Geflügelzüchter Tim Thönnissen

Glückliche Glucken und tretende Hähne

Massentierhaltung, Legebatterien und zermahlene Küken: Fällt das Wort „Geflügel“, kommen einem längst nicht mehr das leckere Spiegelei und das knusprige Brathähnchen in den Sinn, sondern vor allem die sprachlos machenden Auswüchse einer außer Kontrolle geratenen Konsumgesellschaft. In Tim Thönnissens Nutzgarten im beschaulichen Lank-Latum ist die Welt dagegen noch in Ordnung. Der Erste Vorsitzende des Krefelder Geflügelzuchtvereins KGZV 1879 e.V. widmet sich hier mit der Ruhe eines Zen-Mönchs seinem Hobby: Dabei ist die Zucht von Zwergwyandotten, arabischen Trommeltauben und Brautenten viel mehr als nur ein Zeitvertreib. 

„Durch meinen Onkel und meine Tante kam ich schon als Kind mit der Nutztierhaltung in Kontakt“, erinnert sich Thönnissen an die Anfänge seiner Leidenschaft. „Als sich vor sieben Jahren die Gelegenheit bot, einen kleinen Nutzgarten zu übernehmen, konnte ich den seit der Kindheit gehegten Traum, selbst Tiere zu züchten, endlich ausleben.“ Vor allem die goldblau gesäumte Zwergwyandotte, ein Huhn, das ursprünglich aus England und den Niederlanden kommt, hat es ihm angetan: „Ich habe mich verliebt in die Tiere, ihre außergewöhnliche Färbung und ihre Form“, erklärt er seine Begeisterung und verrät mit Kennerblick die Besonderheiten: am Hals spitze, im Sattel abgerundete, goldblau gemusterte Federn, runder Schwanz und Rosenkamm. Auf seinem Gartengrundstück hält, züchtet und pflegt er die Tiere und nimmt an Landesschauen teil, bei denen sie prämiert werden. Um Preise geht es ihm aber eigentlich nicht, er genießt einfach die Arbeit mit den Tieren: „Es macht Spaß, sie zu beobachten. Jedes Tier hat seinen eigenen Charakter“, beschreibt der 30-Jährige die Faszination seines Hobbys, dem in Zeiten des Hybridhuhns eine nicht zu unterschätzende ökologische Bedeutung zukommt.

„Die Tiere, deren Fleisch in unseren Supermärkten landet, sind rein auf Legeleistung und Fleischmenge hin gezüchtet“, erläutert der Tischlermeister. „Sie legen im Jahr rund 50 Prozent mehr Eier als normale Hennen und erreichen innerhalb von nur zehn Wochen ein Schlachtgewicht, mit dem sie gar nicht mehr laufen können.“ Die Zwergwyandotte, an die Thönnissen sein Herz verloren hat, eigne sich zwar auch als Brathähnchen, aber sie fiele beim Supermarktkunden schlichtweg durch: „Es ist nicht viel dran an ihr, trotzdem wäre sie im Handel teurer, weil der Ertrag geringer und Haltung sowie Zucht schwieriger sind“, weiß der gebürtige Lank-Latumer. Landwirte, die auf Geflügel setzen, sind schon aus rein wirtschaftlichen Erwägungen gezwungen, auf „optimierte“ Züchtungen zurückzugreifen – mit den zwangsläufigen Folgen für Haltung und Artenvielfalt. „Die alten Hühnerrassen werden verschwinden“, malt Thönnissen eine düstere Zukunftsvision. „Die Entwicklung ist kaum noch aufzuhalten. Lediglich der Endverbraucher hat noch die Möglichkeit, über sein Kaufverhalten Einfluss zu nehmen und ein Umdenken herbeizuführen.“ 

Dieses Umdenken ist aber nicht nur unter ethischen Gesichtspunkten unausweichlich: „Je größer der existierende Genpool, umso gesünder ist er auch“, weiß der Züchter. „Je enger die Blutlinie, umso mehr genetische Defekte und Krankheiten schleichen sich ein.“ Was für das große Ganze gilt, betrifft auch Thönnissens kleine Zucht. Er muss darauf achten, regelmäßig „frisches Blut“ von außen zu bekommen. Dazu steht er in engem Kontakt mit anderen Züchtern, von denen er geeignete Tiere oder auch Bruteier kauft. Um die Zuchteignung und den festgeschriebenen Rassestandard sicherzustellen, wird über jedes Tier genau Buch geführt und seine Herkunft akribisch aufgezeichnet. „Zwergwyandotten spalten sich bei der Zucht in drei verschiedene Farbschläge. Das macht die Züchtung des Farbschlags ,goldblau‘ so aufwendig. Ich bekomme automatisch Nachwuchs, den ich für die weitere Züchtung nicht verwenden kann – aber ich habe jedes Tier gleich lieb und behalte es auch“, lächelt er. Dennoch muss er genau festhalten, welche Henne von welchem Hahn getreten wurde und die gelegten Eier über die „Fallnestkontrolle“ exakt einer Glucke – so nennt man brütende Hennen – zuordnen. Die Brut selbst übernimmt dann eine Maschine, die eine konstante Luftfeuchtigkeit von 65 Prozent sowie eine Temperatur von 37,8 °C gewährleistet und die Eier regelmäßig wendet. „Sonst kann es sein, dass das Küken an der Schale anklebt oder die Hagelschnur reißt und das Tier nicht schlüpfen kann“, erklärt Thönnissen. Mehrere Stunden verbringt er in der Woche mit seinen Tieren und damit, der Natur freien Lauf zu lassen – gern würde er noch mehr Zeit investieren. 

Wer selbst gern Hühner halten und seinen Beitrag zu mehr Nachhaltigkeit leisten möchte, braucht dafür gar nicht viel. „Man benötigt ein bisschen Platz im Garten, eine Behausung, um die Tiere nachts zu schützen, und eine Voliere für den Fall, dass die Geflügelpest ausbricht“, zählt Thönnissen die Bestandteile des „Starterpacks Hühnerhaltung“ auf. „Vorher sollte man für sich die Frage klären, ob man sich lediglich mit eigenen Hühnereiern versorgen oder aber in die Zucht gehen will.“ Für ersteres bedarf es lediglich dreier Hennen, für die Zucht ist außerdem ein Hahn erforderlich. Kundige Beratung und Hilfe gibt es nicht zuletzt beim KGZV, bei dem Passivmitglieder auch die gesetzlich vorgeschriebene Geflügelimpfung durchführen lassen können. Einen Eindruck vom Wirken des Vereins gewinnen Interessierte bei der Ausstellung in der Gärtnerei 1000schön am 31. Oktober und 01. November. Garantiert nur mit glücklichen Tieren. 

Krefelder Geflügelzuchtverein 1879 e.V.
Gärtnerei 1000schön
Kuhdyk 3
47802 Krefeld
www.kgzv1879ev.de

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