übernehmer. Ein ausgewachsener Schäferhund beispielsweise hat nichts in einer 50-Quadratmeter-Wohnung im vierten Stock verloren“, überspitzt der Tierheimleiter. 

Schankats klare Haltung kommt nicht von ungefähr: Seit Pandemiebeginn beobachtet das Krefelder Tierheim, dass immer mehr Hunde, Katzen und Kaninchen abgegeben werden. So hat sich die Zahl abgegebener Kleintiere im Krefelder Tierheim seit dem ersten Lockdown mehr als verdoppelt. Dabei haben nicht alle den Anstand, die Tiere persönlich abzugeben: „Häufig werden Tiere vor dem Tierheim angebunden oder in Kartons abgestellt, sodass wir sie am nächsten Morgen dort finden“, berichtet der Tierheimleiter. „Das ist zwar nicht schön, aber deutlich besser, als die Tiere einfach draußen auszusetzen“. Ein weiteres Problem, das Schankat Kopfschmerzen bereitet: Social Media und Online-Verkaufsplattformen sind in den vergangenen Monaten zum Umschlagplatz für Kaninchen, Katzen und Hunde, insbesondere Welpen, geworden. Das lukrative Geschäft lockt allerhand unseriöse Anbieter an: „Illegaler Welpenhandel wird zunehmend zu einem großen Problem“, mahnt Schankat besorgt.

Die teils überzüchteten Tiere haben in der Regel keine gültigen Impfpapiere und werden wortwörtlich aus dem Kofferraum verkauft. Transporter und LKW aus Osteuropa bringen die Tiere über die Grenze und bieten sie hier zum Kauf an. „Wenn die Käufer dann früher oder später feststellen, dass sie mit dem Tier nicht klarkommen, es ihnen zu aufwändig wird oder die Tiere krank sind, gibt es zwei Optionen: ab ins Tierheim oder online weiterverkaufen“, erklärt Schankat ernüchtert. „Die ‚Schlechten‘, Tiere mit gesundheitlichen Einschränkungen oder mit Verhaltensauffälligkeiten, landen bei uns — die Guten werden online verkauft“, fügt er kopfschüttelnd hinzu. Hier läge laut Schankat der große Irrtum verborgen: „Die Leute denken, ein Tier aus dem Tierheim sei nur halb so gut. Das ist natürlich Unsinn. Jedes unserer Tiere ist mit gültigen Papieren ausgestattet, medizinisch untersucht und hinsichtlich seiner Sozialverträglichkeit eingeschätzt. Diese Sicherheiten hat man bei Schwarzmarktkäufen nicht. Abgesehen davon“, ergänzt Schankat, „haben die Tiere im Tierheim so viel Liebe zu geben. Deshalb wollen wir, dass jedes von ihnen ein schönes Zuhause und eine fürsorgliche Familie findet. Das ist unser Antrieb.“

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