Knatternd biegt der Traktor in die weitläufige Plantage ein. Es ist ein kühler Morgen Ende September. Der Herbst hat Einzug gehalten am Niederrhein. Es geht vorbei an von Planen geschützten Himbeer-Ruten, bis sich der Blick in den schier endlosen Baumreihen verliert. Sonnenstrahlen zerstreuen sich an den dünnen Ästen, ein leichter Wind lässt das Laub rascheln. Faustdicke Äpfel hängen dicht an dicht an den Zweigen, die Kälte hat ihrem Antlitz ihre charakteristische Röte verliehen. Und die vier Holzkisten, die der Traktor langsam durch die Korridore hinter sich her zieht, werden sich gleich füllen. Erntehelfer stehen schon bereit, ihre Hände greifen nach den Kostbarkeiten. Natürlich mit geschultem Blick für die Güte eines jeden Apfels. Die richtige Auswahl der Früchte beginnt schon hier.
Auf dem Benrader Obsthof steht die Zeit nie still, schon gar nicht an den Erntetagen, die sich förmlich über das ganze Jahr erstrecken. „Mit dieser Flexibilität lebt man einfach“, sagt Michaela Boekels, die mit viel Hingabe den Produktionsbetrieb führt, aber auch den Hofladen und den Verkauf organisiert: „Es gibt immer etwas zu tun. Wir gehen mit Fachkunde und Liebe an die Sache ran.“ Mit ihrem Mann Norbert, einem Gärtnermeister im Obstbau, besteht der Familienbetrieb schon in der zweiten Generation. Seine Eltern hatten den Hof ab 1950 sukzessive aufgebaut. Heute erstreckt sich das Areal über 30 Hektar Land. Erdbeeren und Himbeeren bilden das Hauptgeschäft, dazu kommen allerlei Äpfel, Birnen und Johannisbeeren. Aber auch vier Imker haben sich mittlerweile niedergelassen und produzieren Honig für den Hofladen.
Äpfel aber stehen gerade im Spätsommer und Herbst hoch im Kurs. Die Wünsche der Kunden sind heilig. „Wir passen uns dem Markt an“, sagt sie. Das heißt: Es wird auch mal der Anbau der Früchte gewechselt, wenn der Geschmack changiert. Der Elstar-Apfel ist immer noch der große Favorit, der Wellant aber entwickelt sich zu einem Geheimtipp. In den trockenen Wochen des Sommers bedeutete die Pflege des Anbaus für die Familie auch schlaflose Nächte, denn dann mussten die Plantagen bewässert werden, damit keine Kalk- und Rostflecken am Apfel entstehen. Der Motor des Traktors brummte dann auch spät in der Nacht.
Sind die Äpfel eingesammelt, geht es damit ins Kühlhaus. Dies ist an diesem Morgen noch halb gefüllt. Die eingelagerten Holzkisten, bis jeweils 300 Kilogramm schwer bestückt, reichen aufgetürmt bis zur Decke. Wenn die Tore geschlossen werden, wird in der Folge der Sauerstoff aus der Raumluft entzogen, bis auf etwa ein Prozent. Ein Mensch darf sich dann ohne Lüftung nicht mehr im Inneren aufhalten – es besteht Lebensgefahr. Für die Äpfel aber ist es der Garant für eine lange Existenz. Der Reifeprozess wird gebremst. „Der Apfel lebt, er atmet, er altert in der Kühlhalle aber langsamer. Er braucht Sauerstoff und scheidet Kohlendioxid aus“, sagt Norbert Boekels über die Frucht. Verschiedene Sorten besitzen unterschiedliche Haltbarkeitsspannen. Janagold oder Gala können ein Jahr konserviert werden, Boskop dagegen eher nur sechs Monate. Schafft es ein Apfel bei der Auslese nicht in die erste Klasse, hat er beispielsweise Fallspuren, wird er aussortiert. Familie Boekels presst ihn dann zu einem leckeren Saft. Manch ein Kunde begnüge sich aber auch mit der etwas minderen Qualität zu kleineren Preisen, sagt das engagierte Paar. Aber auch für hungrige Pferde blieben noch einige Äpfel übrig.
Pflanzenschutzmittel setzen Norbert und Michaela Boekels nur sehr dezent ein. Nachhaltigkeit ist das Stichwort. Dafür stehen sie. „Der Kunde kann sofort reinbeißen“, sagt der Obstgärtner: „Obstbau ist schon Naturschutz.“ Nützlinge werden eingesetzt, um Schädlinge zu bekämpfen. „Das hat Vorrang“, meint Michaela. Für viel Chemie ist hier kein Platz. An den Frühjahr- und Sommertagen genießt sie den Gang durch die Plantagen, wenn es um sie herum summt und brummt in den Bäumen und Sträuchern: „Man hört dann das fleißige Arbeiten der Insekten. Es ist wunderschön.“
Ein echter Familienbetrieb: Michaela und Norbert Boekels.
In der Halle werden neben dem Kühlhaus schon die Beeren sortiert, noch einmal kontrolliert, gewogen und in die Schälchen verpackt, ehe sie nach nebenan in die Hofladen kommen, oder in das zweite kleine Geschäft am Bismarckplatz oder eben direkt in den Handel gehen. Frische hat hier oberste Priorität. Die Früchte kommen direkt vom Feld. An warmen Tagen werden sie auch mal im Kühlhaus zwischengelagert, um die hohe Qualität zu erhalten. „Eine Stunde in der Wärme ist ein Tag weniger Haltbarkeit“, rechnet Norbert Boekels vor.
Auch für die Äpfel geht es gleich weiter. Nach dem Kühlhaus wartet der Verkauf. Im Hofladen dominiert an dem Morgen schon die bunte Vielfalt an herbstlichen Farben. Es duftet nach Frische, Obst und Gemüse. Kürbisse vor dem Eingang, dazu Äpfel, Birnen, Beeren aus eigenem Anbau, aber auch viele Produkte aus der Nachbarschaft. Geflügel, Milch, Salate, Eier oder Nudeln, sogar Fleisch. Die Bauern halten zusammen. Es ist ein Geben und Nehmen untereinander. Der Kunde soll gut beraten werden wie in einem Fachgeschäft. „Unsere Verkäufer können mit den Produkten auch umgehen, sie bringen Kompetenz mit und haben Rezeptideen“, sagt Michaela Boekels. Von Zeit zu Zeit brummt draußen der Motor des Traktors auf. Dann geht es wieder raus in die Plantage. Erntezeit ist Dauerbetrieb.
Benrader Obsthof
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