Als Mutter von drei Kindern kennt Kristina Freiwald das Spannungsfeld von Familie und Beruf aus eigener Erfahrung. Sie weiß, dass sich beide Bereiche nur sinnvoll vereinbaren lassen, wenn sich alle Beteiligten flexibel zeigen und immer wieder bewusst machen, dass es auch andere Ansprüche an die betroffene Person gibt, die ihre Berechtigung haben. Es ist daher kein Zufall, dass die 37-Jährige bei der Krefelder Wirtschaftsförderung für den Bereich „Wirtschaft & Familie“ zuständig ist. „Für Unternehmen werden die Themen Flexibilität und Familienfreundlichkeit zukünftig immer mehr zum Wettbewerbsfaktor – vor allem in Bezug auf die Gewinnung von Fachkräften“, ist Kristina Freiwald überzeugt. „Deshalb sehen wir bei der Wirtschaftsförderung auch eine enge Verbindung von Familienfreundlichkeit und Standortmarketing.“
Aus diesem Grund hat die Wirtschaftsförderung Krefeld im Jahr 2014 das „Krefelder Netzwerk Wirtschaft und Familie“ ins Leben gerufen, dass vor allem die Beratung von Unternehmen anbietet, aber auch Informationen für betroffene Einzelpersonen bereithält. „Bereits seit 2014 veranstalten wir alle zwei Jahre den Wettbewerb zum familienfreundlichsten Unternehmen in Krefeld, bei dem wir immer tolle Ergebnisse bekommen“, erinnert sich Freiwald. „Aber Familienfreundlichkeit sollte sich ja nicht nur auf Wettbewerbserfolge beziehen. Daher war es uns wichtig, ein dauerhaftes Unterstützungsangebot zu schaffen.“ Neben der Wirtschaftsförderung sind die Sparkasse Krefeld, die Unternehmerschaft Niederrhein, die SWK, das Jobcenter, die Bundesagentur für Arbeit und die Gleichstellungsstelle der Stadt Krefeld Initiatoren des Netzwerks. Zu den umfangreichen Informationen auf der Homepage kommt die regelmäßige Veranstaltung „Wirtschaft um Vier“, bei der Fachleute Impulsvorträge für Personalverantwortliche geben. Aufgrund der Corona-Pandemie finden die Vorträge aktuell online statt und können auf der Homepage abgerufen werden.
Kristina Freiwald freut sich, dass in den letzten Jahren ein stetiger Bewusstseinswandel zum Thema Familienfreundlichkeit in Gang gekommen ist. Doch ihrer Meinung nach bezieht sich das bisher vor allem auf das Thema Kinderbetreuung, während Pflege immer noch zu wenig im Fokus steht. „Dass man für die Kinderbetreuung Zeit benötigt, ist inzwischen wohl fast allen klar“, stellt die WFG-Mitarbei- terin fest. „Dass aber Menschen, die Angehörige pflegen, mindestens genauso unter Druck stehen, wird leider noch deutlich weniger wahrgenommen. Dabei ist diese Herausforderung riesengroß. In Deutschland gibt es etwa 2,5 Millionen pflegende Angehörige, davon etwa zwei Drittel Frauen, wobei manche Schätzungen von noch deutlich höheren Zahlen ausgehen. Und das wird ja in Zukunft nicht weniger werden“, weiß Freiwald. „Das Problem hierbei ist wohl, dass Kinder als etwas Positives wahrgenommen werden, während Pflege mit Alter und Krankheit zu tun hat. Daher gehen manche Beschäftigten leider erst auf ihre Arbeitgeber zu, wenn sie kurz vor dem Burnout stehen.“
Auf der Internetseite des Netzwerkes Wirtschaft und Familie finden sich neben Beratungsangeboten für Unternehmen auch viele konkrete und hilfreiche Angebote für Familien. Dabei geht es um Kinderbetreuung, den Wiedereinstieg nach der Familienphase und die Pflege von Angehörigen. Es gibt Links zu verschiedenen Infoseiten und Förderangeboten. Für pflegende Angehörige aber auch für Unternehmen sind die Angebote rund um den „Pflegekoffer“ von Bedeutung. Darin findet man Informationen zu Themen wie der staatlich geförderten Pflegezeit oder auch Tipps für Angehörige von Demenzkranken. Für Unternehmen sind die Weiterbildungsangebote zum „Betrieblichen Pflegelotsen“ interessant, um so eine feste Ansprechperson im Betrieb zu bekommen. „Familienfreundlichkeit kann nicht ausschließlich ‚top-down‘ erfolgen“, ist sich Kristina Freiwald bewusst. „Die Vereinbarkeit von Familie und Beruf muss Teil der Unternehmenskultur werden. „Das lässt sich nicht von der Geschäftsleitung aus anordnen, sondern muss bei allen Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern im Bewusstsein sein.“
„Corona hat Familienfreundlichkeit zugleich gefördert und erschwert“, sagt Freiwald. „Ohne das Virus wären heute nicht so viele Menschen im Homeoffice. Auf diese Weise ist der Beweis erbracht, dass Unternehmen nicht zusammenbrechen, wenn nicht immer im Betrieb gearbeitet wird“, so Freiwald. „Auf der anderen Seite sind viele Kommunikationswege rein digital wesentlich mühsamer, und vor allem fehlt der informelle Austausch vor Ort, wodurch das Zusammengehörigkeitsgefühl im Unternehmen leidet. Und auch auf die Entwicklung der Rollenbilder hat sich das Virus ausgewirkt. Zum einen kommen Väter jetzt in deutlich engeren Kontakt mit ihren Kindern, was viele als schön empfinden und gar nicht mehr Vollzeit außer Haus arbeiten wollen“, erklärt sie. „Zum anderen steigen die Belastungen bei manchen Familien durch die erzwungene Enge inklusive Kindern im Homeschooling. Da fallen manche Frauen erst Recht in ihre alte Rolle zurück – und sind viel stärker mit klassischer Hausarbeit befasst als vorher.“
Für Kristina Freiwald ist eine Kombination von Bewusstseinswandel mit praktischen Angeboten der Schlüssel zur Familienfreundlichkeit. „Solange Familie vor allem eine Frauenaufgabe ist, bleibt die Vereinbarkeit von Familie und Beruf schwierig, da sie nur als wichtiges Thema für die Hälfte der Beschäftigten gesehen wird“, ist sie überzeugt. „Vereinbarkeit funktioniert nur, wenn sie von mehreren Schultern getragen wird — von beiden Eltern und beiden Arbeitgebern. Hier müssen sich noch in vielen Köpfen verankerte Rollenbilder verändern. Dass das geht, sieht man in den Niederlanden und Skandinavien. Dort ist dann auch Teilzeitarbeit viel mehr akzeptiert. Wir haben noch ein Stück Arbeit vor uns, sind aber auf einem guten Weg!“
Krefelder Netzwerk Wirtschaft und Familie
Kristina Freiwald
Telefon: 0215-82074-12
E-Mail: kristina.freiwald@wfg-krefeld.de
www.wirtschaft-familie-krefeld.de