Julia Dinstühler

Wie wird man eigentlich… Siebdruckerin?

„Textil ist einfach mein Ding!“

„Daarestiet“ prangt in großen Lettern auf der pink lackierten Ladentheke, in weißen Regalen vor blauer Wand finden sich bedruckte Stoffbeutel, bunte T-Shirts und Stadtteilkerzen neben Wundertüten und Gewürzen. Von der Schaufensterscheibe grüßt Meister Ponzelar gleich mehrfach. Hier im JuSt-Lädchen haben sich zwei kreative Frauen verwirklicht, die Heimatgefühl mit Handwerk verknüpfen und keine Angst vor Experimenten haben. Julia Dinstühler wird oft in einem Atemzug mit Co-Gründerin Stefani Schmidt genannt – was guten Siebdruck ausmacht und warum Krieewelsch nicht aussterben darf, erzählte sie uns ausnahmsweise allein und dialektfrei.

Es ist kurz nach zehn Uhr, als die ersten Kunden den kleinen Laden in Oppum betreten, um nach handgemachten Produkten aus Krefeld zu stöbern. Julia Dinstühler, genannt Jule, serviert uns noch schnell ein Sprudelwasser im stilechten Gleumes-Glas, bevor sie auf ihre ruhige Art immer wieder die Fragen der Besucher beantwortet. Man duzt sich, und die Atmosphäre ist mindestens so entspannt wie in einem Yoga-Studio. Dass die 44-jährige Mutter von zwei Kindern einmal Vollzeit im eigenen Geschäft arbeiten würde, wäre ihr vor der Pandemie wohl nicht in den Sinn gekommen. Der Sprung in die Selbstständigkeit war eher dem Zufall geschuldet, wie sie später berichten wird. Doch das Konzept, Krefelder Mundart auf Textilien und Alltagsgegenstände zu bringen, werde gut angenommen; im Juni konnte bereits der erste Geburtstag des Lädchens mit Gästen, Überraschungen und ganz viel Herzblut gefeiert werden.

Beim Siebdruck wird Farbe durch ein feinmaschiges Gewebe auf das Trägermaterial gedrückt.

„Ursprünglich habe ich in einem kleinen Betrieb in Vorst den Beruf des Raumausstatters gelernt – inklusive Fußböden verlegen, Sattlerarbeiten ausführen oder Motorradsitze beziehen“, sagt Jule mit einem Leuchten in den Augen, das ihre Freude an handwerklichen Arbeiten bekräftigt. „Auch Nähen im Atelier gehörte zur Grundausbildung. Wobei ich das schon gut konnte, weil meine Oma Schneiderin war“, ergänzt die gebürtige Schweizerin, die es im Alter von drei Jahren an den Niederrhein verschlug. In Anrath betrieb ihr Großvater Hans-Peter mit seiner Frau Christel das Druck- und Verlagshaus Enger, der Vater ist gelernter Textiltechniker – die starken familiären Wurzeln würden sicherlich jeden Leser eines Businessplans überzeugen. Noch heute ist Jules Interesse am Werkstoff Textil sehr ausgeprägt, im März ließ sie sich beispielsweise auf dem „Münchner Stoff Frühling“ von der exquisiten Auswahl an hochwertigen Wohnstoff en, Tapeten, Teppichen, Farbvarianten und gepolsterten Möbelstücken inspirieren. „Textil ist einfach mein Ding“, lacht Jule herzlich und verrät, dass ihr Vater, Fachmann für Siebdruck, lange nichts von ihren Plänen gewusst habe. „Ich wollte erst mal selbst ausprobieren, wie Siebdruck überhaupt funktioniert. Es hat am Anfang auch nicht alles geklappt: Es braucht Geduld, bis man beim Rakeln den Dreh raushat, und einen Rahmen zu bauen, ist gar nicht so einfach.“ Daher beziehen Jule und Geschäftspartnerin Steffi inzwischen lieber fertige Siebe bei einem spezialisierten Versandunternehmen in Magdeburg, um den eigenen Qualitätsstandards – „wir sehen uns als Manufaktur“ – gerecht zu werden.

