Faszination Mittelalter: Manche Menschen verkleiden sich als Ritter oder Burgfräulein, andere träumen von einer ganzen Burg. Als ein Krefelder Förderverein vor 70 Jahren die Burg Bischofstein erwarb, ging es zunächst um lehrreiche Klassenfahrten für Fichte-Schüler. Inzwischen ist die Herberge auch offen für Brautpaare, Familien, Firmen oder Naturfreunde, die hoch über dem Moseltal feiern, tagen oder Energie tanken wollen. Michael Plückhahn und Michael Skoniecki weckten schöne Erinnerungen an Muckefuck und Marmeladenbrote, Hochbetten und Hausmeister, ohne dabei die Herausforderungen auszublenden. Denn es kostet viel Arbeitszeit und noch mehr Geld, um eine Immobilie aus dem 13. Jahrhundert zu erhalten.
„Eine Burg in Rheinland-Pfalz? Wo ist denn der Bezug zu Krefeld?“ Auf diese Frage des Redaktionsleiters, der offenbar eine andere Schule als ich besucht hat, gibt es zwei Antworten: „In den letzten 70 Jahren war die Burg Bischofstein zwischen Cochem und Koblenz ein besonderes Reiseziel für hunderte Krefelder Schulklassen“ und „Ohne die Helfer aus Krefeld, die fast jede freie Minute ihrer Lieblingsburg widmen, könnte so ein Anwesen nicht gestemmt werden“. Das Thema wird wohlwollend abgenickt, und drei Abiturienten des ehemaligen Fichte-Gymnasiums treffen sich auf ein Bier im Fischelner Burghof Gietz. Es wird ein langer Abend, denn Michael Plückhahn, der den Förderverein des Schullandheims als 2. Vorsitzender leitet, und Burgbeleger Michael Skoniecki sind mit Herzblut bei der Sache und haben viel zu erzählen.
Dass wir eigentlich von einer Ruine und nicht von einer mittelalterlichen Burg sprechen, die 1930 von einem Darmstädter Bankier zum Ferienhaus umgebaut wurde, auf welchen Baustil sich der Denkmalschutz bezieht oder was bei Dauerregen passieren kann – man muss gar keine Fragen stellen, die Geschichten sprudeln von allein. Trotz des Altersunterschieds von 14 Jahren wirken Plückhahn und Skoniecki wie ein gut eingespieltes Team, das sich gegenseitig Bälle zuwirft. Kein Wunder, beide kennen und schätzen sich seit langer Zeit auch als Beisitzer des Ehemaligenvereins EFG, in dem sich Schüler, Angehörige und Lehrkräfte des Fichte-Gymnasiums 1987 zusammenschlossen. Sportlehrer Wolfgang Hüskes, ehemaliger 1. Vorsitzender, habe sie „sanft, aber bestimmt“ ins Ehrenamt geschubst, erzählen sie lächelnd.
Beide Vereine hätten sich angesichts überschneidender Interessen auch personell immer mehr angenähert: An unzähligen Arbeitswochenenden wurde gemeinsam der baufällige Turm mit dem markanten weißen Ring saniert oder die hauseigene Kapelle St. Stephan restauriert. „Es macht einfach Spaß, und wir lernen immer wieder dazu“, freut sich Skoniecki darüber, was in den letzten Jahren alles geschafft wurde. „Die wohl größte Herausforderung war 2014 die Bekämpfung des Hausbockkäfers“, erinnert sich der 60-jährige Plückhahn, während er intensiv über den Holztisch blickt. „Nur durch die unermüdliche Arbeitskraft von vielen Freiwilligen und einer enormen Spendenbereitschaft von mehr als 300.000 Euro konnte letztlich das Unheil abgewendet werden, das den Verfall der Burg zur Folge gehabt hätte.“ Dazu musste der Wohntrakt vollständig in eine spezielle Alufolie eingepackt und auf 70 Grad Celsius erwärmt werden. Das historische Kleinod, das mittlerweile über eine neue Heizung und einen Glasfaseranschluss verfügt, liegt nicht nur den Jungs spürbar am Herzen. Zusammengerechnet rund 700 Mitglieder setzen sich mit Beiträgen und Zeit dafür ein, die Burg Bischofstein auch für zukünftige Generationen zu erhalten.
