Sie schützen Lebensräume für Tiere und Pflanzen. Sie begeistern für Kröten, Kraniche und Käfer. Und sie entwickeln Lösungen für den Natur- und Klimawandel. Seit 1899 bietet der Naturschutzbund Deutschland ein Zuhause für alle, die sich für Natur und Umwelt engagieren. Allein der NABU Bezirksverband Krefeld/Viersen hat fast 10.000 Mitglieder. Aus gutem Grund: Die biologische Vielfalt ist bedroht, und in nur 50 Jahren sind die weltweiten Bestände an Säugetieren, Vögeln, Reptilien und Amphibien um mehr als die Hälfte geschrumpft. Bodo Meyer – gelernter Koch, Betriebswirt und 1. Vorsitzender – sprach mit uns über komplexe Systeme, Sümpfe und Schottergärten. Was wir tun und lassen können.
„Naturschutz ist ein altes Thema“, fällt Bodo Meyer mit der Tür ins Haus, als wir uns in einem Buchladen-Café einen ruhigen Tisch suchen. Der gebürtige Uerdinger ist mit dem Fahrrad da und springt gut vorbereitet in die Historie des NABU, der in diesem Jahr ein besonderes Jubiläum feiert. Denn Artenschwund, Wasser- und Luftverschmutzung, Zersiedlung der Landschaft, das Verschwinden von Hecken und die Trockenlegung von Feuchtgebieten sind keine exklusiven Erscheinungen unserer Zeit. Schon vor 125 Jahren schreckten die Umweltauswirkungen in Deutschland viele Zeitgenossen auf. Eine der unmittelbaren Folgen war die Gründung des Bundes für Vogelschutz im Jahr 1899, aus dem der heutige NABU hervorging. Mit rund 820.00 Mitgliedern ist er inzwischen der größte Naturschutzverband Deutschlands. „Die Stuttgarter Kauffrau Lina Hähnle übernahm den Vorsitz, was von der Männerwelt zunächst mit einigem Stirnrunzeln zur Kenntnis genommen wurde. Sie führte den Verein 38 Jahre lang und prägte ihn mit ihrer zupackenden Art“, weiß der 67-jährige Betriebswirt, der mit seinem Faible für Zahlen und Fakten beeindruckt und uns wissen lässt, dass der Verein den deutschen Kaiser Wilhelm und US-Präsident Johnson als prominente Mitglieder gewinnen konnte. Es habe nicht lange gedauert, bis sich in ganz Deutschland zahlreiche lokale Untergliederungen bildeten. Die Krefelder Naturschützer ließen sich zwar noch etwas Zeit, sind dafür aber deutlich gewachsen.
Rund 9.500 Mitglieder packen heute im 1976 gegründeten NABU Bezirksverband Krefeld/Viersen tatkräftig mit an oder unterstützen finanziell; eine schon in den Zwanzigerjahren gegründete Gruppe war relativ schnell wieder zerfallen. Das gemeinsame Ziel ist klar definiert: „Die Schönheit unserer niederrheinischen Landschaft zu erhalten und die Artenvielfalt zu stärken“, betont Bodo Meyer, der übrigens nicht mit dem Oberbürgermeister verwandt ist. „Viele Ehrenamtliche arbeiten im praktischen Biotopschutz mit und entfernen beispielsweise Brombeeren, legen Blühstreifen an, pflanzen Hecken oder schneiden Bäume. Ein grüner Daumen kann also nicht schaden. Je nach Jahreszeit beschäftigen sich die Akteure auch mit Vögeln, Fledermäusen oder Amphibien.“ Ob Eulenschutz, Baumpflege, Planverfahren oder Mitarbeit auf dem NABU Naturschutzhof in Nettetal – die Themenfelder der Arbeitsgruppen sind breit gestreut. Interessierte können sich auf der Webseite einen Überblick verschaffen oder beim nächsten Zoobesuch den Infostand des NABU ansteuern.
