Helen Troll

Wie wird man eigentlich… Imkerin?

Imkerin Helen Troll

Hinter dem süßen Frühstücksbrötchen steckt eine starke Leistung: Für ein Pfund Honig müssen Bienen rund 40.000 Mal ausfliegen und dabei eine Flugstrecke von 120.000 Kilometern zurücklegen. Auch das Leben im gut organisierten Stock fasziniert; es gibt nur eine Königin und ein riesiges Volk aus Drohnen, Wächterinnen, Putzbienen und weiteren Bediensteten. Doch die asiatische Varroa-Milbe, der Einsatz von Pestiziden und der schrumpfende Lebensraum bedrohen die fleißigen Insekten. Engagierte Imker helfen bei Krankheiten und Futtermangel – und produzieren ein Lebensmittel, das schmeckt und sogar antiseptisch wirkt. Die 30-jährige Helen Troll liebt die Kombination aus Natur, Technik und Handwerk und gibt nützliche Tipps.

Ein Nachmittag im Kleingartenverein Immenhof: Als die Frühlingssonne die graue Wolkendecke durchbricht, geht das Summen und Brummen los. Tausende kleine Pollensammler schwirren um bunte Holzkästen herum, die der Krefelder Imkerverein im neuen Lehrbienenstand errichtet hat. Um uns herum blüht es gelb, rot, weiß und lila. Zwischen insektenfreundlichen Pflanzen, einem Käferkeller und dem Sandarium für Wildbienen soll der Imker-Nachwuchs unterschiedliche Bienenbehausungen, von Fachleuten „Beuten“ genannt, verstehen können. Denn das Interesse an Bienen, Honig und Naturschutz ist seit Corona deutlich gewachsen: Zwischen 2020 und 2022 stieg die Zahl der Mitglieder des hiesigen Imkervereins von 70 auf 130 Personen. Und die seien nicht nur „ältere weiße Männer“, verrät Helen Troll schmunzelnd, während sie pragmatisch ein paar Bänke und Stühle verschiebt, damit wir Kekse und Apfelschorle vor dem Gartenhäuschen genießen können. „Der Verein ist mittlerweile bunt gemischt, es sind auch Teenager und Frauen dabei“, widerlegt sie mit einem Lächeln das Klischee einer Männerdomäne, die etwa 3.000 Jahre vor unserer Zeitrechnung in Ägypten entstand. Der älteste Nachweis einer Biene, ein Bernsteinfund, ist dabei sagenhafte 80 Millionen Jahre alt.

Die studierte Wirtschaftsinformatikerin, vor 30 Jahren in Niedersachsen geboren, landete vor fünf Jahren eher zufällig in diesem spannenden wie verantwortungsvollen Hobby. „Im Ferienhausurlaub mit der Familie habe ich ein Honigbrötchen gefrühstückt und war sofort von dem intensiven Geschmack begeistert“, erinnert sie sich. Auf ihre Frage nach der Herkunft des süßen Brotaufstrichs habe es lapidar geheißen: „Der ist von deinem Stiefbruder!“ Es sollte ein paar Minuten dauern, bis sie realisierte, dass dieser nicht im Supermarkt einkaufen war, sondern den Honig selbst hergestellt hatte – „natürlich mithilfe der Bienen“. Seitdem ist Helen Troll sprichwörtlich vom Imkervirus infiziert, liest sich in das Thema ein, befragt ihren Stiefbruder und wendet sich schließlich an den lokalen Imkerverein. „Letzteres würde ich auch jedem empfehlen, der Bienenvölker halten will“, lautet der erste von vielen Tipps, die in diesem Gespräch noch fallen werden. Der Verein unterstützt mit Knowhow und Kontakten, an jedem ersten Sonntag findet ein Stammtisch statt und Neulingen wird ein erfahrener Imkerpate zur Seite gestellt.

Neben einem Faible für die Natur, Kraft, handwerklichem Geschick und einem ruhigen Naturell sind Holzkisten die wichtigste Grundausstattung.

„Es geht hier um Lebewesen und die Verantwortung für zigtausende von Honigbienen“, betont die junge Imkerin. Ein einziges Bienenvolk besteht aus einer Königin, 1.000 bis 4.000 männlichen Drohnen sowie 20.000 bis 80.000 Arbeiterinnen, die festgelegte Aufgaben erfüllen. Nach Angaben des Deutschen Imkerbunds (DIB) halten 96 Prozent der Imkerschaft bis zu 25 Bienenvölker. Die Wahlkrefelderin ist entspannt: „Mit unserer einstelligen Zahl an Bienenvölkern gehören wir zu den Hobbyimkern“, schreibt sie norddeutsch-gelassen auf ihrer Webseite.

