Von wegen altbacken: Vorbei ist die Zeit, in der Blasmusik nur Märsche, Walzer oder Polkas bedeutete. Bands wie LaBrassBanda oder Querbeat füllen mittlerweile Konzerthallen. Denn Blasmusik ist vielseitiger, als alte Klischees suggerieren. Auch die Krefelder Pfarrbläser St. Stephan setzen auf ein breites Repertoire von Klassik bis Swing, ohne ihre christlichen Wurzeln zu vergessen. Das sinfonische Blasorchester feiert am 17. Dezember sein Goldjubiläum mit einem Streifzug durch die Lieblingsstücke seiner Dirigenten. Klaus Grubert und Rüdiger Rentzsch warfen mit uns einen launigen Blick in die Vereinsgeschichte. Ihr Tenor: Musik verbindet Menschen und macht glücklich.
Pfarrer Wilhelm Merkelbach war seiner Zeit weit voraus: Im Jahr 1973 suchte er nach neuen Wegen, die Kommunionkinder der Gemeinde zu begeistern und enger an die Kirche zu binden. Neben den „üblichen Verdächtigen“ der Jugendarbeit, Messdiener zu werden oder im Chor zu singen, lud er sie ein, in einem Orchester Musik zu machen. Instrumente waren schnell angeschafft. „Merkelbach hatte sich als Theologiestudent mit Musik etwas Geld hinzuverdient, und er gewann schnell Sponsoren für sein Projekt“, erinnert sich Tenorhornist und zweiter Vorsitzender Klaus Grubert in breitestem Krieewelsch an die Gründungszeit seiner musikalischen Heimat. „Er war lange Jahre unser Dirigent, bis er 1989 nach Eschweiler wechselte.“ Der gebürtige Krefelder ist seit dem Teenageralter aktives Mitglied der Pfarrbläser St. Stephan und hat an diesem Freitagabend einige Anekdoten parat. So hätte der Pfarrer nach dem Kommunionsunterricht seine heutige Schwägerin Martina Lax gefragt: „Willste ein Instrument spielen?“ Und die damals Neunjährige nahm einfach alle drei Optionen wahr. Sie spiele heute noch begeistert mit, wie Grubert nicht ohne Stolz in der Stimme anmerkt.
Rüdiger Rentzsch, der das Euphonium bläst und zeitweise mit seinen zwei Söhnen im Orchester mitwirkt, weist ruhig auf die positiven Nebenwirkungen von Musik hin: „Viele Jahrzehnte vor dem Programm ‚Jedem Kind ein Instrument‘ hat Pastor Merkelbach erkannt, wie stark gemeinsames Musizieren die Entwicklung und das soziale Miteinander fördert.“ Überhaupt gehe es familiär und bodenständig zu bei den Pfarrbläsern, sind sich beide einig. Waren es anfangs überwiegend Kinder und Jugendliche im Orchester, reiche die Altersspanne heute von 18 bis 84 Jahren. „Es sind nicht nur viele Generationen vertreten, sondern auch alle möglichen Berufsgruppen von Arzt, Krankenpflegerin, Sozialarbeiter bis zum Justizbeamten“, wirft Grubert ein und lacht. Was sie verbinde? Die Musik und die Haltung, was wirklich zähle im Leben. Denn die rund 45 aktiven Musiker des Ensembles nähmen sich selbst bei allem Ehrgeiz nicht zu ernst, legten aber Wert auf soziales Engagement, weist Rentzsch auf die zahlreichen, oft ehrenamtlichen Auftritte hin. Die Eröffnung des Weihnachtsmarkts und viele Martinszüge sind ohne die Pfarrbläser von St. Stephan kaum denkbar, das offenbart schon ein kurzer Blick auf die Presseberichte. Ob in Kirchen, Kitas, Hospizen oder als Fensterkonzerte vor Seniorenheimen während der Coronaphase – die selbst ernannten „Gebrauchsmusiker“ haben offensichtlich ein großes Herz und stellen ihr Können gern in den Dienst einer guten Sache.
Aktuell wird fleißig geprobt für das große Jubiläumskonzert, das am 17. Dezember ab 16 Uhr in der Kirche St. Elisabeth am Viktoriaplatz stattfinden wird. Es fällt ausnahmsweise mit dem traditionellen Adventskonzert zusammen, wie Klaus Grubert sachlich erklärt: „Es hätte nahe gelegen, das 50-jährige Bestehen mit einem sommerlichen Sonderkonzert zu begehen. Da wir seit wenigen Monaten mit Stefan Mang einen neuen Dirigenten haben, nachdem Andreas Lind zum Jahresende ausgeschieden ist, war die Zeit aber zu kurz, um bis zum Sommer ein neues Programm einzustudieren.“ Musikalisch werde es einen Streifzug durch die Lieblingssongs der Dirigenten geben, und so stehen auf der Setlist unter anderem ein Potpourri von „Hänsel und Gretel“, die „Petersburger Schlittenfahrt“ oder der „Boléro de Noël“, verspricht Rüdiger Rentzsch mit leuchtenden Augen. Und Grubert betont: „Es wird natürlich ein kleines Festprogramm mit Reden, Essen und Zeit zum Klönen geben, so viel Zeit muss sein!“
Dass das Repertoire des Ensembles breit gefächert und eine stetige Weiterentwicklung angestrebt ist, untermauert auch ein Blick in das Workshop-Programm: Mit Martin Schädlich wurde ein erfahrener Musikprofi gewonnen, der der Fähigkeiten der Teilnehmenden ebenso konzentriert wie locker zu Themen wie „Rhythm Is It“ und „Swing“ ausbaut. Neue Termine sind bereits in Planung. Wer jetzt nach längerer Spielpause Lust bekommen hat, sein Instrument aus dem Schrank zu holen und wieder zu üben und aufzutreten, wird bei den Pfarrbläsern St. Stephan viel mehr als eine coole Truppe antreffen, die Blasmusik macht. Als Bonus gibt es eine große Familie dazu. Und das ist in Zeiten wie diesen doch Gold wert.