Dagobert Duck hat eine ganz besonders innige Bindung zu seinem ersten selbst verdienten Geld: Der berühmte „Glückstaler“ liegt auf einem weichen Kissen unter einer alarmgesicherten, blank polierten Glasglocke. Man muss schon einen sehr ausgeprägten Geldfetisch haben, um seine erste verdiente Münze wie ein Museumsstück auszustellen, anstatt sie für Eiskrem, Süßigkeiten, Kaugummi oder Brausepulver auf den Kopf zu hauen. Wir waren demnach nicht verwundert, dass uns keiner der vier Krefelder, die wir nach ihrem ersten selbst verdienten Geld fragten, stolz einen abgegriffenen, patinierten Groschen präsentierte. Stattdessen bekamen wir etwas viel Besseres: lebendige, nostalgische und amüsante Schilderungen von vergangenen Zeiten, kleinen Jobs, cleveren Ideen, absurden Deals, ersten Karriereschritten und lustvollen Wunscherfüllungen.
Karin Meincke
„Das erste eigene Geld verdiente ich mit dem Austragen der Kirchenzeitung in Geldern. Den Job hatte mir meine ältere Schwester Edeltraut vererbt, als ich zehn oder elf war. Freitags holte ich die 60 Zeitungen beim Dechant Krämer ab und musste sie bis Samstagmittag verteilen. Meine Runde begann an der Lindenallee, führte in den Amselweg und zurück über die Egmontstraße. Es war eine ehrenamtliche Tätigkeit, aber beim Kassieren gaben die Kunden immer etwas mehr und das war mein Lohn. Am schönsten war es, als die Kirchenzeitung 70 Pfennig im Monat kostete: Die Kunden gaben meistens eine Mark, also 30 Pfennig für mich. Dann ging die Konjunktur bergab: Die Zeitung wurde teurer, aber die Leute gaben immer noch eine Mark, mein Anteil schrumpfte also. Trotzdem kam ich am Monatsende immer auf 12 bis 15 Mark Taschengeld. An einen Zeitungsempfänger erinnere ich mich noch genau: Er gab immer eine Mark zwanzig, aber er hatte einen großen pechschwarzen Neufundländer, der ein Riesenpalaver machte. Wenn ich zu ihm musste, betete ich vorher: ,Lass den Hund nicht im Garten sein!‘ Dabei war der eigentlich total lieb, wahrscheinlich wollte er nur spielen.
Der Job selbst hat natürlich nicht immer Spaß gemacht. Manchmal rief mich meine Mutter vom Balkon, um mich daran zu erinnern, dass die Zeitungen da waren. Dann musste ich das Spiel mit den Freundinnen abbrechen und losmarschieren. Blaugemacht habe ich aber nie, das hätte Ärger mit meiner Mutter gegeben. Ich war in unserer Familie die jüngste, aber mit dem verdienten Geld konnte ich meinen älteren Geschwistern oft aushelfen. Unser Nachbarskind, den Friedhelm, habe ich manchmal zum Kassieren mitgenommen und dann habe ich ihm danach im Schreibwarengeschäft ein Pixi-Buch gekauft. Ich fühlte mich großartig dabei, dass ich einem kleinen Jungen eine Freude machen konnte. Taschengeld gab es bei uns nicht. Wenn wir etwas brauchten, zweigte unsere Mutter das ab, aber wenn wir besondere Wünsche hatten, mussten wir uns das Geld dafür selbst verdienen. So wollte ich zu meiner C-Flöte eine F-Flöte haben und zwar eine von Möck. Es musste unbedingt die Flöte von Möck sein. Ich glaube, sie kostete 42 Mark. Darauf habe ich lange gespart. Und dann sind wir extra nach Krefeld gefahren und in ein Musikgeschäft auf der Neusser Straße gegangen. Ich war stolz wie Oskar, als ich die Flöte auf dem Heimweg auf dem Schoß hatte.“
Reiner Leendertz
„Ich war zwischen vier und sechs, als ich eine Spieluhr im Haus meiner Großeltern in Hannover mit einem Schuhkarton und einem Faden zu einem Automaten umbaute. Warf man eine Münze in den Schlitz, begann die Spieluhr zu spielen. So ähnlich funktionierte auch ein von mir mit Lego gebauter Kaugummiautomat. Meine Großeltern wollten natürlich weder die Spieluhr hören noch Kaugummi kauen, aber sie mussten trotzdem immer wieder Geld einwerfen, das ich dann behalten durfte. Als wir etwas später nach Krefeld zogen, wurden meine Geschäfte größer. Ich dachte, was der Milchmann kann, kann ich auch, räumte die Vorräte aus dem Keller heimlich in einen Bollerwagen und verkaufte sie zu absoluten Mondpreisen an die Nachbarn: Das Tütchen Vanillepudding kostete bei mir zwei Mark! Die Nachbarn zahlten bereitwillig, ich war stolz auf meinen Umsatz und meine Eltern entschuldigten sich am nächsten Tag mit Blumensträußen.
