KFC Uerdingen

Das Ende einer Zweckehe

Wenn die Liebe in einer Partnerschaft schwindet, dann sagt man sich auch mal schonungslos ins Gesicht, was man vom jeweils anderen wirklich denkt. Einige Anhänger des KFC Uerdingen, aber auch der scheidende Hauptinvestor Mikhail Ponomarev, haben sich diesbezüglich im Januar gegenseitig klar zu verstehen gegeben, dass man in Zukunft lieber getrennte Wege geht. Die Einen fühlten sich im Stich gelassen, der Andere nicht genügend wertgeschätzt – zwar nicht von den Fans, aber von Stadtverwaltung und Politik. Enttäuschte Hoffnungen auf zwei Ebenen wurden da artikuliert. „Nie mehr Diktatur“, forderte eine Fangruppe auf einem der vielen Spruchbänder am Zaun der Grotenburg. „Lügen haben dicke Bäuche“ eine andere. Schmähungen gegen den Patron, der wenige Tage zuvor den Standort Krefeld und den Club in Misskredit gebracht hatte: „Der KFC ist kein attraktives Investment. Was haben wir? Eine Drittliga-Lizenz. Das ist alles“, schimpfte der Unternehmer aus Meerbusch, als er über die schwierige Suche seines Nachfolgers sinnierte.

Nach anfänglicher Euphorie herrschten am Ende von Ponomarevs
Amtszeit Katerstimmung und Entfremdung.
Foto: Stefan Brauer

Womit er durchaus einen wunden Punkt traf. Der Club besitzt so gut wie keine eigene Infrastruktur, dafür aber eine Menge von ihm persönlich gutbezahlte Fußballer. Der KFC ist seit Jahren überall nur ein Gast, aber nirgends wirklich zu Hause. Kein eigener Trainingsplatz, kein eigenes Stadion, kein Clubhaus für die Mannschaft von Trainer Stefan Krämer. Ein Nomadenleben. Dazu machte dem Impresario zuletzt wohl auch die Pandemie finanziell zu schaffen. Auf der Infoveranstaltung für Mitglieder, bei der Ponomarev sich mit großer Mehrheit die Erlaubnis einholte, seine Geschäftsanteile in der GmbH an einen Nachfolger zu übergeben, schleuderte er den Zuschauern wegen der insgesamt hohen Ausgaben noch entgegen: „Wer soll das bezahlen? Niemand!“ Ein Antrag auf ein Insolvenzverfahren in Eigenverwaltung folgte in den Tagen danach.

Ein Streitpunkt in der jüngsten Vergangenheit war der Umbau der Grotenburg in ein drittligataugliches Stadion gewesen, die nun wie eine Ruine neben dem Zoo liegt. Der Stadtrat hatte wegen erheblich gestiegener Mehrkosten von 10,5 auf 16,7 Millionen Euro den Daumen vorerst gesenkt. Mit Kritik am zögerlichen Tempo der Sanierung und der insgesamt schlechten Trainingsbedingungen in Krefeld hielt sich Ponomarev nie zurück. Auch mit dem Stadionbetreiber der Düsseldorfer Arena, DLive, lieferte sich der KFC zuletzt einen öffentlichen Zwist samt gegenseitiger Schuldzuweisungen wegen nicht gezahlter Mieten. Die eine oder andere Niederlage erlitt der KFC mit Ponomarev nicht nur auf dem Rasen, sondern auch vor dem Arbeitsgericht gegen ehemalige Spieler und Trainer wegen nicht überwiesener Gehälter. Bestes Beispiel: Weltmeister Kevin Großkreutz erstritt sich eine Nachzahlung von 442.500 Euro.

Die Wochen im Januar waren wie ein Schlussstrich des russischen Geschäftsmanns unter ein gut fünfjähriges Engagement. Bis 2018 ging sein Plan durchaus auf. Geld versprach Erfolg, als es noch gegen Feierabend-Fußballer ging. Er ließ die Fans träumen von einer goldenen Zukunft, die an die glorreiche Vergangenheit der 1980er-Jahre anknüpfen sollte. Es sah so aus, als könnte das Märchen fortgeschrieben werden, wären da nicht die Unwägbarkeiten der 3. Liga gewesen. Der hohe Wettkampfcharakter, dazu verglühte Sterne wie Großkreutz oder Dominic Maroh. Symbole einer verfehlten Personalpolitik. Die Mannschaft heute ist jünger, hungriger auf Erfolg, aber noch in der Entwicklung. Für sie und ihren Trainer Stefan Krämer geht es nun nur noch um Schadensbegrenzung in Zeiten des Übergangs. „Wir tun das, was wir beeinflussen können. Wir kümmern uns um Fußball“, sprach Krämer, als um ihn und das Team schon die Erde bebte.

Für Ponomarev, der den Club mit harter Hand und eigener Moralität regierte, war der KFC immer die Aussicht auf ein Millionen-Geschäft gewesen. Lukrativ sollte es in der 2. Liga werden. Für Sentimentalitäten oder Liebedienerei blieb da wenig Platz. Die von ihm gegründete GmbH trägt den Namen „KFC Uerdingen Entertainment“ – was genau das ungeschminkt vermittelt, was es sein sollte: Unterhaltung für die Kunden, das Publikum. Die Zweckehe wird nun beendet. In den Fängen der Mäzene befindet sich der Club schon seit über zwei Jahrzehnten. Der Blick in den Abgrund ist den Schlachtenbummlern dabei nicht fremd. Mit dem Rückzug Ponomarevs steht der KFC mal wieder am Scheideweg, wie schon 2002, 2005 und 2007, als der Club jeweils seine eigene Zahlungsunfähigkeit eingestand. „Das tut mir in der Seele weh“, hat die Uerdinger Legende und der Rekordspieler des Vereins, Friedhelm Funkel, vor ein paar Tagen über die verfahrene Situation gesagt. Es müsse in Zukunft eine Ansammlung von Krefelder Geschäftsleuten her, die den Verein neu aufbauen, statt eines einzigen Investors. Für diesen Fall bot er seine Mithilfe an.

Das Schicksal als Traditionsverein mit großer Vergangenheit, der seine Gegenwart jedoch auf Provinzbühnen fristet, teilt der KFC mit anderen klangvollen Adressen des deutschen Fußballs. Die 3. Liga ist eine reine Zuschuss-Klasse. Geld verdienen lässt sich in ihr kaum. Dafür aber verspricht der Blick aufs Tableau jede Menge Nostalgie: Dynamo Dresden, 1860 München, Hansa Rostock, 1. FC Kaiserslautern, MSV Duisburg. Allein der KFC kommt auf 14 Jahre im Fußball-Oberhaus. Die letzte Spielzeit in Deutschlands höchster Spielklasse ist im kommenden Sommer jedoch 25 Jahre her. „Ich kann den KFC nicht aus meinem Herzen streichen“, sprach Ponomarev als letzte Worte auf der Infoveranstaltung. Das gleiche Bekenntnis zu ihm wird heute nicht mehr allzu vielen Fans über die Lippen kommen.

Fotos: Stefan Brauer
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