So stehen die geschichtsträchtigen Mauern aus dem Mittelalter seit 2018 allen Krefelder Schulen für eine Auszeit mit außergewöhnlichem Flair offen. Der Clou: Im Unterschied zu Jugendherbergen und anderen Gästehäusern wird jeweils nur eine Belegung aufgenommen. „Man ist für eine Weile wirklich sein eigener Burgherr“, resümiert Manager Michael Skoniecki strahlend und betont, dass die vorhandenen Räume und Freizeitangebote exklusiv genutzt werden können. Und das gelte für alle Gesellschaften ab 20 Personen, die die Burg privat für eine Familienfeier, eine Hochzeit oder ein Firmenevent anmieten wollten, wirft Michael Plückhahn freundlich ein. Eine kleine Challenge sei es, zu Fuß den steilen Fels gegenüber dem Moselörtchen Burgen zu erklimmen, Parkplätze sind nämlich rar. Doch als Belohnung winkt ein herrlicher Ausblick über das Moseltal. Insgesamt stehen 35 Schlafplätze zur Verfügung – mit dem Charme, dass es sich meist um Mehrbettzimmer mit sechs bis zwölf Etagenbetten handelt. Aber es gibt auch ein Doppel- und zwei Einzelzimmer, und das kleine Biologie-Labor unter dem Dach wurde als Übernachtungsmöglichkeit für den Vorstand hergerichtet, damit dieser an Wochenenden die Burgeltern Julia und Oliver Stephan entlasten könne, sagt „der Plücki“ mit einem trockenen Hinweis auf das Arbeitszeitgesetz.
Bei der Frage nach dem alten Duschhaus im Hof, an das sich bestimmt viele Ehemalige erinnern, muss er erst lachen: „Die Sanitäranlagen liegen neuerdings im Haupthaus. Diese Modernisierung war das letzte große Projekt von Architekt Andreas Schlösser, den wir alle sehr vermissen.“ Seine Augen verdunkeln sich kurz bei der Erinnerung an den unerwarteten Tod des langjährigen 2. Vorsitzenden. Zumal wenige Jahre später Insa Wunderatsch, ebenso Vorstandsmitglied, mit nur 34 Jahren plötzlich verstarb. Menschlich wie fachlich seien „echte Lücken“ entstanden, sind sich beide einig. Doch die Freiwilligen gaben nicht auf und meisterten auch diese Phase. „Im Grunde managen wir nebenberuflich eine ganze Firma mit Personal“, verraten sie heute so unisono wie bodenständig. Während Unternehmensberater Plückhahn gerade Angebote von ortsnahen Fachfirmen zur Erledigung anstehender Arbeiten einholt, organisiert Verwaltungsangestellter Skoniecki die Belegung der Burg und hat sofort Zahlen parat: „2023 gab es mehr als 2.000 Übernachtungen und über 900 Besucher.“ Welche ungewöhnlichen Aufgaben in diesem Ehrenamt anstehen, wird deutlich, als er das Handy zückt, um Live-Bilder der Burg zu zeigen. „Der Bergfried ist am Wochenende geöffnet und kann von Wanderern bestiegen werden. Und die Schließanlage steuern wir einfach von Krefeld aus.“ Dies sei auch eine Gegenleistung für den heimischen Moselverein, der sich ebenfalls sehr für die Burg Bischofstein engagiere.
An Ideen mangelt es dem Krefelder Förderverein jedenfalls nicht, um die Finanzen auf stabilere Füße zu stellen; die Palette möglicher Events reicht von Whisky Tastings über Lesungen bis hin zu Yoga Retreats oder großen Feiern. „Während die Burg im Sommer für die nächsten zwei Jahre so gut wie ausgebucht ist, wollen wir andere Zeiten besser auslasten“, so der Burgbeleger. „Schulklassen erhalten Vollpension, für private Gruppen ist Frühstück vorgesehen. In unserer kalten Küche kann man sich selbst verpflegen, auch an Kaffeemaschine und Gas- sowie Holzkohlegrill im Burghof ist gedacht.“ Die Erwähnung von Mahlzeiten malt längst vergessene Bilder in den Kopf: Lange Tische im Speisesaal, große Blechkannen gefüllt mit einem kaffeeähnlichen Gebräu, die Berge von Graubrotscheiben beidseitig mit Marmelade beschmiert. Hausmeister Teipel wusste damals genau, wie wir die Burg nach einer Woche zu hinterlassen hatten: frisch gebohnert und geputzt, und „auf keinen Fall mit dat ATA an die Holzböden gehen!“. Wer in die nostalgischen Anfänge des Schullandheims eintauchen will, findet auf YouTube ein wunderbares Amateur-Video aus dem Jahr 1963. Aktuelle Einblicke bietet die Webseite burgbischofstein.org/.
Burgbesitzer zu werden, ist heute einfacher als im Mittelalter, als Ritter und Adelige das Sagen hatten: Es reicht schon, im Förderverein mitzumachen oder als Kleingruppe für ein paar Tage an die Mosel zu reisen. Denn „kaum ein anderes Bauwerk fasziniert und wirkt so eindrucksvoll wie eine Burg auf einem Berg“, schreibt Winfried Schorre in seinem Bildband über die Burg Bischofstein. Packt die Wanderschuhe ein!
Förderverein der Burg Bischofstein e.V.
M. Ritters
Dießemer Str. 88
47799 Krefeld
DE26 3205 0000 0000 3028 02
Sparkasse Krefeld
Fotos: Felix Burandt