Mit zehn Jahren sattelte ich um auf die Hühner- und Kaninchenzucht im Garten, verkaufte Eier und Jungtiere oder auch selbst gepflückte Kornblumensträuße. Den nächsten Schritt machte ich mit der Reparatur und dem Verkauf von Mofas. Und zur selben Zeit nahm ich auch Gartenarbeit an. Mit einem selbst gebauten Anhänger fuhr ich erst mit dem Fahrrad, später dann mit dem Mokick zu den Nachbarn. Die Nachfrage war so groß, dass ich sogar einen Mitarbeiter einstellte. Aber der machte seine Arbeit nicht gut und ich erhielt ständig telefonische Beschwerden.
Als ich 16 war, verstarb meine Oma, die auf der Hohenzollernstraße ein großes Haus mit vier Etagen, Keller und Dachboden bewohnte. Meine Eltern lösten den Haushalt über zwei Kleinanzeigen auf und sagten dann: ,Das war‘s!‘ Ich war aber anderer Meinung: Also fuhr ich ein Jahr lang jeden Sonntag um elf mit meinem Mokick zum Haus, vor dem sich schon eine Schlange gebildet hatte, und verkaufte alles, was nicht angeschraubt war. Da habe ich so gut verdient, dass die Zeitung mir irgendwann die Privatanzeige nicht mehr genehmigen wollte.
Mein erstes Gewerbe, Audiphon, meldete ich mit 18 mit zwei Freunden an. Wir hatten zehn Walkmen verkauft und von dem Gewinn Boxenchassis bestellt, die wir in selbst konstruierte Betonboxen einbauten. Wir gelangten damit tatsächlich in die Auslage eines namhaften Düsseldorfer HiFi-Geschäfts. Ein Triumph, aber finanziell leider ein Nullsummenspiel. Danach eröffneten wir das Geschäft Vidivison auf der Uerdinger Straße, wo wir Fernseher, Videogeräte und Computerspiele verkauften. In einem Jahr machten wir sage und schreibe 1.500 Mark Gewinn – zu dritt, wohlgemerkt, und bei einem Umsatz von einer halben Million Mark. Das änderte sich schlagartig, als ein Freund ein Autoradio suchte. An den Radios verdienten wir mehr als an einem Fernseher oder Videorekorder. Also eröffneten wir gegenüber von unserem Laden das Autoradioland. Innerhalb von zwei Jahren hatten wir mehrere Filialen und 20 Angestellte, obwohl wir noch Schüler waren. Von dem Geld, das ich in meiner Jugend verdiente, kaufte ich mir ein Moped oder HiFi-Equipment. Meine erste große Anschaffung war ein dickes Vier-Spur-Tonbandgerät für 800 oder 900 Mark. Da muss ich so 15 gewesen sein. Wichtiger als das Geld an sich war mir aber die Freiheit, mir Dinge leisten zu können, wenn ich Lust darauf hatte. Ich fand alles, was ich gemacht habe, spannend. Es ging um den Spaß, ums Ausprobieren.“
Anne Poleska
„Ich gewann mit 15, 16 bei Wettkämpfen erste Preisgelder in Höhe von 20, 25 D-Mark. Aber richtig los ging es 1996, als ich im Winter nach den Olympischen Spielen von Atlanta in die deutsche Nationalmannschaft berufen wurde. Der Videospiel- und Konsolenhersteller Sega kontaktierte mich und fragte, ob er mich sponsern dürfe. Für mich kam das total überraschend. Es gab eine Verbindung zu meinem Verein, dem SSF Aegir, deren Wasserballer Sega bereits unterstützte. Ich hatte mit Videospielen zwar nichts am Hut, aber man kann sich bekanntlich über alles unterhalten. Also engagierte ich eine Agentur, um den Vertrag auszuhandeln, weil ich von der ganzen Materie keine Ahnung hatte und es immerhin um eine sechsstellige Summe ging. Im Vertrag wurde genau festgehalten, wie viele Tage im Jahr ich für Werbemaßnahmen zur Verfügung stehen müsse. Aber es kamen nie irgendwelche Anfragen! Ich machte weder Autogrammkarten noch musste ich zu irgendwelchen Terminen erscheinen. Nichts. Ich erhielt lediglich einmal eine große Box mit Videospielen. Die bekam dann mein Cousin und freute sich tierisch darüber.
Vielleicht wurde der Vertrag mit mir einfach vergessen. Mit der PlayStation tauchte ungefähr zu jener Zeit ja ein großer Konkurrent am Konsolenmarkt auf, der Sega verdrängte. Trotzdem war die ganze Geschichte sehr skurril. Es gab damals Dutzende deutscher Sportlerinnen, die bekannter und als Werbepartner geeigneter gewesen wären. Es machte gar keinen Sinn, weder für die Firma noch für mich, und es schien auch gar keine Idee zu geben, wie man mich einsetzen könnte. Ich habe daraus gelernt und so etwas später nie mehr gemacht, sondern immer darauf geachtet, dass die Sponsorenverträge, die ich abschloss, etwas mit mir zu tun hatten. Aber es ging natürlich um eine ganze Menge Geld, mit der ich mir meine Zeit in den USA finanzieren konnte.
