Wenn wir die historische Entwicklung der Stadt Krefeld betrachten, dann können wir nicht einfach nur auf das schauen, was zwischen den Wällen passierte. Stattdessen müssen wir uns für ein Blickfeld entscheiden, das deutlich größer ausfällt. Die Krefelder Geschichte, das sind die Erzählungen über die alte Rheinstadt Uerdingen, die mit einem eigenen Hafen schon früh eine besondere Import- und Export-Kultur entwickelte. Das sind Berichte über die ehemalige Stadt Linn im Schatten der kurkölnischen Landesburg. Das sind Geschichten aus den Ortschaften Bockum, Verberg, Traar, Hohenbudberg, Gellep und Oppum, die aus einem Römerlager hervorgingen. Und das sind auch die Storys über „Breetlok“ und ein eigenes Identitätsgefühl der Hülser, die den Satz „Hüls gehört zu Krefeld“ auch noch heute mit einem Augenzwinkern dementieren.
Aber nicht nur in den einzelnen Stadtteilen prägte sich vor vielen Jahren ein eigenes Zugehörigkeitsgefühl, auch die Entwicklung der Innenstadt ist einmalig in Deutschland. Als Ende des 18. Jahrhunderts Krefeld zu den bedeutendsten Industriestädten des Rheinlands gehörte und immer mehr Menschen in die Stadt zogen, um hier Arbeit zu finden, dehnte sich das Zentrum zu allen Seiten aus. Von 1800 bis 1887 wuchs die Bevölkerung von rund 5.200 Menschen auf 100.000 Einwohner an. Fand vorher das Leben nur an der süd-nördlich verlaufenden Hauptstraße und rund um den Schwanenmarkt statt, wurde die Stadt innerhalb weniger Jahre sechs Mal erweitert. Diverse wirtschaftliche Nebenschauplätze entstanden.
Noch heute prägt diese historische Entwicklung die Krefelder Einkaufskultur: Es gibt nicht nur die Innenstadt als attraktives Einkaufszentrum, sondern auch in anderen Stadtteilen lässt es sich gut shoppen. Gleichzeitig verteilt sich unser Einkaufserlebnis in Krefeld-Mitte auf eine verhältnismäßig große Fläche. Ob Fachgeschäfte auf der Rheinstraße, besondere Mode und Feinkost auf der Königstraße, Kaufhäuser auf der hinteren Hochstraße, wöchentliches Marktgeschehen auf dem Westwall oder Internationalität rund um den Hauptbahnhof: Es gibt nicht nur das eine Einkaufziel. Wenn wir nach Krefeld fahren, um einzukaufen, bedeutet das noch lange nicht, dass wir die gesamte Innenstadt herunterschlendern. Für die Händler ist es eine tägliche Herausforderung, sich dieser besonderen Stadtentwicklung zu stellen. Im Interview mit CREVELT haben sie von Schwierigkeiten, Vorzügen und Wünschen rund um die Einkaufskultur in Krefeld erzählt.
Hartmut Janßen, Inhaber von Tabak Janßen
„Wir sind seit den 50er Jahren in Krefeld ansässig und ich schätze das Publikum wirklich sehr. Krefelder sind vielfältig und gesellig. Egal, aus welcher Nation sie kommen, mit Krefeldern kann man immer einen Plausch halten. Das macht die Verkaufssituation schön und angenehm für uns. Dennoch ist Krefeld auch immer mit Wandel verbunden. Heute haben wir nur noch zwei Filialen, denn das komplette Sortiment der Königstraße ist in die nur drei Minuten entfernte Filiale im Schwanenmarkt übergegangen. Im Hansahaus, in dem wir in die alten Räumlichkeiten der Stadtwerke umgezogen sind, empfangen wir viele Pendler. Fast 50 Jahren sind wir bereits an verschiedenen Standorten am Hauptbahnhof, deswegen zählen hier auch jede Menge treuer Stammkunden zum Publikum.
