
Die schwarzgekleideten Männer und Frauen mit ihren langen orangen Schals fallen bereits vor Beginn der Vorführung auf. In zwei Blöcken sitzen sie vorne im Zuschauerraum, um bei der Anrufung des Gottes Baal zusammen mit dem Bühnenchor in Aktion zu treten: „Baal, erhöre uns, mächtiger Gott! Sende uns dein Feuer und vertilge den Feind! Rotes Licht erhellt die Szenerie, während die Baal-Priester weiter ihren Gott anfl ehen. Doch das hilft nichts. Er bleibt stumm. Dann tritt der Prophet Elias allein vor die Menge und ruft seinen Gott an: „Herr, Gott Abrahams, Isaaks und Israels, lass heute verkünden, dass du Gott bist und ich dein Knecht.“ Und siehe da, jetzt fällt das Feuer vom Himmel. Die Anhänger Baals drängen sich angstvoll zusammen. Aber keine Chance: Mit Maschinenpistolen werden sie von Elias und seinen Anhängern niedergemacht. Mit Maschinenpistolen? Ja, Regisseur Kobie van Rensburg hat den Elias-Stoff in ein fiktives „Zion“, in den von Dürre geplagten amerikanischen Südstaaten der 1930er Jahre, versetzt.
Und nicht nur das – van Rensburg antwortet auf die biblische Botschaft des Felix Mendelssohn- Bartholdy mit seiner eigenen Kritik. Für ihn ist es nicht akzeptabel, zur Vernichtung Andersgläubiger aufzurufen. Die Rechtmäßigkeit von Elias´ Handeln stellt er immer wieder in Frage und setzt einen kleinen Jungen als moralisches Korrektiv der prophetischen Maßlosigkeit ein. Das Kind ruft laut nach einem Ende der Gewalt und lehnt es nach Elias´ Tod ab, dessen Nachfolge anzutreten. Dem triumphalen Schlusschor der Gläubigen lässt Kobie van Rensburg die Frage „Braucht der Mensch eine Religion, die Gewalt predigt?“ folgen. Und genau hier wird auch der Zwiespalt der Inszenierung deutlich. Denn es ist schwer, der Macht der Gottesbotschaft etwas Gleichstarkes entgegenzusetzen. Das können immer nur Untertöne sein – während der Chor „Herr, unser Herrscher! Wie herrlich ist dein Name in allen Landen“, singt.
Überhaupt ist der Chor der eigentliche Star des Abends. Mehr als 120 Sängerinnen und Sänger tragen Mendelssohns Musik furios und stimmgewaltig in den Raum. Zusätzlich zum angestammten Opernchor und dem Extrachor des Theaters Krefeld und Mönchengladbach sind der Niederrheinische Konzertchor und der Crescendo Chor Krefeld im Einsatz. Hervorzuheben sind aber auch die Solisten, allen voran Rafael Bruck als Elias, Sofia Poulopoulou als Die Witwe und Woongyi Lee als Obadjah, die der szenischen Inszenierung des Elias-Oratoriums ein unverwechselbares Gesicht geben. Unverwechselbar ist auch Kobie van Rensburgs technische Umsetzung, seine außergewöhnliche Verschmelzung von Videoprojektion und Bühnenspiel. Die versetzt die Akteure mal in eine düstere Industriekulisse, mal in eine Kirche oder auf eine Landstraße mit Telegrafenmasten. Dazu kommen comichafte Elemente wie vom Sturm herumgewirbelte Autos oder schwebende Poesiealbum-Engelchen.
Kurz und gut: Kobie van Rensburgs fulminante Inszenierung verbindet mächtige Chöre mit digitalerm Technik und religionskritischen Tönen. Vielleicht nichts für Strenggläubige, aber ein Muss für Theaterenthusiastinnen und -enthusiasten.
Termine: 16.02. – 14.03. – 16.03. – 22.04. – 17.05.
Tickets unter theater-kr-mg.de
Fotos: Matthias Stutte