Adiam Hailesillassie

Macherin und Lebenskünstlerin

Adiam Hailesillassie floh als Kind aus Eritrea und landete schließlich in Krefeld.

Die Geschichte von Adiam Hailesillassie reicht eigentlich für drei Leben: Als Kind musste sie vor dem Krieg in Eritrea fliehen, sie wohnte in einem römischen Kloster und ist in Krefeld als kreative Friseurmeisterin bekannt. Heute unterstützt sie Menschen als Systemischer Coach und Hellseherin – und malt fast nebenbei abstrakte Ölbilder, die durch leuchtende Farben und große Kraft bestechen. Während sich manche über banale Dinge wie fehlende Parkplätze oder Schlaglöcher ärgern, ist die Wanderin zwischen Kulturen schlicht dankbar und motiviert. Im Oktober präsentiert die 51-Jährige ein Buch über ihren spirituellen Weg zur Kunst, dazu kommt eine neue Vernissage in der IHK. Ein Atelierbesuch im Schnelldurchlauf.

Unser Treffen beginnt mit Gegensätzen: Afrikanische Wurzeln treffen auf deutsche Pünktlichkeit, quirliges Innenstadtleben prallt auf ruhige Hinterhofatmosphäre, und schwarze Haare kontrastieren perfekt zum cremeweißen Hosenanzug. Durch das Atelier an der Stephanstraße fließt eine positive Energie, die bei den farbenfrohen Ölgemälden an den Wänden beginnt und sich bis zur offen-herzlichen Persönlichkeit von Adiam Hailesillassie durchzieht. „Ich bin 1974 in Tessenei im Westen Eritreas geboren, und meine Vergangenheit hat mich und meine Bilder sehr beeinflusst“, erzählt die Künstlerin gut gelaunt, während sie ohne Umschweife das Sofa ansteuert, um sich für unsere Fotos in Szene zu setzen. Dass eine von Kriegserfahrung, Flucht und Verlust von Familie geprägte Kindheit hinter ihr liegt, scheint dennoch nur zwischen den Zeilen durch. Die Jahre als Klosterschülerin in Italien und ihre tiefe Verbundenheit zu Gott haben offensichtlich dafür gesorgt, dass sie sich heute auf das Gute im Leben fokussieren kann. Diese Liebe und Kraft merkt man ihren großformatigen Werken mit Titeln wie „Tor zur Ewigkeit“ oder „Stadtwald“ durchaus an – sie sind lebendig, emotional und manchmal auch geheimnisvoll.

„Ich würde gern weiter so gut leben wie die letzten Jahrzehnte in meiner Heimat Krefeld“, blickt Adiam so hoffnungsvoll wie selbstbewusst in die Zukunft. In diesem Jahr sei sie besonders fleißig gewesen, verrät sie mit einem dezenten Schmunzeln auf den Lippen. Ihre „richtig großen“ Ölbilder – ab zwei mal zwei Meter aufwärts – könne man aktuell in der komplett neu gestalteten Designermöbel-Abteilung im Möbelhaus Knuffmann bewundern. Diese Möglichkeit habe sich zu einer „ganz wunderbaren“ Kooperation entwickelt, zeigt sich die 51-Jährige dankerfüllt. Und die nächste Kunstausstellung steht auch schon an: Am Dienstag, den 21. Oktober gibt es ab 17 Uhr „Kunst und Kultur nach Feierabend“ bei einer Vernissage in der IHK Mittlerer Niederrhein am Nordwall 39. Nicht nur die spirituelle Malerin ist dann persönlich vor Ort, auch Hauptgeschäftsführer Jürgen Steinmetz wird eine kurze Rede halten, während sich die Gäste an Kunst für die Seele und Häppchen für den Magen erfreuen dürfen.

Adiams Kunst ist unter anderem in der Designermöbel-Ausstellung von Knuffmann zu sehen.

Wie die überzeugte Krefelderin ihr Leben meisterte und schließlich zur Malerei gelangte, hat sie zwischen der Kunst und ihrem Hauptberuf als Coach, Bildungsbegleiterin und Workshop-Leiterin aufgeschrieben. Das autobiographische Werk mit dem Titel „Engel aus der Wüste“ erscheint im Oktober. „Das Buch beschreibt meinen Weg vom Unabhängigkeitskrieg in Eritrea, das damals noch zu Äthiopien gehörte, nach Deutschland. Es erzählt beispielsweise von Bomben auf mein Elternhaus, der Entführung meines Bruders durch Rebellen, einer beschwerlichen Flucht durch die Wüste in den Sudan, von glücklichen Jahren im römischen Kloster, wo es Spielsachen und Essen für mich und meine Schwestern gab, und der Zeit im Kinderheim Kastanienhof“, verspricht die Autorin eine bewegende Lektüre aus der Sicht eines Kindes. „Im Moment wird es noch lektoriert, aber ich bin schon sehr gespannt, wenn man es bald bei Amazon kaufen kann.“ Die tiefbraunen Augen blitzen, und wir tauchen noch fix in ihre Vergangenheit als Friseurmeisterin mit eigenem Salon ein.

Der Spruch „Erzähl‘ das doch deinem Friseur“ sei bei ihr Wirklichkeit geworden, plaudert Adiam aus dem Nähkästchen über fast 30 Jahre Haarkunst. „Ich hörte mir die Geschichten an, während ich die Menschen verschönerte, sie immer positiv beriet und unterstützte. Nebenbei schuf ich meine Bilder und stellte sie im Laden aus. Haareschneiden und Malerei haben viel gemeinsam, es geht um Harmonie und die persönliche Note!“ Überhaupt drehe sich ihr Leben auch außerhalb der Arbeitszeit viel um Mode, Shopping, Sport und Kultur, erfahren wir beim Rundgang durch das aufgeräumte Atelier. So findet man Adiam regelmäßig auf Krefelder Partys wie Perlipop oder bei Events wie Kultur findet Stadt. Ihr großes Herz zeigt sich vor allem in kleinen Bemerkungen, die sie nebenbei macht: über das Engagement für Kinder, die bei ihr Schildkröten bemalen oder Fische auf Leinwand bringen dürfen, die Jugendlichen, die sie spontan zum Frühstück einlädt, oder den Obdachlosen, der einen frischen Haarschnitt auf der Straße bekommt.

Heraklit sagte einst: „Die schönste Harmonie entsteht durch Zusammenbringen der Gegensätze“. Das gilt wohl auch für die Krefelder!

Adiam Hailesillassie
Atelier: Stephanstraße 13-15
47799 Krefeld
E-Mail: hailesillassie@yahoo.de
spirituelle-lebenskunst.de

Fotos: Lucas Coersten
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