Nach drei Jahren Ausbildung schließen angehende Tischlerinnen und Tischler ihre Lehrzeit mit einem Gesellenstück ab. So ist es auch beim Abschlussjahrgang 2021, der 2018 mit der Arbeit begonnen hat. Nach der langen Zeit in Betrieb und Schule lassen die frischgebackenen Handwerker normalerweise die Korken knallen und laden Freunde und Verwandte dazu ein, ihre Designstücke in einer Ausstellung vor Ort zu bewundern. Doch da das in der Corona-Zeit leider nicht möglich ist, hat sich die Krefelder Tischlerinnung entschieden, die Gesellenstücke zumindest medial zu präsentieren. Denn in diesen Schreibtischen, Sideboards, Tischen und Sekretären steckt so viel Arbeit und Kreativität, dass es schade wäre, sie unter Ausschluss der Öffentlichkeit zu prämieren. Stellvertretend für alle geleisteten Arbeiten stellen wir an dieser Stelle die besten Möbelstücke des Jahrgangs vor, wobei zwischen den Jahresbesten und den Preisträgern „Die gute Form“ zu unterscheiden ist.
Durch eine besonders pfiffige Lösung zeichnet sich der Entwurf des erstplazierten Jahresbesten Ayden Grigat von der Schreinerei Markus Stosiek aus: Die Nutzfläche seines Tischs lässt sich mit ein paar Handgriffen verdoppeln oder halbieren. „Den Tisch habe ich für meine kleine Wohnung gebaut“, erklärt Ayden. „Normalerweise reicht mir die kleine Fläche, aber ausgeklappt finden vier Freunde daran Platz.“ Dabei beruht die Konstruktion auf einfachen, aber intelligent eingesetzten Klappscharnieren. „Ich wollte lieber mehr Kreativität investieren als viel Geld in teure Beschläge“, so der Jahrgangssieger. Den zweiten Platz unter den Jahresbesten und zugleich den dritten Platz für „Die gute Form“ belegt Stefan Langfurth, der seine Ausbildung bei der Fischelner Schreinerei Frank Thelen absolviert hat. Sein Sideboard besticht durch die ungewöhnliche Gestaltungsidee, die Türen und die Schublade mit Lamellen auszustatten, was zu einem spannenden 3D-Effekt führt, der durch eine interessante Materialcollage noch verstärkt wird.
Als einziger der prämierten Entwürfe verwendet der drittplatzierte Jahresbeste Tobias Petermeier von der Schreinerei Wans für sein Möbelstück sogenannte HPL-Platten mit grauer Kunststoffbeschichtung. Das macht seine Schreibtischoberfläche sehr viel pflegeleichter und robuster als eine reine Holzausführung. Dazu bietet Tobias‘ Computertisch einige praktische Details, wie eine doppelte Rückwand für die Verkabelung und viel Stauraum für EDV-Geräte und Zubehör. Eine durchdachte Lösung ist auch das flexible Einschubelement an der rechten Tischseite. Den ersten Platz in der Kategorie „Die gute Form“ teilen sich Aurel Aigner von der Schreinerei Ludwig Klapdor und Lici Shkelqim von der Schreinerei Wans. Lici konnte bei der Präsentation leider nicht persönlich vor Ort sein, dafür sprachen wir mit Aurel, dessen Schreibtisch aus Ahorn- und Nussbaumholz besteht, die er für Beine und Tischplatten einsetzte. Die Prüfer lobten besonders die ungewöhnliche Durchschublösung und die komplette Zerlegbarkeit des Möbelstücks.
Die 14 jungen Männer hatten sich in Krefeld 2018 für eine Tischlerausbildung – und damit für einen spannenden und vielseitigen Beruf – entschieden. Aus dem natürlichen Werkstoff Holz – aber auch aus Glas, Metall, Stein und Kunststoff – baut man als Tischlerin oder Tischler Möbel, Fenster, Türen und Treppen. Manchmal geht es auch um komplette Innenausbauten, einen Carport oder einen Wintergarten. Die Tischlerarbeit findet traditionell handwerklich statt, aber ebenso an modernen CNC-Maschinen oder am Computer. Geschickte Hände sind für den Beruf genauso notwendig wie Köpfchen und ein guter Umgang mit Menschen. Denn ein großer Teil der Arbeit findet vor Ort beim Kunden statt.
Laut Ausbildungsordnung haben die Tischler-Azubis für ihr Gesellenstück 100 Stunden Arbeitszeit im Lehrbetrieb zur Verfügung. Bevor die Frist startet, muss ein Entwurf – in Form einer CAD-Zeichnung – beim zuständigen Prüfungsausschuss eingereicht und in einem Präsentationsgespräch genehmigt werden. Die Planung dafür dauert oftmals bis zu einem halben Jahr. Das dafür nötige CAD-Programm bekommen die Auszubildenden von der Berufsschule gestellt. „Die Prüfungsordnung verlangt, dass die Gesellenstücke ein Mindestmaß an handwerklichem Geschick erfordern – und zum Beispiel bewegliche Teile wie Schubladen, Auszüge oder Türen haben“, erklärt Georg Eiker, der vonseiten der Innung Verantwortliche für die Ausbildung. „Die fertigen Gesellenstücke werden in diesem Jahr der Berufsschule ausgestellt und geprüft. Dabei geht es um die handwerkliche Qualität sowie um die Innovation des Stücks.“
Im zweiten Prüfungsteil müssen die angehenden Gesellen in der Werkstatt der Berufsschule sieben Stunden unter Aufsicht ein Kleinstmöbel herstellen. Dafür bekommen sie vorher eine Materialliste. Werkzeuge müssen sie auch mitbringen. „Auf diese Weise sehen wir, was die Auszubildenden in kurzer Zeit und völlig auf sich allein gestellt schaffen“, so Georg Eiker. „Wir sind sehr stolz, dass unsere Krefelder Innung so gute Voraussetzungen für die Ausbildung bietet“, freut sich der Tischlermeister. „Wir haben in der Berufsschule einen technisch sehr gut ausgestatteten Maschinenraum eingerichtet, in dem auch die überbetrieblichen Unterweisungen stattfinden. Schule, Innung und die Auszubildenden profitieren von der engen Zusammenarbeit. In anderen Regionen ist es üblich, dass die überbetrieblichen Lehrgänge in angemieteten Hallen an ganz anderer Stelle stattfinden. In Krefeld sind wir am Standort der Berufsschule eingerichtet, was sich in der Qualität der Ausstattung und im Austausch bemerkbar macht.“
Das Möbelstück bauen die angehenden Handwerker allerdings für sich selbst, denn das dürfen sie nach der Prüfung mit nach Hause nehmen. Also werden auch die aktuell am Glockenspitz ausgestellten Werkstücke ihren Weg in die Häuser und Wohnungen finden.
Mehr über das Tischlerhandwerk erfährt man unter www.tischler.nrw. Auf der Website der Krefelder Tischler-Innung www.tischler-innung-krefeld.de findet sich auch eine Liste der Mitgliedsbetriebe.