An eine Sache, die ich mir von dem Sega-Geld gekauft habe, erinnere ich mich noch: Gleich am Tag nach dem Vertragsabschluss war ich mit meiner Mutter in Krefeld einkaufen und habe einen langen Ledermantel erstanden. Total furchtbar, aber ich fand den megageil. Wahrscheinlich lag er in einer Preisklasse, die ich normalerweise gemieden hätte, aber der Fashion-Fauxpas war es mir wert.
Sonst war ich eher bescheiden in meinen Ansprüchen. Ich hatte nie das Bedürfnis, mir Luxusgüter zu kaufen und die Jobs, die ich übernahm, waren meist ehrenamtliche Tätigkeiten im Schwimmverein. Man könnte sagen, mein Geschäftssinn ist nicht übermäßig ausgeprägt. Ich möchte Dinge machen, die mir und am besten auch anderen Spaß bringen, das Finanzielle steht dabei nicht im Vordergrund. Aber es war schön, ab 16 komplett selbstbestimmt zu sein. Ich musste meine Eltern nie nach irgendwas fragen und konnte mir den Lebensstil leisten, den ich wollte, obwohl der mit hohen Kosten verbunden war: Ich musste Flüge bezahlen, den Trainer und vieles mehr. So absurd diese Geschichte mit Sega auch war: Das Geld hat mir Vieles erleichtert.“
Friedhelm Funkel
„Als ich mein erstes Geld verdient habe, war ich acht oder neun. Das gibt es heute gar nicht mehr: Ich stellte Kegel auf. Mein Vater war in einem Kegelklub, der sich einmal im Monat von sieben bis zehn im „Sebastianus“ auf der Sebastianusstraße in Neuss traf. Das Lokal existiert nicht mehr. Als er mich fragte, ob ich für sie die Kegel aufstellen wolle, habe ich natürlich zugesagt. Die Arbeit war nicht schwer: Ich musste die herumliegenden Kegel wegräumen und wieder aufstellen, wenn einer fertig war. Um nicht von der Kugel oder den Kegeln erschlagen zu werden, musste ich aber wirklich aufpassen, denn die Holzkegel sind quer durch die Gegend geflogen. Freunde von mir holten sich da durchaus schon einmal eine Platzwunde oder einen blauen Fleck, aber mir ist nie etwas passiert. Für die Arbeit bekam ich fünf Mark die Stunde. Das war damals eine Menge Geld, denn eine Kugel Eis kostete ja nur einen Groschen. Jeden Abend verdiente ich also 15 Mark und weil ich das dann auch noch für einen anderen Kegelklub machte, kam ich jeden Monat auf 30 D-Mark. Das war schon viel Geld für einen kleinen Jungen. Mit elf oder zwölf habe ich dann während des Fackelzugs beim Neusser Schützenfest das Transparent des Schützenzugs getragen, in dem mein Vater Mitglied war. Am Ende bekam ich von den Mitgliedern ein Trinkgeld. Der eine hat zwei Mark gegeben, einer fünf Mark oder auch schon mal einer zehn Mark. Da kam ordentlich Kirmesgeld zusammen!
In meinem ersten Jahr als Profi bei Bayer Uerdingen verdiente ich 500 Mark im Monat brutto plus 10.000 Mark Handgeld. Jedes Jahr gab es dann ein kleines Bisschen mehr. Und dann kam das Angebot aus Kaiserslautern. Das war ein Quantensprung. Ich dachte nur: ,Wie kann das denn sein?‘“
Taschengeld gab es bei uns nicht. Wir waren zu Hause mit zwei, später mit drei Kindern und hatten nicht viel. Uns ging es gut und wir haben auch nichts vermisst, aber Geld für Wünsche außer der Reihe mussten wir uns verdienen. Von meinem Geld bin ich gern am Sonntagmorgen ins Kino gegangen oder habe mir davon mein erstes Paar Fußballschuhe gekauft. Zum ersten Mal Geld mit dem Fußball verdiente ich mit 15. Ich machte meine Lehre als Großhandelskaufmann bei Elektro Heinz Becker auf der Promenadenstraße 75 in Neuss. Mein Chef war der Vorsitzende des VfR Neuss, so war ich auch an die Lehrstelle gekommen. Für jedes geschossene Tor gab er mir zehn D-Mark. Ab 1972, als ich in den Seniorenbereich kam, erhielt ich monatlich 250 Mark und vom Sponsor einen Autobianchi, ich glaube, der hat damals 2.500 Mark gekostet. Da war ich aber noch Amateur. 1973, nach meiner Lehre und einem Jahr Arbeit als kaufmännischer Angestellter, wurde ich dann Profi bei Bayer 05 Uerdingen. Bei der Vertragsverhandlung war ich total nervös und habe das erste Angebot sofort angenommen. Ich verdiente 500 Mark im Monat brutto plus 10.000 Mark Handgeld, wie man das damals nannte. Jedes Jahr gab es dann ein kleines Bisschen mehr. Und dann kam das Angebot aus Kaiserslautern. Das war ein Quantensprung. Ich dachte nur: ,Wie kann das denn sein?‘“