Ein Besuch im Schwanenmarkt gehört zu jedem Citybesuch dazu. Hier kann man einen Kaffee trinken, ein Eis essen und dann eben bei uns vorbeischauen. Die Filiale hat sich toll entwickelt. Gerade im Herzen der Stadt stellen wir aber auch fest, dass jede kleine Veränderung im Stadtbild zu veränderten Kundensituationen führt. Da muss die Stadtplanung wirklich ein Auge drauf haben. Die Erhöhung der Parkgebühren bei einem privaten Anbieter haben wir zum Beispiel direkt gemerkt. Auch Stausituationen durch Baustellen oder andere Störungen in der Innenstadt haben einen enormen Einfluss auf die Händler hier in der Innenstadt.
Krefelder und Besucher der Stadt sind sensibel und ich wünsche mir, dass das bei der Stadtplanung mehr Beachtung findet. Generell kann ich sagen, dass die Kooperation schon sehr gut läuft. Vor allem das Stadtmarketing macht wirklich einen guten Job und hat zum Beispiel letztes Jahr viele Dinge umgesetzt, die wir als Handelsverband kritisiert haben. Dazu gehören zig Kleinigkeiten, wie dass die Parkbänke jetzt öfter gesäubert werden, Mülltonnen in der Innenstadt regelmäßiger gereinigt werden, und auch Grünanlagen schöner geworden sind. Aber die Kommunikation mit der Stadtplanung könnte dennoch besser sein.
Die Verkehrsführung ist für mich ein großes Thema, das von allen Seiten beachtet werden muss. Wir können nicht nur den Fahrradfahrern, nicht nur dem ÖPNV und nicht nur den Autofahrern beste Möglichkeiten schaffen, sondern wir müssen alle drei Adressatengruppen bedienen. Krefeld als Oberzentrum ist Ziel von Menschen, die auch aus ländlichen Gebieten kommen und auf das Auto angewiesen sind. Corona hat aber gleichzeitig auch viele Krefelder vom ÖPNV abgehalten und aufs Fahrrad gebracht. Hier müssen genauso Wege geschaffen werden. Das ist ein schwieriger Spagat, zumal Fahrradfahren meist nur bei schönem Wetter und nicht zum Transport von Einkäufen funktioniert. Zum Erhalt einer lebensfähigen Innenstadt ist eine ganzheitliche Betrachtung notwendig. Die Umgehungen und die Zu- und Abwege müssen funktionieren. Der Park-Suchverkehr muss minimiert werden. Kleine Unfälle und Baumaßnahmen dürfen nicht zum Kollaps führen. Selbst ein Worst Case, den zum Beispiel die Evakuierung nach einem Bombenfund in der Vergangenheit gebracht hat, darf nicht außer Betracht gelassen werden. Das wünsche ich mir von der Stadt.
Von den Krefeldern dagegen wünsche ich mir, dass sie uns Händler im Weihnachtsgeschäft nicht im Stich lassen. Wir haben die notwendigen Hygienebedingungen umgesetzt und sind bereit, sicher Kunden zu empfangen. Die Phase, die jetzt beginnt, ist nach dem vergangenen Jahr unheimlich wichtig für uns. Seien Sie dabei an unserer Seite!“
Oliver Reiners, Delikatessen Franken
„Krefeld und Delikatessen Franken verbinden eine lange Geschichte. Seit 1904 sind wir an der Königstraße ansässig und haben nicht nur den Krieg, sondern auch die unterschiedlichen Entwicklungsschritte der Seidenstadt erlebt. Herausragend ist für uns die Ge- und Entschlossenheit der Hauseigentümer der Königstraße. Dafür steht zum Beispiel unsere Glasüberdachung. Im Jahr 2000 ist diese als Gemeinschaftswerk von Stadt und Hauseigentümern realisiert worden. Wir haben uns als Eigentümer die Kosten mit der Stadt geteilt. So geben heute auch hochwertige Blumenkübel, neue Fahnen, beleuchtete Eingangstore mit zeitgemäßen Logos und Blumenschmuck der Königstraße einen einzigartigen und hochwertigen Anstrich. Auch ein von Michaela Heinen betreutes Portal, das Mietinteressenten und Vermieter zusammenbringt, ist eine Krefelder Besonderheit und zeigt, dass es starke Protagonisten gibt. So hoffen wir, dass immer wieder auftretende Leerstände, die es wie in allen anderen Städten eben auch bei uns gibt, zügig wiederbesetzt werden können.
