„Sunset Boulevard“, die bittere Abrechnung des deutschen Regisseurs Billy Wilder mit der Traumfabrik aus dem Jahr 1950, gilt als einer der großen US-amerikanischen Filmklassiker. Er handelt von dem erfolglosen Drehbuchautor Joe Gillis, der von der vergessenen Stummfilmdiva Norma Desmond engagiert wird, ihren Comeback-Film zu schreiben. Weil Joe das Geld gut gebrauchen kann und er sich von der Zuneigung der einstigen Legende insgeheim geschmeichelt fühlt, geht er auf das Angebot ein – obwohl er weiß, dass sich niemand mehr für die Dame interessiert. Er bezahlt das falsche Spiel gleich zu Beginn des Films mit seinem Leben und erzählt die Geschichte, wie es zu seinem Tod kam, anschließend in einer Rückblende. Wilders Film trumpfte nicht zuletzt mit seiner kongenialen Besetzung auf: Die Rolle der Desmond übernahm der Stummfilmstar Gloria Swanson, als ihren Butler besetzte Wilder die Regielegende Erich von Stroheim.
Es ist keine allzu große Überraschung, dass Andrew Lloyd Webbers Musical-Adaption aus den Neunzigerjahren den Zynismus Wilders durch wehmütige Nostalgie für das „Golden Age of Hollywood“ ersetzt und seine Kritik am Starsystem, das Menschen erst hochjubelt und dann wegwirft, letztlich als Gegebenheit akzeptiert. Dennoch bietet das Stück in der Inszenierung des französischen Regisseurs François de Carpentries rund zwei Stunden gute, muntere Musical-Unterhaltung mit beeindruckenden Gesangsdarbietungen, hervorragender Musik unter der Leitung von Yorgos Ziavras – und der ein oder anderen Reminiszenz an das Ursprungsmedium. So werden viele Szenen das Stücks auf der Leinwand im Bühnenhintergrund mit Filmbildern untermalt. Besonders schön gelingt das bei einer Verfolgungsjagd mit Autos aus Kinositzen.
„Am Anfang musste ich mich in diese Erzähltechnik erst einfinden“, gesteht Zuschauerin Serpil Katranci. „Aber dann hat mir gerade dieses Stilmittel sehr gut gefallen.“ Auch ihre Begleiterin Monika Hommes fühlte sich rundum gut unterhalten: „Es wehte wirklich ein Hauch von Hollywood durchs Theater. Als einzigen Kritikpunkt würde ich die Länge des Stücks nennen. Aber da es in der Geschichte ja auch um ein zu langes Drehbuch ging, passte das wieder“, lacht sie. Lisa Deilmann hebt vor allem die Musik und die Stimmen der Darsteller hervor: „Die Gesangsdarbietungen waren toll“, sagt sie. „Vor allem die Hauptdarstellerin Gabriela Kuhn und der Butler, Markus Heinrich, haben mich beeindruckt.“ Ihr Freund Jonathan Firneburg muss einen Augenblick überlegen: „Ich will ja schließlich noch etwas Neues sagen“, zwinkert er, bevor er sich entscheidet: „Ich fand den Aspekt der Geschichte in der Geschichte am spannendsten. Dass es in dem Stück um einen Film geht – und darum, dass Joe, der Drehbuchautor, seine eigene Story erzählt.“ In einem waren sie sich alle einig: Es war ein rundum gelungener Theaterabend!
Aufführungen von Sunset Boulevard im April und Mai:
Di, 19.04., 19:30
So, 15.05., 16:00
Sa, 28.05., 19:30
theater-kr-mg.de
Tickethotline: 02151-805-125