Krefeld zählt zu den 20 deutschen Städten mit der niedrigsten Frauenerwerbsquote. Nur etwa jede zweite Frau in Krefeld ist berufstätig. Nur jede Achte ist in Vollzeit beschäftigt. Das verstärkt den Fach- und Führungskräftemangel auf dem Krefelder Arbeitsmarkt. Dabei liegt es nicht an der Qualifikation, doch was sind dann die Gründe und was muss man ändern? Hier setzen die „Leading Ladies in Town“ an, ambitionierte Frauen dabei zu unterstützen, ihre Führungs- und Fachkarriere anzugehen und auch mit für sie passenden Unternehmen in Verbindung zu kommen. So werden nicht nur hochqualifizierte Frauen, sondern auch die Krefelder Wirtschaft gestärkt – und das interessiert auch die Männer.
„Die Frauenerwerbsquote in Krefeld zeigt, wie nötig so ein Netzwerk hier in Krefeld ist“, stellt Denise Matthijsse fest. „Bei unseren Netzwerktreffen sehen wir, dass die Stadt voll ist mit hochqualifizierten, coolen Frauen, die etwas erreichen können und wollen. Wenn wir dabei motivieren und mitnehmen, ist unser Job eigentlich schon fast getan.“ Bettina Pöhler ergänzt: „Es geht tatsächlich sehr viel um das Mutmachen. Aufzeigen, dass es geht. Jede hat da unterschiedliche Barrieren im Kopf.“ Die beiden jungen Frauen sind Mitglieder der ersten Stunde bei den Leading Ladies in Town, kurz LLiT, mittlerweile wirken beide im Steuerungskreis des Netzwerks mit.
Die acht Mitglieder des Steuerungsteams haben bis jetzt alle Aufgaben selbst erledigt. „Das ist unglaublich dynamisch, direkt mitzugestalten. Darum haben wir auch schnell viel geschafft. Jetzt wächst das Ganze“, erklärt Pöhler. Deshalb haben die LLiT angefangen, einen Talentpool aufzubauen. Sie haben alle Mitglieder befragt, wer in welchem Bereich unterstützen kann. „Das ist jetzt unsere Datenbank, um Aufgaben zur Mitwirkung zu verteilen“, freut sich Matthijsse. Derzeit sind etwa 170 Frauen und Männer aus Wirtschaft, Politik, Bildung, Sport und Kultur miteinander vernetzt.
Generell stellen die LLiT viele Fragen. „Das ist ein Ansatz, der uns eigentlich von Anfang an begleitet“, berichtet Matthijsse. Die LLiT wollen ein aktives, zupackendes Netzwerk sein, dafür muss man wissen, was fehlt oder wo es hakt. „Wir fragen die Frauen selber, Unternehmen, Schulen und Hochschulen und natürlich auch Männer“, so Matthijsse. Aus den Ergebnissen leiten sie ihre Maßnahmen ab und priorisieren diese. Die ehrenamtliche Arbeit des Steuerungskreises bedingt begrenzte zeitliche Ressourcen, das macht es unmöglich, alle Pläne gleichzeitig anzugehen, sowie ein schmales Budget. „Ein gutes Beispiel ist die Social-Media-Arbeit, wir können keine schicken Stockbilder einkaufen oder einen Fotografen buchen. Sondern schauen mit Bordmitteln, dass wir vernünftigen Content hinkriegen“, gibt Matthijsse Einblick in ihren Aufgabenbereich bei den LLiT – die Sichtbarkeit. Wichtig ist ihr aber auch das Thema ‚Frauen unterstützen Frauen‘ und ‚Frauen hören auf, Frauen zu kritisieren‘. „Ob jetzt für oder gegen Karriere, für Kind und Karriere, für Hund und Karriere, für gar nichts“, sagt Matthijsse bestimmt.
Bei vielen Frauen ist der Wunsch noch gar nicht gereift, eine Führungsposition anzustreben. „Ich denke, gerade bei ganz jungen Frauen spielt Führung nicht sofort eine Rolle. Bis man im Job ist und jemanden hat, der einen führt“, sagt Denise Matthijsse, Pressesprecherin der SWK, „deswegen müssen wir rechtzeitig ins Gespräch kommen, den Gedanken pflanzen und aufzeigen, dass es geht und richtig Spaß macht.“ Die Motivation ist dabei sehr unterschiedlich. „Ich selbst habe gar nicht diesen Führungswunsch gehabt,“, erzählt Matthijsse, „sondern einen ganz krassen Mitgestaltungswillen. Ich will überall dabei sein. Ich liebe es, Leute zu verknüpfen. Ich liebe es, Entscheidungen mit zu treffen und das geht halt nicht aus jeder Position heraus.“ Leading Ladies müssen dabei nicht zwangsläufig eine Führungsrolle anstreben, es geht um die innere Haltung, dass ein Job etwas sehr Erfüllendes ist, aber auch die finanzielle Selbständigkeit und Altersversorgung absichert. „Da muss nicht zwingend der Stempel Leitung drauf sein. Das können auch ambitionierte Fachkarrieren sein“, erläutert Pöhler, die selbstständige Mentorin ist.
Weil Frauen oft langfristig denken, spielt auch die Familienplanung eine Rolle. Die Mentorin möchte ermutigen, einfach zu starten: „Traut euch, ihr müsst nicht vorher den kompletten Plan haben, wie es laufen kann.“ Klarheit zu haben – wo will ich hin, was will ich erreichen –, Haltung und Eigenverantwortung: Das sind genau die Themen, für die Bettina Pöhler brennt. „Wo hängt es bei einem selbst? Man kann nicht immer alles auf die Umstände schieben“, weiß Pöhler, „es geht darum, was ich daraus mache. Zu ermutigen, das Leben selbst in die Hand zu nehmen, das ist, was mich persönlich umtreibt.“
Ein Kernstück der LLiT sind Live-Veranstaltungen. „LLiT sind extrem lebendig und produktiv, das macht uns besonders und hebt uns auch von anderen Netzwerken ab“, so Matthijsse sichtlich stolz. Es geht um Austausch und Impulse, damit individuelle Unterstützungsangebote gefunden werden können. „Man kann direkt Kontakte knüpfen. Das ist lokal natürlich super dankbar“, begeistert sich Bettina Pöhler. Zukünftig planen die LLiT zwei Ankerveranstaltungen im Jahr. Im Rahmen von 650 Jahre Krefeld wird es eine Podiumsdiskussion über Generationen hinweg geben. Leading Ladies in verschiedenen Lebensabschnitten wagen im Kontext des Jubiläums eine Rückschau: ‚Was hat sich schon getan?“ Und eine Vorausschau: „Was braucht es jetzt noch?“
Veranstaltungen kündigen die LLiT regelmäßig bei LinkedIn an. „Man kann einfach kommen, sich austauschen und sich nie wieder blicken lassen. Das nehmen wir keinem übel“, verspricht Matthijsse mit einem Augenzwinkern. Diese Einladung geht ausdrücklich an Frauen wie Männer. „Gemeinsam funktioniert es viel besser“, ist Bettina Pöhler wichtig. „Wir suchen weitere Männer, die unsere Sache unterstützen“, ergänzt Denise Matthijsse. Die Arbeitswelt und die Führung der Zukunft weiblicher zu gestalten, ist eine gemeinsame Aufgabe, von der am Ende alle profitieren. Die Frauen, die Wirtschaft und die Männer.