Unser Wunsch an die Stadt ist eine zügige Unterstützung. Es ist ja geplant, im Rahmen des NRW Förderprogrammes für die Innenstadt Leerstände vergünstigt an Popup-Stores zu vermieten. So schlägt man zwei Fliegen mit einer Klappe: Leerstände werden beseitigt und das Risiko für Handelsstarter bleibt überschaubar. So könnte die Innenstadt mit immer wieder neuen Einkaufs-Erlebnissen attraktiv gestaltet werden. Wir wünschen uns von der Stadt, dass das auch hier schnell in Angriff genommen wird.“
Wolfgang Schinke und Alexander Werner, Schinke Couture
„Im Jahr 2008 auf der Königstraße begonnen, gehören wir heute mit Standort an der Marktstraße in unmittelbarer Nähe zum Behnisch-Haus zu den letzten Adressen für Männer- und Frauenmode in Krefeld. Viele andere Händler haben Krefeld inzwischen wieder verlassen, wir sind aber geblieben und darauf sind wir stolz. Unser Umzug von der Königstraße beschreibt das, was in Krefeld nicht gut läuft, denn unsere Stadt hat ein Vermieterproblem. Viele Immobilieneigentümer kennen die Entwicklungen in den Branchen nicht und bieten Objekte zu falschen Mietpreisen an. Diese sind zu teuer, sie passen nicht zur Branche. So kommt ein hoher Leerstand zustande. Auch glauben wir, dass immer wieder Geschäfte schließen müssen, weil Konzepte nicht zur Entwicklung des Handels passen. Der Einkäufer an sich ist anspruchsvoll. Er bewegt sich vom Internetshopping weg, weil er im Laden Entertainment und Beratung erwartet. Es ist unsere Aufgabe als Händler, dafür zu sorgen. Wir können uns nicht durchweg über die Entwicklung des Webshoppings beklagen, dadurch ändern wir nichts und das Internet wird auch nicht mehr verschwinden, also müssen wir uns weiterentwickeln. Wenn wir jetzt während Corona Ladenlokale mit Spinnweben oder Staub in den Schaufenstern sehen, wird uns schlecht – da hätte ich doch als Konsument auch keine Lust, einzukaufen.
Als Händler ist es unsere Pflicht, auch die neuen Medien zu bedienen. Wir müssen innovativ sein, uns ständig weiterentwickeln und up-to-date bleiben. Dafür nutzen wir zum Beispiel den Austausch innerhalb der Werbegemeinschaft oder des Handelsverbands, wir lesen auch viel und bilden uns fort. Corona hat zur Folge, dass der anstehende Strukturwandel nun noch beschleunigt wird und wir sind froh, dass wir uns damit schon seit vielen Jahren beschäftigen. Deswegen halten wir den Kopf über Wasser.
An sich hat unsere Stadt viel zu bieten. Wir schaffen es seit Jahren, uns gegen Metropolen wie Düsseldorf oder Köln zu behaupten. Dazu trägt die Stadt mit Kampagnen wie dem Krefelder Perspektivwechsel bei. Auch mit Sauberkeit haben wir in Krefeld inzwischen keine Probleme mehr, wir sind eine grüne Stadt mit guten Parkmöglichkeiten und einem tollen kulturellen Angebot. Exorbitant schlecht sind allerdings unsere Straßen und das schon seit vielen Jahren. Hier wünschen wir uns, dass die Stadt endlich handelt. Zufahrten zur Innenstadt sind katastrophal und peinlich. Derjenige, der beispielsweise aus Mönchengladbach kommt, muss über die Gerberstraße in die Innenstadt fahren. Das ist nicht schön. Vom Krefelder an sich wünschen wir uns, dass er weniger meckert. Wir erleben die Krefelder als open minded mit einem hohen Anspruch an Qualität. Diese Zuneigung, die wir zu unserer Stadt haben, wünschen wir uns noch deutlicher: Ganz ehrlich, in anderen Städten gibt es doch auch Dinge, die nicht schön sind, deswegen muss Krefeld nicht gleich eine schlechte Stadt sein.“