Karies ist in den Industrieländern deutlich auf dem Rückzug: Das ist eine tolle Nachricht. Besonders bei Milchzähnen und im Kindesalter kann man in den letzten Jahrzehnten einen deutlichen Rückgang von mit Karies befallenen Zähnen feststellen. In den letzten vierzig Jahren sank die Quote der Karieserkrankungen um rund 90 Prozent. Damals mussten bei 12-Jährigen durchschnittlich sieben kariöse Zähne behandelt werden, heute sind es nur noch 0,7. Ähnliche Tendenzen sind bei Erwachsenen zu beobachten. Somit zeigt sich, das alle Vorsorge- und Prophylaxe-Programme, die wir Zahnmediziner ab dem Kindesalter anbieten, sehr zielführend sind.
Bedeutet dies, dass wir uns alle zurücklehnen dürfen und uns mit Vollbezahnung in einen unbesorgten Lebensabend hineinbeißen können? Leider nein. Im Alter von 25 – 35 Jahren übernehmen andere Übeltäter die Führungsposition in der Rangliste der Zahnzerstörer. Zum Beispiel die Parodontitis, die nach wie vor viel zu häufig nicht rechtzeitig erkannt und behandelt wird. Ihr fallen nach wie vor viel zu viele Zähne viel zu früh zum Opfer. Von den oft mit ihr einhergehenden Begleiterscheinungen wie Herz-Kreislauferkrankungen, Arterienverkalkung, Bluthochdruck und die Zusammenhänge mit schweren Covid-19-Verläufen ganz zu schweigen.
Zunehmend ist außerdem zu beobachten, dass die Schnelllebigkeit der Gesellschaft und der steigende Druck im Privat- und Arbeitsleben deutliche Spuren hinterlassen. Die Menschen knirschen und pressen sich immer mehr ihrer Zahnhartsubstanz ab. „Man muss sich halt irgendwie durchbeißen“, heißt es. Das ist im kleinen Ausmaß zwar durchaus normal, aber wenn das große Knirschen schon in frühen Lebensjahren beginnt, sind Probleme in der Zukunft vorprogrammiert. Wenn die Eckzähne ohne Spitzen auskommen müssen und zu kleinen Würfeln zerrieben sind, wenn Schneidezähne kurz, durchscheinend und ausgefranst sind, wenn die Schutzhülle der meisten Zähne weggeknirscht ist, hilft nur noch die aufwändige und kostspielige Restauration. Nicht zu vergessen die Beschwerden, die ein schlecht ausbalanciertes und verkrampftes Kiefergelenk verursacht: Kopfweh, Schwindel, Tinitus, Nackenschmerzen etc. Gut möglich, dass unsere runtergeknirschten Zähne den Archäologen, die in ferner Zukunft unsere Schädel ausgraben und forensisch untersuchen, einige Rätsel aufgeben.
Was können Sie tun? Sprechen Sie Ihren Zahnarzt darauf an, ob er die Verteilung der Kontaktpunkte zwischen Oberkiefer und Unterkiefer und die sogenannten Schlifffacetten (Abriebpunkte) auf Ihren Zähnen dokumentieren kann. Nur so lassen sich nämlich Veränderungen der Zahnsubstanz nachvollziehen. Wir nehmen bei jedem Kontrollbesuch unserer Patienten einen kostenlosen 3D-Computerscan der Zähne ab. Somit sind wir in der Lage, halbjährlich zu vergleichen, was noch da oder bereits weg ist, und rechtzeitig die entsprechenden Maßnahmen zu ergreifen, um eine Großbaustelle zu vermeiden – und sicherzustellen, dass Ihnen kein Zacken aus der Krone bricht.
Ihr Wojtek Honnefelder