Zur Brust und Keule vom Perlhuhn mit Süßkartoffel streut Oliver Jacoby auch ein bisschen asiatisch gewürztes Popcorn von einer Manufaktur aus Kamp-Lintfort auf den Teller. Die traditionsreiche „Birne Helene“ wird schon mal mit selbst gemachtem Yuzu-Kaviar verziert. Das sind kleine Kügelchen, gefüllt mit dem Saft einer japanischen Zitrusfrucht. Allzu abgedreht sollen die Gerichte im „Hundert10“ aber nicht daherkommen. Die Betreiber legen Wert auf eine „hochqualitative und verständliche Küche“. Die gelingt ihnen exzellent. Das Risotto vom Krustentier mit Garnele, grünem Spargel und Jakobsmuscheln beispielsweise ist ein Augen- und Gaumenschmaus. Allein die perfekte Konsistenz von Reis und Jakobsmuschel lässt die souveräne Professionalität am Herd erkennen.
Seit Anfang Juni bereichern Oliver „Olli“ Jacoby und Pascal Litzke auf ihre ganz spezielle Art und Weise die Krefelder Gastroszene. Mit dem ehemaligen Café-Restaurant „Parkschlößchen“ im Talring 110 (daher der Name ihres Restaurants) haben sich die beiden Köche, die am liebsten nur mit ihrem Vornamen angesprochen werden, eine ebenso bekannte wie ungewöhnliche Immobilie ausgesucht. Mit ihrer lockeren Art und den zahlreichen Tätowierungen bilden sie einen interessanten Kontrast zu der historischen Villa am Hülser Berg. Dazu passt, dass sich gleich neben dem Gast-raum der Showroom des Rennrad-Spezialisten Jedi Sports befindet. Einige der Bikes hängen als Hingucker über den Köpfen der Restaurantbesucher. Maximal 25 Leute finden an den sieben Tischen Platz. „Wir wollen genügend Zeit für jeden einzelnen Gast haben“, erklärt Pascal die Philosophie des Hauses. Hinzu kommt, dass das Duo den Betrieb derzeit fast ausschließlich allein stemmt. Ollis Schwerpunkt liegt auf der Küche, während Pascal den Service übernimmt. Dabei können sie trotz ihrer jungen Jahre – Pascal ist 36, Olli 28 – auf einen beachtlichen Erfahrungsschatz zurückgreifen.
Pascal, der aus Magdeburg stammt, startete seine Karriere im österreichischen Skigebiet Ehrwald an der Zugspitze. Ab 2010 absolvierte er seine Ausbildung im berühmten Hotel Bayerischer Hof im Herzen Münchens. „Unter den kritischen Augen von Steffen Mezger“, wie er sagt, gewann er erste Einblicke in das mit einem Michelin-Stern ausgezeichnete Restaurant „Atelier.“ Im Anschluss ging es zunächst ins „Lido“ am Starnberger See und danach für vier Jahre nach Saint-Raphaël an der Côte d’Azur. Hier kochte sich der junge Deutsche nicht nur jeden Abend in die Herzen seiner Restaurantgäste, sondern führte auch zugleich das dazugehörige Hotel. Heute gehört er, neben seiner Tätigkeit im Hundert10, zum Beratungsteam des Heinsberger Fleischspezialisten Otto Gourmet. „In dieser Eigenschaft habe ich auch Olli kennengelernt. Er war einer meiner Kunden“, erzählt Pascal.
Sein Freund und Kompagnon bezeichnet sich selbst als „Food Rebel“. Vor fünf Jahren bewarb er sich bei einer der härtesten Koch-Challenges Deutschlands – der Food Rebel Convention. Er schaffte es ins Finale und konnte schließlich den Pokal nach Hause ins Ruhrgebiet holen. Er steht als Blickfang auf dem Kachelofen im Gastraum. Seine Ausbildung machte Olli im Parkhotel seiner Heimstadt Herne. Nach einigen Zwischenstationen kam er als Sous Chef zur Familie Breitung in die „Westfälische Stube“ im Parkhotel Surenburg in Hörste-Riesenbeck. Er gehörte zum Team, das den Michelin-Stern holte. Doch dann durchlebte er eine berufliche Krise, ausgelöst vor allem durch die Folgen der Corona-Pandemie. „Eigentlich war ich mental schon raus aus der Gastrowelt“, erzählt Olli. Das Schicksal wollte es, dass sein Kumpel Pascal genau in dieser Zeit das Pacht-Angebot für das ehemalige „Parkschlößchen“ erhielt. „Allein konnte und wollte ich das aber nicht durchziehen. Also habe ich Olli mit ins Boot geholt.“ Und dieser war und ist Feuer und Flamme für das Projekt. „Das war genau das, was ich brauchte.“ Gemeinsam wagen sie nun das Abenteuer Krefeld. Den Standort am Niederrhein finden sie ideal. „Wir haben schon einige Stammkunden aus Krefeld, aber auch aus den benachbarten Städten und Kreisen“, erzählt Pascal.
Etwa alle fünf bis sechs Wochen wechselt die Karte. Gekocht wird „crossover“, also nicht festgelegt auf eine bestimmte Küche. „Wir möchten unser Handwerk zeigen und das Beste aus den Produkten herausholen“, sagt Olli. Genuss und Nachhaltigkeit – vor allem beim Fleisch – sollen eine Symbiose eingehen. Beim Wein kooperiert das Duo mit Norbert Pohl von Ausgesuchte Weine. Von Donnerstag bis Sonntag ist das Hundert10 für seine Gäste da. Reservierungen lange im Voraus sind nicht erforderlich. „Ein bis zwei Tage vorher reichen völlig“, sagt Pascal. Natürlich seien auch Spontan-Besuche möglich. „Wer am Wochenende zum Beispiel eine Radelpause einlegen möchte, kann das gern bei uns tun“, betont Olli. Zu Kaffee oder Limo gibt es dann auch einen kleinen Imbiss zur Stärkung.
Hundert10 / Talring 110 / 47802 Krefeld / Tel.: 02151 – 3278446 / info@hundert10.de
www.hundert10.de
Öffnungszeiten: Donnerstag, 18 bis 22 Uhr; Freitag und Samstag, 16 bis 22 Uhr; Sonntag, 13 is 21 Uhr.
Fotos: Luis Nelsen