Während uns Espresso und Detox-Wasser serviert werden, tauchen wir entspannt in den Arbeitsalltag des 1. Vorsitzenden ein. Als Betriebswirt, der bei der Bundesbank und der Unteren Landschaftsbehörde der Stadt Krefeld passende Erfahrungen gesammelt hat, kümmert sich Bodo Meyer seit gut einem Jahr ehrenamtlich um die Finanzen und den Ankauf von geeigneten Flächen wie Streuobstwiesen, Feuchtwald oder Kleingewässer. „Hauptschwerpunkt unserer Arbeit sind Schutz und Pflege von Natur und Landschaft: Wir haben ca. 80 Hektar vereinseigene Flächen, die nach ökologischen Gesichtspunkten gestaltet und gepflegt werden. Dabei legen wir Wert auf kleingekammerte Landschaftsbereiche mit Hecken, Inseln aus Feldgehölz, Kopfweiden und Gräben, damit wir Pflanzen und Tieren vielfältige Lebensräume bieten.“ Beim Sankertgraben, den wir als Ort für den Fototermin ins Auge fassen, gerät der eher sachliche Zahlenmensch fast ins Schwärmen, und man merkt ihm an, dass er sich seit vielen Jahrzehnten für die heimische Natur einsetzt: „Der Sankert ist ein wichtiges Bindeglied zwischen den Naturschutzgebieten Niepkuhlen und Hülser Bruch, er wurde schon Ende des vorletzten Jahrhunderts von großen Botanikern wertgeschätzt. Die Bruchflora ist einmalig, hier findet man noch seltene Pflanzen!“
Auch Klimaschutz ist ein großes Thema beim NABU. Der Verein unterhält bereits seit vielen Jahren eine Reihe von Photovoltaikanlagen auf öffentlichen Gebäuden wie der Volkshochschule und betreibt auf seiner Homepage einen Klimablog, der laut Bodo Meyer „kaum eine Frage zum Klima und zur künftigen Krefelder Klimaneutralität“ offen lässt. Nicht nur mit der Entsendung von Mitgliedern in den Naturschutzbeirat und in den Umweltausschuss ist der NABU Bezirksverband zudem politisch tätig – als staatlich anerkannter Umwelt- und Naturschutzverband im Sinne des Bundesnaturschutzgesetzes müssen der NABU und alle seine Gliederungen bei Eingriffen in den Naturhaushalt angehört werden. Ein Aspekt in diesem Zusammenhang ist dem Vereinsvorstand so wichtig, dass er ihn mehrfach wiederholt: „Der NABU möchte nicht mit erhobenem Zeigefinder den Menschen vorschreiben, ob sie ein Kotelett essen sollen oder nicht. Oder wie und wohin sie in Urlaub fahren. Auch nicht, welche Heizung sie einzubauen haben. Jeder sollte selbst entscheiden, was er für vernünftig hält.“ Damit spricht Bodo Meyer ganz in der Tradition der Gründerin Lina Hähnle, die auf Volksnähe setzte und ein niedrigschwelliges Angebot entwickelte. Im Bund für Vogelschutz brauchte man kein ornithologisches Fachwissen, keine Reichtümer und keinen bestimmten sozialen Status, um sich zu engagieren. Der legendär niedrige Mitgliedsbeitrag, der über Jahrzehnte 50 Pfennig für Erwachsene betrug, war ohne Schwierigkeiten zu bezahlen. Was jedoch von Anfang an zählte, war Naturschutz auf Basis wissenschaftlicher Erkenntnisse, versichert der Naturschützer freundlich. Eigene Forschungsinstitute, wissenschaftliche Fachausschüsse und Arbeitskreise leisten zentrale Grundlagenarbeit, erarbeiten Konzepte und geben Fachpublikationen heraus. Ihre Arbeitsgebiete reichen von naturwissenschaftlichen Spezialthemen über Verkehr- und Energiepolitik bis hin zu ökologischer Land- und Forstwirtschaft.
Noch draußen vor dem Café führen wir das Gespräch angeregt weiter, bevor wir uns auf die Drahtesel schwingen und in unterschiedliche Richtungen den Heimweg antreten. Im Grunde gibt es viele kleine Dinge, mit denen wir uns gleich vor der Haustür für unseren Lebensraum stark machen können: Das Auto öfter stehen lassen, bewusster konsumieren oder es im eigenen Garten blühen lassen. Oder im NABU mit anpacken. Weil Natur unser Zuhause ist.
Fotos: Niklas Breuker