„Der Siebdruck ist ein Druckverfahren, bei dem die Druckfarbe mit einer Gummirakel durch ein feinmaschiges Gewebe hindurch auf das zu bedruckende Material gedruckt wird. An den Stellen des Gewebes, wo dem Druckbild entsprechend keine Farbe gedruckt werden soll, werden die Maschenöffnungen durch eine Schablone farbundurchlässig gemacht.“ Diese eher trockene Beschreibung wirft eine kurze Recherche im Internet heraus. Es existiert eine staatlich anerkannte duale Ausbildung zum Medientechnologen Siebdruck, doch auch Künstler und Kreative schwärmen von dieser effi zienten wie langlebigen Veredelungstechnik. Jule zeigt stolz auf kleine Jutetaschen für Getränke, die mit „Fläsch en dä Täsch“ oder „Jesöff “ bedruckt sind, und betont: „Die kann man auch waschen, der Siebdruck ist hitzefixiert und hält lange!“ Wie sehr sie sich mittlerweile in die Thematik eingearbeitet hat, zeigen die vielen Details in ihrer Beschreibung des Siebdruckverfahrens: wasserbasierte Textilfarbe, Temperatur 155 Grad, auch die korrekte Luftfeuchtigkeit zähle. Produziert wird im Keller eines Wohnhauses; die unter anderem bei Mundartexperte Heinz Webers erfragten heimischen Töne drucken Jule und Steffi auf vielfältige Gegenstände wie Brotbeutel, Brillenputztücher, Babylätzchen, die beliebten Stadtteilkerzen und natürlich T-Shirts und Kapuzenpullover.

Ausgerechnet beim gemeinsamen Bau eines Gartenpools während der Coronazeit stellten die Freundinnen fest, dass sie auch handwerklich gut harmonieren, erinnert sich die kreative wie farbenliebende Handwerkerin an den Ursprung von JuSt-Handgemacht. Nach mehreren Stationen als Angestellte bei Raumausstattern, Innendekorateuren und Möbelhäusern suchte die zweifache Mutter eine Möglichkeit, Familie und Beruf besser unter einen Hut zu bekommen – und fand in Stefani Schmidt genau die passende Antriebsfeder, um sich mit Anfang 40 selbstständig zu machen. „Sie trägt oft schwarz, besucht Rock- und Punkkonzerte, arbeitet im Gegensatz zu mir gern am PC und gibt Vollgas, während ich lieber lange nachdenke“, beschreibt Jule lächelnd, wie gut sich beide Inhaberinnen ergänzen. „Was uns vereint, ist die Liebe zu unserer schönen Heimatstadt Krefeld, der Wunsch, das Krefelder Platt zu erhalten und die Freude an der gemeinsamen kreativen Arbeit.“ Seit 2021 sind die kreativen Köpfe in Sachen Heimatliebe auf Märkten unterwegs und lernen stetig dazu. Das Krefelder Platt verstehen sie beide, sprechen es jedoch selbst nicht. „Ich liebe aber das Grinsen der Leute am Stand, wenn sie die Sprüche auf unseren Produkten lesen“, freut sich Jule über den engen Kontakt zu den unterschiedlichsten Menschen. So überrascht es auch nicht, dass das Duo das Netzwerk zu anderen Kreativen in Krefeld kontinuierlich ausbaut.

„Als wir an der Maybachstraße 165 zufällig das Schild ‚Zu vermieten‘ im Fenster sahen, setzte sich bei uns sofort die Idee fest, zu wachsen und einen eigenen Laden zu eröff nen. Doch wie die Miete finanzieren? Die Lösung lag auf der Hand: Wir vermieten Regalbretter an die kreativen Menschen der Region und verteilen das fi nanzielle Risiko auf mehrere Schultern“, erklärt die Gründerin Jule sachlich. Von der positiven Resonanz können wir uns rasch selbst überzeugen, denn im gut sortierten Lädchen gibt es wirklich keine Ecke, die nicht gefüllt ist mit liebevoll gestalteten Zeichnungen, lokalen Leckereien wie Salz und Honig oder ausgesuchten Büchern für angehende Leseratten. „Man sieht, wie viel Liebe hier drin steckt“, habe eine Stammkundin neulich gelobt. Auf dem bisherigen Erfolg ruht sich das Team um die bodenständige Siebdruckerin jedoch nicht aus, im Gegenteil: Der Instagram-Account wird täglich mit unterhaltsamen oder hilfreichen Inhalten gefüllt, das Angebot an Kursen und Lesungen wächst – und Jule lässt es sich trotz Muffensausen nicht nehmen, im Siebdruck-Workshop ihr Wissen mit anderen zu teilen. „Ich mag den kreativen Austausch und möchte den Teilnehmern etwas mitgeben, damit wir gemeinsam einen schönen Abend haben“, sagt sie und lehnt sich wie zur Bestätigung entspannt zurück. Mit Charme und Schmackes, wie der Krefelder sagt, sorgen Jule und Steffi dafür, dass dieser so wunderbar lautmalerische Dialekt noch eine Weile erhalten bleibt. Weil auch Jüngere durchaus Spaß an Grüßen wie „Daarestiet“ haben können.

Jule und Steffi sind mit einem eigenen Stand bei Fischeln Open und auf dem Hülser Bottermaat.

JuSt Lädchen — Handgemachtes und mehr
Maybachstr. 165
47809 Krefeld
Telefon: 0176 – 22092553
E-Mail: info@just-handgemacht.de
just-laedchen.sumupstore.com
Instagram: justlaedchen

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