Eigentlich war alles wie immer an diesem Mittwochnachmittag im Januar. Heinz hatte sein Stück Kuchen während der Tagesschau genossen und anschließend ein bisschen durchs Programm geschaltet, als ihm auf einmal die Kaffeetasse aus der Hand rutschte. „Das war aber eine komische Reaktion meiner Hand“, dachte der 67-Jährige noch, als er merkte, dass ihm die Worte fehlten, um seiner Frau Monika über sein Erstaunen zu berichten. Gott sei Dank – so weiß Heinz heute – kennt Monika ihren Mann gut und reagierte sofort. Eigentlich nur mit dem Handtuch herbeigeeilt, um das nasse Sofa zu behandeln, merkte sie gleich, dass mit ihrem Mann etwas nicht stimmte. Als dieser auf ihre Fragen nicht antwortete, griff sie sofort zum Hörer und wählte den Notruf.
„Time is brain“, weiß Prof. Dr. Hans-Jürgen von Giesen, der als ärztlicher Direktor der Alexianer Krefeld GmbH und als Chefarzt der Klinik für Neurologie im Krankenhaus Maria-Hilf fast täglich mit Schlaganfallpatienten in Kontakt kommt. „Gerade bei einem Schlaganfall sind die ersten Stunden entscheidend. Das, was jetzt passiert, bestimmt den gesamten weiteren Krankheitsverlauf.“ Das Rettungsteam fuhr Heinz auf Wunsch seiner Ehefrau ins Maria-Hilf. In einer der zwei zertifizierten Stroke-Units in Krefeld sind die Mitarbeitenden in der Notaufnahme besonders auf den Umgang mit möglichen Schlaganfall-Patienten geschult. Nur wenige Minuten nach seiner Ankunft in der Klinik am Dießemer Bruch lag Heinz im Computertomografen, um eine detaillierte Aufnahme seines Gehirns zu erstellen. Weitere zehn Minuten später hatte Dr. Jens-Holger Moll als leitender Arzt des Schlaganfall-Zentrums und der Spezialeinheit „Stroke-Unit“ die neurologischen Ergebnisse auf dem Bildschirm. „Einmal in der Woche üben wir diese Abläufe mit allen Mitarbeitenden der Notfallambulanz, der Neurologie und der Radiologie“, beschreibt er. „In 30 Minuten muss die Diagnose stehen – das ist unser Anspruch.“ Dass die Stroke-Unit des Krankenhauses Maria-Hilf diesen erfüllt, zeigen die Werte der Qualitätssicherung im Vergleich des Kammerbezirks. Hier schneidet das Krankenhaus überdurchschnittlich ab – die wichtigen Handgriffe bis zur Diagnose sind eingespielt.
Warum aber sind die ersten Minuten nach Eintreten der Schlaganfallsymptome so entscheidend? Um behandeln zu können, müssen die Ärzte wissen, ob entweder ein Gehirninfarkt, das ist bei einem Dreiviertel der Fälle so, oder aber eine Gehirnblutung vorliegt. Beides wird völlig unterschiedlich behandelt. Liegt ein Gefäßverschluss vor, kann dieser in der Regel innerhalb der ersten viereinhalb Stunden rein medikamentös behandelt werden. Mit jeder Minute, in der die Ärzte gegen den Schlaganfall kämpfen, steigt das Risiko bleibender Schäden. Deswegen, so sagt Professor von Giesen nachdrücklich, sei es wichtig, dass der Rettungswagen, wie bei Heinz, direkt in ein Krankenhaus mit einer zertifizierten Stroke-Unit fährt. „Es gibt Studien darüber, dass Patienten, die in einem spezialisierten Krankenhaus behandelt werden, bessere Krankheitsverläufe haben“, erklärt von Giesen. Die regionale Stroke-Unit am Krankenhaus Maria-Hilf ist bereits seit 2013 als solche zertifiziert und befindet sich in der dritten Wiederzertifizierungsphase, die inzwischen eine ausgiebige Erfahrung mit Schlaganfallpatienten bescheinigt. Jedes Jahr werden hier rund 600 Patienten behandelt.
Heinz konnte aufgrund der schnellen Reaktion seiner Frau und dem vorbildlichen Verhalten in der Notaufnahme rein medikamentös geholfen werden. Für drei Nächte kam er in die Stroke-Unit des Krankenhauses, in dem Schlaganfallpatienten rund um die Uhr durch Monitore überwacht werden. Ein Arzt ist 24 Stunden am Tag allein dafür abgestellt, bei einem Notfall sofort reagieren zu können.
Schon am Donnerstag, dem ersten Tag nach seinem akuten Schlaganfall, brachte Dr. Moll eine mehrköpfige Gruppe von interdisziplinären Spezialisten an sein Bett. So sind neben der medizinischen und pflegerischen Akutbehandlung auch Ergo- und Physiotherapeuten sowie Logopäden und Ernährungsberater in der Stroke-Unit dafür da, die Folgen des Schlaganfalls mitzubehandeln. Hätte Heinz auf seine Symptome gehört, so glaubt seine Frau Monika, hätten die Mediziner möglicherweise vorbeugen können. Denn der 67-Jährige kämpft seit Jahren mit hohen Cholesterinwerten, hat Bluthochdruck, leidet an Übergewicht und gilt damit als Risikopatient. Auch hier hätten die Experten des Krankenhauses Maria-Hilf frühzeitig helfen können, wäre Heinz vorstellig geworden, denn aufgrund der Größe der Klinik sind diverse Diagnosemöglichkeiten, wie zum Beispiel die Neurologische Gefäßambulanz, an die Stroke-Unit angeschlossen. „In der Regel kommen Risikopatienten über eine Überweisung des Haus- oder Facharztes zu uns“, beschreibt Dr. Moll. „Denn auch für die Nachbehandlung und damit die Vorsorge vor einem weiteren Schlaganfall ist es wichtig, sich in professionelle Hände zu begeben. Wir arbeiten mit niedergelassenen Ärzten und Kliniken über die Grenzen von Krefeld hinaus zusammen.“ Auch Heinz wird nun seine Routinen ändern müssen. Er möchte sich einer speziellen Sportgruppe für Schlaganfallpatienten im KreVital, dem Gesundheitsinstitut der Krefelder Alexianer, anschließen. Auch seine Ernährung wird er umstellen müssen und mit einem Logopäden trainieren. Denn obwohl Monika so schnell reagierte, ist seine Sprachfähigkeit noch nicht vollständig zurückgekehrt.
„Am Ende“, so schließt auch Prof. Dr. von Giesen ab, „ist es wichtig, dass der Schlaganfall nicht in Vergessenheit gerät. Nicht nur die Ärzte und Therapeuten, auch der Patient selbst muss Verantwortung übernehmen.“ //Ann-Kathrin Roscheck
Weitere Informationen zur Stroke-Unit im Krankenhaus Maria-Hilf, eine Einrichtung der Alexianer Krefeld GmbH, finden Sie online auf www.alexianer-krefeld.de/leistungen/zentren/schlaganfall-zentrum.