Umso mehr schwärmt Helen Troll mit leuchtenden Augen – Achtung Wortspiel – von ihrer Tätigkeit als Schwarmfängerin. Denn wenn die Bienen im Stock zu zahlreich werden, der Platz knapp wird, wenn viele Eier gelegt wurden oder die Königin zu altern beginnt, kommt die Zeit des Schwärmens: Die Königin verlässt mit einem Teil ihrer Arbeiterinnen das Nest, um eine neue Bleibe zu finden. Dieses Ereignis findet in der Regel zwischen Mitte April und Mitte Juli statt. „Imker versuchen zwar, den natürlichen Schwarmtrieb schon im Vorfeld durch schonende Eingriffe ins Bienenvolk zu mindern, aber ganz vermeiden lässt es sich leider nicht“, so die Bienenzüchterin. Wer einen Bienenschwarm im Garten habe, müsse nicht beunruhigt sein oder befürchten, gestochen zu werden. Mit einer Schwarmfänger-Hotline bietet der Imkerverein schnelle Hilfe an, sofern es sich tatsächlich um Honigbienen und nicht um Wespen oder Hornissen handelt, die unter das Bundesnaturschutzgesetz fallen. Wir werfen einen Blick in Helens Kofferraum, der nicht nur den klassischen Imkeranzug mit Hut und Schleier enthält, sondern auch lange Rohre zum Einfangen eines Schwarms. „Anfang April haben wir in St. Tönis eine alte Königin mit ihrem Schwarm in zehn Meter Höhe angetroffen, da brauchte es schon einige Rohre“, lacht die Imkerin und zeigt auf dem Smartphone, wie sie ihre Erlebnisse auf Instagram festhält. Als technikaffine Informatikerin zeichnet sie Gewichtsveränderung und Temperatur ihrer zwei Bienenvölker live auf und präsentiert Zahlen und Grafiken auf einem Beelogger im Netz.

Die jahrtausendealte Imkerei erweist sich als vielseitig und zeitintensiv: So überwacht Helen Troll aufmerksam und regelmäßig die Bienenstöcke, achtet auf die Gesundheit der Königinnen und schützt die Bienenvölker vor Krankheiten. Zudem sorgt sie dafür, dass ausreichend Wintervorräte zur Verfügung stehen, um im Frühling möglichst viele Pollensammlerinnen zu haben. „Es ist immer ein Kompromiss zwischen Kontrolle und Störung der Bienen“, resümiert sie auf ihre bodenständi-ge Art und erklärt mit ruhiger Stimme die einzelnen Schritte der Honigproduktion: „Zunächst holen wir die Rahmen vorsichtig heraus, entdeckeln mit einer speziellen Gabel oder einem Messer die Wachsschicht und setzen sie dann in eine automatische Schleuder ein.“ Diese befinde sich in einem Schleuderraum des Krefelder Tierheims, freut sich Helen gleich doppelt über diese Kooperation sowie die Spende der SWK, die den Kauf der Schleuder ermöglichte. „Der flüssige Honig kristallisiert, wird in einem weiteren Schritt noch gesiebt und anschließend in Gläser abgefüllt. Mehr Magie ist da auch nicht.“ Doch hört man die lange Liste von gesetzlichen Vorschriften bezüglich Hygiene, Verpackung oder Lebensmittelherstellung, versteht man, warum eine Mitgliedschaft in einem Imkerverein wirklich nicht schaden kann. Zumal eine Versicherung inklusive sei, verrät die Imkerin mit einem Blick auf eventuelle Stiche oder Produkthaftungsfragen.

Gefragt nach den Voraussetzungen, die angehende Jungimker erfüllen sollten, muss sie nicht lange nachdenken: „Neben dem Faible für Umwelt und Natur braucht es etwas Kraft und handwerkliches Geschick, eine eher ruhige Ausstrahlung, Verantwortungsbewusstsein und eine Ausstattung an Holzkisten.“ Auch hier seien Imkervereine gute Ansprechpartner, weil sie über Material und Ableger verfügten. Wer gar nicht selbst produzieren wolle, sollte darauf achten, dass der Honig aus Deutschland stammt und keine Mischung aus EU- und Nicht-EU-Ländern ist. Und wer sich statt um Honigbienen lieber um Wildbienen kümmern möchte, die meist als Einzelgänger durchs Leben fliegen, erhält bei den Zoo-Events oder am Maja-Mobil wertvolle Tipps zu Insektenhotels und Wildblumenwiesen. Damit es auch in den nächsten Jahren noch kräftig summt und brummt.

Krefelder Imkerverein e.V.
imkerverein-krefeld.de
Imkerei Troll & Majkic
bienen.majkic.de

Fotos: Felix Burandt
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